26.03.2020

Coronavirus-Pandemie: Scharfer, aber im besten Fall kurzer Einbruch der Konjunktur

WIFO-Konjunkturszenario März 2020
Die Coronavirus-Pandemie belastet derzeit die internationale und österreichische Konjunktur. Im 1. Halbjahr 2020 ist weltweit mit deutlichen Einbußen in der Wirtschafts­leistung zu rechnen. Die Auswirkungen hängen wesentlich davon ab, wie lange die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus in Kraft bleiben.

Im gegenwärtigen Umfeld kann daher nur in Szenarien gerechnet werden. Wenn die Maßnahmen bis Ende April in Kraft bleiben, im Mai allmählich wieder aufgehoben werden und sich die Lage im Sommer normalisiert, wird die österreichische Wirtschaft 2020 um 2,5% schrumpfen.

Der Mitschnitt der Pressekonferenz und Pressefotos sind ab sofort hier verfügbar.

Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie belasten die weltweite und österreichische Konjunktur derzeit schwer. Das Virus, das Ende Dezember erstmals in der chinesischen Provinz Hubei auftrat, hat mittlerweile alle Teile der Welt erreicht. Während die Zahl der Neuerkrankungen in China gegenwärtig im Abnehmen begriffen ist, nimmt sie in vielen anderen Ländern, insbesondere in Europa, drastisch zu. Viele Regierungen ergriffen daher Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Diese sind teils einschneidend und werden laufend adaptiert, sodass sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft beinahe täglich ändern. Zudem gibt es aus der jüngeren Vergangenheit kaum Anhaltspunkte für den Verlauf einer solchen Krise. In so einem Umfeld können lediglich Szenarien angenommen werden, auf deren Basis die weitere wirtschaftliche Entwicklung eingeschätzt wird. Eine Prognose im herkömmlichen Sinn ist hingegen unter den gegebenen Umständen nicht sinnvoll. Die Einschätzung ist naturgemäß mit einer hohen Unsicherheit behaftet.
 

 

Auch die österreichische Wirtschaft ist durch die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie schwer beeinträchtigt. Die Regelungen zur Schließung von vielen Geschäften und Betrieben sowie zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Mitte März in Kraft traten, ziehen Umsatzeinbußen und Einkommensverluste im Handel und Dienstleistungsbereich nach sich. Der Reiseverkehr ist gegenwärtig praktisch zum Erliegen gekommen. Auch in der Industrie machen sich Störungen der Lieferketten und der Produktion bemerkbar und in der Bauwirtschaft stellten einige Unternehmen bereits die Bautätigkeit ein. Zur Unterstützung der betroffenen Personen und Betriebe schnürte die Regierung im März zwei Hilfspakete mit einem Gesamtvolumen von maximal 38 Mrd. €.

Die Einschränkungen gelten derzeit bis Mitte April. Die unten dargestellte Einschätzung der wirtschaftlichen Effekte basiert auf einem Szenario, in dem die Maßnahmen zumindest bis Ende April verlängert und erst im Laufe des Monats Mai allmählich wieder zurückgenommen werden. Im grenzüberschreitenden Personenverkehr und im Freizeit‑, Veranstaltungs‑ und Tourismusbetrieb werden noch länger Einschränkungen angenommen. Das Szenario geht jedoch davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen im Sommer wieder normalisieren und die Wirtschaft im 2. Halbjahr wieder ihr Normalniveau erreicht. Auf- und Nachholeffekte, insbesondere in der Industrie, werden sich aufgrund der Störungen in den weltweiten Lieferketten weitgehend erst im kommenden Jahr manifestieren.

In diesem Szenario ist die österreichische Wirtschaft im 1. Halbjahr in einer Rezession. Im I. und insbesondere im II. Quartal 2020 ist mit hohen Einbußen in der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Für die zweite Jahreshälfte ist hingegen von einer Erholung auszugehen. Im Gesamtjahr 2020 wird das BIP dadurch um 2,5% sinken.

Der starke, aber aus heutiger Sicht kurze Einbruch der Konjunktur schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Umstellung vieler Unternehmen auf Kurzarbeit dürfte dazu beitragen, dass die Effekte abgemildert werden. Die Arbeitslosenquote wird im Jahresdurchschnitt 2020 dennoch deutlich auf 8,4% steigen.

Die Verbraucherpreisinflation verringert sich durch den starken Rückgang des Ölpreises merklich. Die konjunkturelle Schwäche und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt tragen ebenso dazu bei, dass der Preisauftrieb schwach bleibt. Die Inflation wird demnach 2020 1,3% betragen.

Die öffentlichen Haushalte werden durch die Unterstützungsmaßnahmen belastet. Steuerausfälle dürften ebenso deutlich zu Buche schlagen. Der Finanzierungssaldo wird sich 2020 auf ‑5½% des BIP verschlechtern.

Das hier dargestellte Szenario ist in dem Sinn als optimistisch einzustufen, als es davon ausgeht, dass die verschiedenen Einschränkungen der Wirtschaft nicht wesentlich länger aufrecht bleiben als dies gegenwärtig geplant ist. Außerdem basiert das Szenario auf der Annahme, dass der schrittweise Erholungsprozess der österreichischen Wirtschaft nicht durch neue externe Schocks beeinträchtigt wird. Darunter fallen etwa deutliche Verzögerungen in der wirtschaftlichen Erholung wichtiger Exportländer wie Deutschland, oder weltwirtschaftliche Verwerfungen, die etwa von den USA ausgehen könnten. Zur Abschätzung derartiger neuer Krisenszenarien fehlt jedoch die empirische Basis.