25.01.2023

Wie sollte die Unternehmensbesteuerung in der EU aussehen?

Video: WIFO-Ökonom Simon Loretz in einem öffentlichen Hearing des Europäischen Parlaments
Ein Rahmen für die Unternehmensbesteuerung (BEFIT) soll eine umfassende Lösung für die Unternehmensbesteuerung in der EU liefern. WIFO-Ökonom Simon Loretz wurde vom Europäischen Parlament eingeladen, in einem öffentlichen Hearing des FISC-Unterausschusses für Steuerangelegenheiten am 25. Jänner 2023 eine Stellungnahme abzugeben.

"Der Zugang für Reformen der internationalen Besteuerung war immer von Beginn an detaillierte Vorschläge zu diskutieren, statt sich auf Reformen zu einigen ohne diese zu spezifizieren. Dies war der Fall für die Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage und scheint auch für die BEFIT-Reform der Fall zu sein. Ich halte diesen Zugang für positiv und angemessen, auch wenn er die Gefahr bringt, dass eine Einigung letztendlich schwer werden könnte", so Simon Loretz.

Die Ziele des BEFIT-Vorschlags seien ambitioniert und wohlüberlegt, brächten laut Loretz aber mehrere Zielkonflikte mit sich: "Die Bekämpfung von Steuervermeidung wird wahrscheinlich auf Kosten der Einfachheit gehen und kann tatsächliche Investitionsentscheidungen beeinflussen. Die Umverteilung von Besteuerungsrechten kann zu einer faireren Verteilung der Steuereinnahmen führen, wird aber merkliche Einbußen an Steuereinnahmen für einige Mitgliedsstaaten mit sich bringen. Insgesamt ist es illusorisch zu glauben, dass eine substanzielle Steuerreform stattfinden kann, ohne dass Gewinner und Verlierer entstehen, sowohl auf Firmen- als auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten."

Die letztendliche Entscheidung über die Ausgestaltung des BEFIT-Vorschlages müsse diese Zielkonflikte gegeneinander abwiegen. Es sei somit nicht Aufgabe der Wissenschaft einen idealen Entwurf zu präsentieren, sondern vielmehr sollten die wichtigsten Implikationen von den wichtigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten hervorgehoben werden.

Als erstes Beispiel dafür nannte Loretz den Anwendungsbereich des Rahmens für die Unternehmensbesteuerung BEFIT. Die Einführung von zusätzlichen Steuerregeln für große multinationale Unternehmen, z. B. Unternehmen oberhalb einer gewissen Umsatzgrenze, könne kaum als Vereinfachung des Steuersystems gesehen werden. Neue Steuerregeln sollten gut genug gestaltet werden, dass sie für alle Unternehmen gelten können. Die Ko-Existenz von zwei Steuersystemen verursache zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Mitgliedsländer und führe zu ungleichem Wettbewerb zwischen den Unternehmen.

Die Vereinheitlichung der Regelungen der Körperschaftsteuer in allen Mitgliedsländern sei ein wünschenswertes Ziel. Nur merkliche Unterschiede in den wirtschaftlichen Gegebenheiten in den Mitgliedsländern sollten sich in unterschiedlichen Vorschriften für die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer niederschlagen. Zum Beispiel sollte die steuerliche Abschreibung für eine gewisse Art an Anlagevermögen in allen Mitgliedsländern ident sein, während die Harmonisierung von speziellen steuerlichen Anreizen (z. B. für klimarelevante Investitionen oder Forschungs- und Entwicklungsausgaben) zu hinterfragen sei. Solche Steueranreize sollten in der Kompetenz der Mitgliedsländer verbleiben und nur angewandt werden, nachdem eine harmonisierte Bemessungsgrundlage nach gemeinsamen Regeln berechnet wurde. "In einfachen Worten: Zunächst wird eine harmonisierte Bemessungsgrundlage nach gemeinsamen Regeln für die wichtigsten Aspekte berechnet. Im zweiten Schritt haben die Mitgliedsstaaten noch die Möglichkeit weitere Abzüge von der Bemessungsgrundlage zuzulassen, um länderspezifischen Umständen Rechnung zu tragen. Diese zusätzlichen Steueranreize, welche im Einklang mit den Beihilfevorschriften sein sollten, wären in diesem Fall deutlich transparenter", erklärte Loretz.

Der Wechsel von getrennter Veranlagung zu einer gemeinsamen Besteuerung werde einige Probleme des bestehenden Steuerrechts lösen, allerdings auf Kosten von neuen Verzerrungen. Die offensichtlichen Vorteile der Konsolidierung der gruppenweiten Bemessungsgrundlage sind laut Loretz:

  1. Die Eliminierung von Gewinnverlagerung und der Notwendigkeit Verrechnungspreise zu finden,
  2. die Eliminierung von Verzerrungen aufgrund des Fehlens von internationalem Verlustausgleich.

Gleichzeitig kommen diese Verbesserungen laut Loretz mit folgenden Nachteilen:

  1. Die Notwendigkeit die multinationalen Unternehmen abzugrenzen,
  2. möglicher Steuerausfall durch den internationalen Verlustausgleich,
  3. die Notwendigkeit, einen möglichst verzerrungsfreien Weg zu finden, um die Bemessungsgrundlage auf die Mitgliedsländer zu verteilen.

Der letzte Punkt verweist auf die Frage der formelhaften Aufteilung der Bemessungsgrundlage auf die Mitgliedsländer. Die zugrunde liegende Idee sei einfach. Man definiere Aufteilungsfaktoren, wie investiertes Kapital, Mitarbeiter oder Verkäufe nach Zielland, die eine Aufteilung der Bemessungsgrundlage nach der Wertschöpfung in den einzelnen Mitgliedsländern erlauben. Es sei jedoch eine Tatsache, dass unabhängig davon welche Aufteilungsfaktoren verwendet werden, neue Verzerrungen entstehen. Es gäbe zwei Gründe dafür:

  1. Die zugrunde liegende Annahme ist, dass die Aufteilungsfaktoren unabhängig von Mitgliedsland und Zeit, einen identen Beitrag zur Bemessungsgrundlage leisten.
  2. Die Tatsache, dass die Aufteilungsfaktoren die Steuerlast bestimmen, bringt Anreize für die Unternehmen mit sich, diese zu manipulieren.

Diese zwei Aspekte haben mehrere Implikationen. Zunächst sei es wichtig, Aufteilungsfaktoren zu wählen, die Wertschöpfung gut abbilden und schwer manipulierbar sind. Weiters ist es notwendig zu akzeptieren, dass eine formelhafte Zerlegung der Bemessungsgrundlage eine relevante Umverteilung der Steuerbemessungsgrundlage zwischen den Mitgliedsländern mit sich bringe.

Ein letzter wichtiger Aspekt sei laut Loretz, dass die neuen Regeln nur für die EU gelten. Dies impliziere, dass Verrechnungspreise für Nicht-EU-Töchter weiterhin relevant bleiben. Hier ergibt sich ein deutlicher Vorteil von Harmonisierung der Beziehungen zu Nicht-EU-Unternehmensteilen.

"Zusammenfassend ist zu sagen, dass es noch ein weiter Weg für eine fundamentale Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung ist. Es muss jedenfalls bedacht werden, dass jede relevante Änderung Gewinner und Verlierer mit sich bringen wird. Es ist die Aufgabe der Politik, bei diesen Zielkonflikten Entscheidungen zu treffen. Es jedoch zu vermeiden, dass in einem hoffnungslosen Versuch, alle Probleme gleichzeitig zu lösen, zu viele zusätzliche komplizierte Regeln eingeführt werden", erklärte Loretz.