
WIFO-Leiter Christoph Badelt bei seinem Vortrag an der WU: "Ab dem 16. Oktober muss an einem umfassenden wirtschaftspolitischen Programm gearbeitet werden." (Foto: WU/Jürgen Angel)
11.10.2017
Badelt: "Wir sitzen auf einer Reihe ökonomischer Bomben"
Der WIFO-Chef referierte an der WU in einem öffentlichen Vortrag über die wirtschaftspolitischen Herausforderungen der künftigen Regierung.
Was überlebt den Wahlkampf? Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „WU matters. WU talks.“ widmete sich Christoph Badelt der Frage, welche Themen Österreich beschäftigen, nachdem sich die Nebel des Wahlkampfs gelichtet haben. Eines ist für ihn klar: „Der Wahlkampf bringt zwangsläufig übertriebene Darstellungen. Hinter vielen Streitpunkten stehen aber ernst zu nehmende Themen.“
Christoph Badelts Fazit ist deutlich: Wir sitzen in Österreich auf einer Reihe ökonomischer und sozialer Bomben, die in den nächsten Jahren explodieren können. Damit es dazu nicht kommt, wird die neue Regierung nach den langen Wochen des Wahlkampfs rasch mit der Sacharbeit beginnen müssen. Was dabei unbedingt auf der Agenda stehen sollte, darüber sprach Christoph Badelt, Leiter des WIFO und Professor am Institut für Sozialpolitik, am Dienstag an der Wirtschaftsuniversität Wien, der er bis 2015 selbst als Rektor vorstand.
Unbestritten sei, so Badelt, das insgesamt positive Bild der österreichischen Wirtschaft das derzeit nicht zuletzt durch die günstige Konjunkturentwicklung gestärkt wird. Um zu den wahren Problemen etwa im Sozialbereich vorzudringen, sei daher unter anderem eines nötig: Wir dürfen nicht in die Falle der Durchschnittsbetrachtung tappen.
Ein Beispiel: In Österreich zeigt sich etwa bei der Lohnentwicklung ein insgesamt gutes Bild, seit der Krise steigen die Bruttolöhne stärker als die Produktivität und die Preise. Aber eben nur im Durchschnitt. Erst ein genauerer Blick zeige, dass spezifische Gruppen sehr wohl von Wohlstandsverlusten betroffen seien, so Badelt. Bei den sogenannten instabil Beschäftigten also Menschen, die nicht durchgängig in Beschäftigung sind und unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten entwickeln sich die Löhne deutlich ungünstiger. Auf diese Gruppen müssen wir genau schauen, so Badelt. Vor allem, weil sie immer größer werden: Mittlerweile liegt der Anteil der instabil Beschäftigten bei mehr als 34 Prozent, wie eine WIFO-Studie zeigt.
Die Politik soll "Minimallebensstandards" definieren
Das sozialpolitische Problem Österreichs sei demnach auch nicht die Ungleichheit an sich diese wird durch eine stark ausgeprägte Umverteilungspolitik deutlich reduziert -, sondern die Situation der Menschen am unteren Rand. Wenn einzelne Subgruppen immer mehr in Gefahr geraten, droht eine Spaltung der Gesellschaft, sagt Badelt. Die Politik, so seine Erwartung, müsse daher Minimallebensstandards definieren und sich zudem ernsthaft der Frage nach Gleich- oder Ungleichbehandlung von In- und Ausländern widmen etwa bei der Mindestsicherung.
Aber nicht nur mit Blick auf das Sozialsystem steht das Thema Migration zunehmend im Fokus: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass immer mehr Menschen die Zuwanderung als Problem wahrnehmen. Und die Probleme, die die Zuwanderung mit sich bringt, die sind auch wirklich da, sagt Badelt. So würden ausländische Beschäftigte (als Konsequenz aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit) ein immer wichtigerer Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Mit allen Vor- und Nachteilen. Im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit und für eine gute Integration verweist Badelt auf die Bedeutung des Bildungssystems: Hier müsse auf vielen Ebenen vom Kindergarten bis zum Nachholen von Bildungsabschlüssen investiert werden.
Brauchen eine "seriöse Diskussion über die Staatsausgaben"
Auf der politischen Tagesordnung wird wohl auch das Fördersystem bleiben. Nicht zuletzt, weil im Wahlkampf alle Parteien ankündigten, bei den Förderungen kürzen zu wollen. Ob und wie das sinnvoll möglich sei, lasse sich schwer beantworten, wendet Badelt ein: Das liege unter anderem daran, dass hinter den politischen Forderungen ein schwammiger, unklarer Förderbegriff stehe. Das macht eine seriöse ökonomische Einschätzung der Pläne nahezu unmöglich, so Badelt. Zudem werden im Wahlkampf praktisch nur die populär klingenden Maßnahmen mit expansivem Effekt angekündigt, die kontraktiven Elemente aber verschwiegen. Was es brauche, sei eine seriöse Diskussion über die Staatsausgaben. Es gelte, die Intransparenz, die oft zu Mehrfachförderungen führe, zu beseitigen.
Für eine seriöse Debatte spricht sich Badelt auch bei der Gegenfinanzierung von versprochenen Abgabensenkungen oder neuen Politik-Maßnahmen aus: Hier müssen die Parteien nach der Wahl die Karten auf den Tisch legen.
Großes Augenmerk müsse die neue Regierung nicht zuletzt auf eine Reihe von Themen legen, die im Wahlkampf (fast) gar nicht thematisiert würden, so Badelt. Ganz oben auf der Liste: die demografische Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf die Pflege und das Pensionssystem, die Umweltziele und eine Gesamtreform des Abgabensystems. Ab dem 16. Oktober ist es Zeit, rasch ein umfassendes wirtschaftspolitisches Arbeitsprogramm zu erstellen.
Unbestritten sei, so Badelt, das insgesamt positive Bild der österreichischen Wirtschaft das derzeit nicht zuletzt durch die günstige Konjunkturentwicklung gestärkt wird. Um zu den wahren Problemen etwa im Sozialbereich vorzudringen, sei daher unter anderem eines nötig: Wir dürfen nicht in die Falle der Durchschnittsbetrachtung tappen.
Ein Beispiel: In Österreich zeigt sich etwa bei der Lohnentwicklung ein insgesamt gutes Bild, seit der Krise steigen die Bruttolöhne stärker als die Produktivität und die Preise. Aber eben nur im Durchschnitt. Erst ein genauerer Blick zeige, dass spezifische Gruppen sehr wohl von Wohlstandsverlusten betroffen seien, so Badelt. Bei den sogenannten instabil Beschäftigten also Menschen, die nicht durchgängig in Beschäftigung sind und unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten entwickeln sich die Löhne deutlich ungünstiger. Auf diese Gruppen müssen wir genau schauen, so Badelt. Vor allem, weil sie immer größer werden: Mittlerweile liegt der Anteil der instabil Beschäftigten bei mehr als 34 Prozent, wie eine WIFO-Studie zeigt.
Die Politik soll "Minimallebensstandards" definieren
Das sozialpolitische Problem Österreichs sei demnach auch nicht die Ungleichheit an sich diese wird durch eine stark ausgeprägte Umverteilungspolitik deutlich reduziert -, sondern die Situation der Menschen am unteren Rand. Wenn einzelne Subgruppen immer mehr in Gefahr geraten, droht eine Spaltung der Gesellschaft, sagt Badelt. Die Politik, so seine Erwartung, müsse daher Minimallebensstandards definieren und sich zudem ernsthaft der Frage nach Gleich- oder Ungleichbehandlung von In- und Ausländern widmen etwa bei der Mindestsicherung.
Aber nicht nur mit Blick auf das Sozialsystem steht das Thema Migration zunehmend im Fokus: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass immer mehr Menschen die Zuwanderung als Problem wahrnehmen. Und die Probleme, die die Zuwanderung mit sich bringt, die sind auch wirklich da, sagt Badelt. So würden ausländische Beschäftigte (als Konsequenz aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit) ein immer wichtigerer Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Mit allen Vor- und Nachteilen. Im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit und für eine gute Integration verweist Badelt auf die Bedeutung des Bildungssystems: Hier müsse auf vielen Ebenen vom Kindergarten bis zum Nachholen von Bildungsabschlüssen investiert werden.
Brauchen eine "seriöse Diskussion über die Staatsausgaben"
Auf der politischen Tagesordnung wird wohl auch das Fördersystem bleiben. Nicht zuletzt, weil im Wahlkampf alle Parteien ankündigten, bei den Förderungen kürzen zu wollen. Ob und wie das sinnvoll möglich sei, lasse sich schwer beantworten, wendet Badelt ein: Das liege unter anderem daran, dass hinter den politischen Forderungen ein schwammiger, unklarer Förderbegriff stehe. Das macht eine seriöse ökonomische Einschätzung der Pläne nahezu unmöglich, so Badelt. Zudem werden im Wahlkampf praktisch nur die populär klingenden Maßnahmen mit expansivem Effekt angekündigt, die kontraktiven Elemente aber verschwiegen. Was es brauche, sei eine seriöse Diskussion über die Staatsausgaben. Es gelte, die Intransparenz, die oft zu Mehrfachförderungen führe, zu beseitigen.
Für eine seriöse Debatte spricht sich Badelt auch bei der Gegenfinanzierung von versprochenen Abgabensenkungen oder neuen Politik-Maßnahmen aus: Hier müssen die Parteien nach der Wahl die Karten auf den Tisch legen.
Großes Augenmerk müsse die neue Regierung nicht zuletzt auf eine Reihe von Themen legen, die im Wahlkampf (fast) gar nicht thematisiert würden, so Badelt. Ganz oben auf der Liste: die demografische Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf die Pflege und das Pensionssystem, die Umweltziele und eine Gesamtreform des Abgabensystems. Ab dem 16. Oktober ist es Zeit, rasch ein umfassendes wirtschaftspolitisches Arbeitsprogramm zu erstellen.
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