Im gegenwärtigen Umfeld kann daher nur in Szenarien gerechnet werden. Wenn die Maßnahmen bis Ende April in Kraft bleiben,
im Mai allmählich wieder aufgehoben werden und sich die Lage im Sommer normalisiert, wird die österreichische Wirtschaft 2020
um 2,5% schrumpfen.
Der Mitschnitt der Pressekonferenz und Pressefotos sind ab sofort hier verfügbar.
Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie belasten die weltweite und österreichische Konjunktur derzeit schwer. Das Virus,
das Ende Dezember erstmals in der chinesischen Provinz Hubei auftrat, hat mittlerweile alle Teile der Welt erreicht. Während
die Zahl der Neuerkrankungen in China gegenwärtig im Abnehmen begriffen ist, nimmt sie in vielen anderen Ländern, insbesondere
in Europa, drastisch zu. Viele Regierungen ergriffen daher Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Diese sind teils einschneidend
und werden laufend adaptiert, sodass sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft beinahe täglich ändern. Zudem gibt es aus
der jüngeren Vergangenheit kaum Anhaltspunkte für den Verlauf einer solchen Krise. In so einem Umfeld können lediglich Szenarien
angenommen werden, auf deren Basis die weitere wirtschaftliche Entwicklung eingeschätzt wird. Eine Prognose im herkömmlichen
Sinn ist hingegen unter den gegebenen Umständen nicht sinnvoll. Die Einschätzung ist naturgemäß mit einer hohen Unsicherheit
behaftet.
Auch die österreichische Wirtschaft ist durch die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie schwer beeinträchtigt. Die Regelungen
zur Schließung von vielen Geschäften und Betrieben sowie zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Mitte März in Kraft
traten, ziehen Umsatzeinbußen und Einkommensverluste im Handel und Dienstleistungsbereich nach sich. Der Reiseverkehr ist
gegenwärtig praktisch zum Erliegen gekommen. Auch in der Industrie machen sich Störungen der Lieferketten und der Produktion
bemerkbar und in der Bauwirtschaft stellten einige Unternehmen bereits die Bautätigkeit ein. Zur Unterstützung der betroffenen
Personen und Betriebe schnürte die Regierung im März zwei Hilfspakete mit einem Gesamtvolumen von maximal 38 Mrd. .
Die Einschränkungen gelten derzeit bis Mitte April. Die unten dargestellte Einschätzung der wirtschaftlichen Effekte basiert
auf einem Szenario, in dem die Maßnahmen zumindest bis Ende April verlängert und erst im Laufe des Monats Mai allmählich wieder
zurückgenommen werden. Im grenzüberschreitenden Personenverkehr und im Freizeit‑, Veranstaltungs‑ und Tourismusbetrieb
werden noch länger Einschränkungen angenommen. Das Szenario geht jedoch davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen im Sommer
wieder normalisieren und die Wirtschaft im 2. Halbjahr wieder ihr Normalniveau erreicht. Auf- und Nachholeffekte, insbesondere
in der Industrie, werden sich aufgrund der Störungen in den weltweiten Lieferketten weitgehend erst im kommenden Jahr manifestieren.
In diesem Szenario ist die österreichische Wirtschaft im 1. Halbjahr in einer Rezession. Im I. und insbesondere im II. Quartal
2020 ist mit hohen Einbußen in der Wirtschaftsleistung zu rechnen. Für die zweite Jahreshälfte ist hingegen von einer Erholung
auszugehen. Im Gesamtjahr 2020 wird das BIP dadurch um 2,5% sinken.
Der starke, aber aus heutiger Sicht kurze Einbruch der Konjunktur schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Umstellung
vieler Unternehmen auf Kurzarbeit dürfte dazu beitragen, dass die Effekte abgemildert werden. Die Arbeitslosenquote wird im
Jahresdurchschnitt 2020 dennoch deutlich auf 8,4% steigen.
Die Verbraucherpreisinflation verringert sich durch den starken Rückgang des Ölpreises merklich. Die konjunkturelle Schwäche
und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt tragen ebenso dazu bei, dass der Preisauftrieb schwach bleibt. Die Inflation wird
demnach 2020 1,3% betragen.
Die öffentlichen Haushalte werden durch die Unterstützungsmaßnahmen belastet. Steuerausfälle dürften ebenso deutlich zu Buche
schlagen. Der Finanzierungssaldo wird sich 2020 auf ‑5½% des BIP verschlechtern.
Das hier dargestellte Szenario ist in dem Sinn als optimistisch einzustufen, als es davon ausgeht, dass die verschiedenen
Einschränkungen der Wirtschaft nicht wesentlich länger aufrecht bleiben als dies gegenwärtig geplant ist. Außerdem basiert
das Szenario auf der Annahme, dass der schrittweise Erholungsprozess der österreichischen Wirtschaft nicht durch neue externe
Schocks beeinträchtigt wird. Darunter fallen etwa deutliche Verzögerungen in der wirtschaftlichen Erholung wichtiger Exportländer
wie Deutschland, oder weltwirtschaftliche Verwerfungen, die etwa von den USA ausgehen könnten. Zur Abschätzung derartiger
neuer Krisenszenarien fehlt jedoch die empirische Basis.