Die sehr rasche und kräftige Erholung der Weltwirtschaft und ein starker Rebound-Effekt im inländischen privaten Konsum, in
den Dienstleistungsexporten und bei den privaten Investitionen führen in den Jahren 2021 (+4,4%) und 2022 (+4,8%)1) zu einem starken Wachstum. In den Jahren 2023 bis 2026 wird ein weiterhin überdurchschnittliches Wachstum (+1,9% p. a.)
im Vergleich zum Zeitraum vor der Krise (Ø 2010/2019 +1,5% p. a.) erwartet (Übersicht 1). Aufgrund der angenommenen Vorzieheffekte
durch die Investitionsprämie in den Jahren 2021/22 wird für die Jahre 2023 bis 2024 eine schwächere Dynamik der privaten Ausrüstungsinvestitionstätigkeit
als Echoeffekt unterstellt.
Als treibende Kraft der Erholung im Inland wird der private Konsum gesehen. Die Einkommen der privaten Haushalte wurden in
den Jahren 2020 und 2021 durch fiskalpolitische Maßnahmen (insbesondere durch die Kurzarbeit) stabilisiert. Da in dieser Zeit
durch COVID-19-Regelungen die Konsummöglichkeiten deutlich eingeschränkt waren, wurden die privaten Ersparnisse (vornehmlich
durch "Zwangssparen") deutlich ausgeweitet: die Sparquote stieg von 8,5% (2019) auf 14,4% (2020) bzw. 10,4% (2021). Mit dem
Ende der umfassenden Beschränkungen wird ab der zweiten Jahreshälfte 2021 mit einer deutlichen Ausweitung der privaten Konsumausgaben
gerechnet. Für 2022 wird eine Sparquote bereits unter dem Vorkrisenniveau unterstellt (+6,0%). Auch für die Folgejahre (Ø 2023/2026
+2,0% p. a.) wird mit einem stärkeren Konsumwachstum als in den Vorkrisenjahren gerechnet (Ø 2010/2019 +0,9% p. a.). Bis zum
Ende des Prognosezeitraumes könnte die Sparquote daher auf rund 4,5% zurückgehen.
Durch die starke Erholung wird bis zum Ende des Prognosehorizontes von einer Rückkehr zum Wachstumspfad vor der COVID-19-Rezession
ausgegangen: Gegenüber einem Szenario ohne COVID-19-Rezession – der mittelfristigen WIFO-Prognose bis 2024 vom Jänner 20202), die noch nicht von der COVID-19-Pandemie geprägt war – wird der Abstand im realen BIP-Niveau 2024 nunmehr auf 0,9% geschätzt
(Abbildung 1). Das Vorkrisenniveau des BIP dürfte im III. Quartals 2021 erreicht worden sein3).
Im Vergleich zur Erholung nach der weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09 dürfte die rezessionsbedingte BIP-Lücke
nach der COVID-19-Krise rascher geschlossen werden.
Von der stärkeren Erholung wird auch der Arbeitsmarkt mitgezogen. Für die Arbeitslosenquote wird (im Jahresdurchschnitt) im
Jahr 2022 mit der Erreichung des Vorkrisenniveaus gerechnet, und zu Ende des Prognosehorizontes wird die Zahl der arbeitslosen
Personen auf 276.000 geschätzt (2020: 410.000).
Der Anstieg der Inflationsrate auf 3,0% im Jahr 2022 ist vor allem auf die Bereiche Energie (Mineralölprodukte, Erdgas und
Strom) und industrielle Güter (z. B. Möbel, Bekleidung, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik) zurückzuführen. Hier wirken
sich die starken Preisanstiege bei Rohstoffen und Vorprodukten, die stark gestiegenen Transportkosten und Lieferengpässe und
‑verzögerungen auf die Konsumentenpreise aus. In der zweiten Jahreshälfte 2022 wird – nicht zuletzt aufgrund der durch die
hohen Preise ausgelösten Angebotsausweitungen – mit einer Entspannung gerechnet. Bei den Dienstleistungen dürfte 2022 durch
die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung in den von der Pandemie (bzw. den Maßnahmen zu deren Bekämpfung) am stärksten betroffenen
Branchen teilweise auf die Preise überwälzt werden. Alle diese Entwicklungen werden aber als überwiegend temporäre Preisanstiege
gesehen, die keinen dauerhaft steigenden Inflationstrend auslösen. Das Reallohnwachstum dürfte im Prognosezeitraum hinter
dem Wachstum der Arbeitsproduktivität zurückbleiben, und die inländischen Arbeitskosten sollten daher nicht überproportional
zur Inflation beitragen und keine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen. Für die Jahre 2023 bis 2026 wird ein durchschnittlicher
jährlicher Preisauftrieb von 2% erwartet.
Die Mehrzahl der im Zuge der COVID-19-Krise beschlossenen Stützungen wurden als befristete Maßnahmen beschlossen und führen
daher nur zu einem vorübergehenden Anstieg der Staatsausgaben. Die Einnahmen sollten im Zuge der wirtschaftlichen Erholung
wieder deutlich steigen. Mit Abklingen der Krise wird sich daher der Schuldenaufbau der öffentlichen Hand ab dem Jahr 2022
deutlich verlangsamen. Unter der den WIFO-Prognosen zugrundeliegenden "No-Policy-Change"-Annahme4) ergibt sich für 2021 noch ein staatliches Budgetdefizit von 6,3% (fiskalischer Finanzierungssaldo in % des nominellen BIP),
das 2022 auf 1,9% sinken dürfte. Für 2026 wird unter diesen Annahmen ein ausgeglichener Haushalt (+0,1%) erwartet. Der öffentliche
Schuldenstand (in % des nominellen BIP) dürfte unter diesen Bedingungen von seinem Höchststand von 83,8% im Jahr 2021 bis
zum Ende des Prognosezeitraumes auf 69,3% zurückgehen. Dieser Rückgang der Schuldenquote ist vor allem auf den deutlichen
Anstieg des nominellen BIP (Ø 2022/2026 +4,6% p. a.) zurückzuführen.
1) Schiman, S. (2021). Prognose für 2021 und 2022: Vierte COVID‑19-Welle bremst kräftigen Aufschwung. WIFO. https://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/67991.
2) Baumgartner, J., & Kaniovski, S. (2021). Update der mittelfristigen Prognose der österreichischen Wirtschaft 2020 bis 2024.
WIFO-Monatsberichte, 93(1), 33-40. https://monatsberichte.wifo.ac.at/62440.
3) Baumgartner, J. (2021). Wöchentlicher WIFO-Wirtschaftsindex. WWWI: 36 und 37. Kalenderwoche 2021. WIFO. https://www.wifo.ac.at/news/woechentlicher_wifo-wirtschaftsindex (abgerufen am 6. 10. 2021).
4) Die WIFO-Prognosen berücksichtigen im Allgemeinen nur bereits beschlossene Gesetze und Verordnungen. In bestimmten Fällen
werden auch noch nicht formal beschlossene Maßnahmen einbezogen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Verhandlungs- oder Gesetzwerdungsprozess
bereits weit fortgeschritten ist (Gesetzesentwürfe in Begutachtung; fallweise werden auch Ministerratsbeschlüsse miteinbezogen)
und zur betreffenden Regelung zugleich hinreichend detaillierte Informationen vorliegen, die eine quantitative Einschätzung
ermöglichen.