Eine Wurzel der Sozialpartnerschaft. Die Konjunkturforschung zwischen den Kriegen (A Wellspring of Social Partnership. Business Cycle Research Between the World Wars)
Das Österreichische Institut für Konjunkturforschung wurde 1927 vom späteren Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek zusammen
mit Ludwig von Mises gegründet. Seine Arbeit beruhte bereits damals auf den Prinzipien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit,
welche durch einen von den Sozialpartnern getragenen Verein sichergestellt wurden. Die Mitarbeiter sowie die in seinem Umkreis
tätigen Forscher zählten in ihrer Zeit zur Elite der internationalen Nationalökonomie. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland
1938 wurde das Haus zum Wiener Institut für Wirtschafts- und Konjunkturforschung umbenannt und mit der Aufgabe betraut, die
Volkswirtschaften Südosteuropas zu untersuchen. Analysemethoden wie auch die Organisation des Instituts für Konjunkturforschung
vor 1938 hatten sich derart bewährt, dass sie auch nach 1945 für das nun "Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung"
genannte Haus eine wichtige Leitlinie blieben.
Keywords:Konjunkturforschung Gründung Friedrich August von Hayek Ludwig von Mises Sozialpartnerschaft
Forschungsbereich:Makroökonomie und öffentliche Finanzen
Sprache:Deutsch
A Wellspring of Social Partnership. Business Cycle Research Between the World Wars
Looking back at the "Austrian Institute of Business Cycle Research", the pioneering forerunner of the Austrian Institute of
Economic Research we get an amazingly impressive view. First of all, there were the main players: Friedrich A. von Hayek,
motor of the project, later received the Nobel Prize and became one of the 20th century's premier economists. Ludwig von Mises,
organiser of the Institute, for a long time commanded much the same attention. The same applies to Hayek's successor, Oskar
Morgenstern. And all the other scientists that were close to the project – whether Haberler, Machlup, Tintner, Nurkse or Wald
– were recruited from the luminaries of international economics. Most of them taught in the USA. Reinhard Kamitz, long-time
chief staff member, was one of the most famous finance ministers of the Second Republic. It was not just a case of posthumous
fame, because all of these economists were known and appreciated by their contemporaries the world over.
Schon in seinen ersten Jahren publizierte das WIFO für die theoretische und empirische Wirtschaftsforschung maßgebende Arbeiten
einiger der renommiertesten Ökonomen der damaligen Zeit. Mit den WIFO-Monatsberichten führte Friedrich A. von Hayek als erster
Leiter des Institutes bereits 1927 eine Form der Konjunkturberichterstattung ein, auf deren Tradition und Kontinuität das
heutige Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung weiter aufbaut. Analysen wirtschaftspolitisch relevanter Themen
auf Grundlage der neuesten Methoden und der bestverfügbaren Daten sind damals wie heute Inhalt der WIFO-Publikationen. Entsprechend
dem in den Statuten verankerten Auftrag macht das WIFO seine Forschungsergebnisse über ein breites Spektrum an Publikationen
einer ökonomisch interessierten Öffentlichkeit zugänglich.
Seit der Gründung vor 85 Jahren ist es eine Kernaufgabe des WIFO, Brücken zwischen Theorie, Empirie und Politik zu bauen.
Aus theoretischen Modellen werden auf Grundlage bestmöglich aufbereiteter empirischer Daten Empfehlungen für eine evidenzbasierte
Wirtschaftspolitik abgeleitet. Diese Aufgabe kann nur durch exzellente Forschung und Organisation sowie Vielfalt der Methoden
und der Erkenntniswege erfüllt werden. Das WIFO übernimmt als Qualitätsführer in der österreichischen Wirtschaftsforschung
zunehmend kompetitiv vergebene Studien und Aufträge in der europäischen Forschungs- und Beratungslandschaft. Die künftigen
Herausforderungen für das Institut bestehen darin, in einem sehr anspruchsvollen Umfeld die Konjunktur sowie die mittelfristige
Entwicklung und Wettbewerbsstärke Österreichs und Europas zu analysieren und daraus Reformideen für ein sozioökonomisches
Modell zu entwerfen, das neue Prioritäten wie Offenheit, Dynamik, soziale Absicherung und Inklusion sowie ökologische Nachhaltigkeit
und Transformation vereint.
Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat die Wirtschaftswissenschaft bis in die Fundamente erschüttert. Immer mehr sucht
die Ökonomie nach einem neuen Grundverständnis des Wirtschaftssystems und nach passenderen Modellen für die Analyse künftiger
Entwicklungen, vor allem auch für die Früherkennung von Gefahren. Die Wirtschaftspolitik sucht Auswege aus der Krise in strengeren
Regeln für die Staatsverschuldung und in der verstärkten Stimulierung des Wachstums. Für die Wirtschaftsforschung treten Gesichtspunkte
wie Nachhaltigkeit, interdisziplinäre Zusammenarbeit der Sozialwissenschaften, Sicherung des Sozialstaates und Verbesserung
des Gesundheits-, Altersvorsorge- und Bildungssystems stärker in den Vordergrund.
Das internationale Ansehen des WIFO wurde bereits in den frühen Jahren durch Persönlichkeiten wie Ludwig von Mises, Friedrich
A. von Hayek und Oskar Morgenstern begründet. Neben dem Jubiläum des 85-jährigen Bestandes begeht das WIFO heuer auch den
100. Geburtstag eines seiner verdienstvollsten WIFO-Mitarbeiter mit großer internationaler Reputation, der dieses Ansehen
entscheidend geprägt hat: Josef Steindl. Neben seiner Tätigkeit als empirischer Wirtschaftsforscher lieferte er vielbeachtete
Beiträge zur Wirtschaftstheorie.
Die Entwicklung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung ist durch einen kontinuierlichen Wandel der Anforderungen
gekennzeichnet. Nach 1980 musste das wirtschaftspolitische System an die Situation einer offeneren Volkswirtschaft und liberalisierter
internationaler Kapitalmärkte angepasst werden. Die komplexeren Fragestellungen erforderten bessere Statistiken, umfangreiche
Datenbanken, Rechenanlagen, neue Analyse- und Prognosemethoden, zunehmend komplexe Modelle. Die großen Themen: Altern, Globalisierung
oder Wettbewerb bei differierenden Kostenstrukturen gewannen an Bedeutung. Das WIFO bemüht sich in allen diesen Projekten
um innovative Lösungen und ist dabei der internationalen Diskussion vielfach voraus. Der Personalstand wurde erheblich ausgeweitet
und die Internationalisierung vorangetrieben; der Anteil internationaler Aufträge ist auf über ein Viertel gestiegen.
Die empirische Wirtschaftsforschung zieht ihre Existenzberechtigung aus der Brückenfunktion zwischen ökonomischer Theorie,
empirischer Evidenz und Wirtschaftspolitik. Um die Grundlagen für eine evidenzbasierte Wirtschaftspolitik bereitstellen zu
können, sind zuverlässige Daten, intelligente kontextgeleitete Interpretation sowie Rezeptionsbereitschaft der wirtschaftspolitischen
Entscheidungsträger wichtige Voraussetzungen. Im Zeitablauf hat sich die Bedeutung, die diesen drei Eckpunkten der Wirtschaftsforschung
im WIFO beigemessen wurde, substantiell geändert. Mit der Gewichtsverlagerung, die bis zu einem gewissen Grad den Wandel der
Wirtschaftsordnung und die Entwicklung der ökonomischen Theorie widerspiegelt, hat sich auch das WIFO von einem "Kronzeugen"
der österreichischen Wirtschaftsentwicklung zu einem "Kompass" der Wirtschaftspolitik weiterentwickelt.