Bürokratieabbau im Dienstleistungshandel
Dienstleistungen spielen eine zentrale Rolle in entwickelten Volkswirtschaften, und tragen rund 70% zum Bruttoinlandsprodukt von vielen europäischen Ländern bei (Eurostat, 2018). Der Handel mit Dienstleistungen ist jedoch häufig noch unterentwickelt, was weniger mit Zöllen oder Transportkosten, sondern mehr mit Regulierungen und Vorschriften bezüglich der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen zu tun hat. Um bürokratische Hürden beim Dienstleistungshandel zu reduzieren und den Gemeinsamen Markt herzustellen, verabschiedete die EU Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (auch "Europäische Dienstleistungsrichtlinie" genannt). Diese sieht eine Vereinfachung der Verwaltungsverfahren bezüglich der Aufnahme und Ausübung von Tätigkeiten im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung vor.
Mehr als 10 Jahre nach der Implementierung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie untersucht dieses WIFO Working Paper mittels neu zugänglicher Daten die Auswirkungen dieser Richtlinie auf den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel in Europa. Kern, Paetzold und Winner verwenden dabei ein Gravitationsmodell kombiniert mit einem Differenz-von-Differenzen-Ansatz, und nutzen dabei die Tatsache, dass manche Wirtschaftszweige und Länder von der Richtlinie nicht betroffen waren. Ihre Schätzungen zeigen, dass durch die Richtlinie der innereuropäische Handel in den betroffenen Dienstleistungssektoren im Schnitt zwischen 27% und 55% gestiegen ist, was einem BIP-Anstieg zwischen 0,35% und 1,04% entspricht. Des Weiteren wurden signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Ländern und Sektoren festgestellt. Schließlich wird gezeigt, dass die länderspezifische Tiefe und Qualität der Implementierung der Dienstleistungsrichtlinie von Bedeutung ist, wobei Länder mit einer vollständigen und umfassenden Umsetzung die größten Steigerungen im Dienstleistungshandel erfuhren.