14.01.2021

Brexit-Handelsabkommen reduziert Schaden für Österreich

Dennoch –23% bei Agrarexporten in das Vereinigte Königreich
Das Handelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU kann im Vergleich zu einem ungeregelten Austritt ("No-Deal"-Brexit) mit Ausnahme des Dienstleistungshandels die negativen Handelseffekte des Brexit reduzieren.

Das zeigen die Hauptergebnisse einer WIFO-Studie von Harald Oberhofer, Michael Pfaffermayr und Yvonne Wolfmayr im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW). Vom Austritt wird die britische Wirtschaft jedoch stärker als die österreichische betroffen sein.

"Laut unseren Berechnungsergebnissen werden die Handelseffekte in der Sachgütererzeugung am geringsten und für landwirtschaftliche Produkte am stärksten ausfallen", so WIFO-Studienleiter Harald Oberhofer. Die österreichischen Agrarexporte in das Vereinigte Königreich dürften um bis zu 23% zurückgehen. Gleichzeitig ist mit einem Einbruch der österreichischen Agrarimporte aus dem Vereinigten Königreich im Ausmaß von bis zu –46% zu rechnen. Die Kfz-Exporte und Kfz-Zulieferexporte Österreichs in das Vereinigte Königreich dürften sich durch den Handelsvertrag um rund 5,7% reduzieren, wohingegen die britische Automobilbranche mit einem Exportrückgang nach Österreich von rund 13% rechnen muss.

Im bilateralen Dienstleistungshandel werden mit den "Finanzdienstleistungen" und den "sonstigen unternehmensbezogene Dienstleistungen" zwei österreichische Branchen vom britischen Austritt aus dem Binnenmarkt stärker als die britische Wirtschaft betroffen sein. So verringern sich etwa die österreichischen Finanzdienstleistungsexporte in das Vereinigte Königreich laut Modellberechnungen um rund 13,9%, wohingegen die österreichischen Finanzdienstleistungsimporte aus dem Vereinigten Königreich um etwa 8,9% zurückgehen dürften.

Infolge des neuen Freihandelsabkommens wird die österreichische Produktion von Agrargütern für den heimischen Markt ebenfalls um rund 0,15% zurückgehen. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem Binnenmarkt verliert die EU einen maßgeblichen Nettoimporteur von landwirtschaftlichen Produkten. Der britische Import von Agrargütern wird aus allen EU-Ländern zurückgehen und somit verbleiben mehr Produkte innerhalb des Binnenmarktes. Dies wird zu einem verstärkten Wettbewerb führen, durch den die Konsumentinnen und Konsumenten geringfügig profitieren können. Für die österreichische Sachgüterbranche sind die Inlandshandels- und die Realeinkommenseffekte durch das Nachfolgeabkommen kaum nennenswert und deuten im Einklang mit bisherigen Studien auf eine relativ geringe Betroffenheit der österreichischen Wirtschaft durch den Brexit hin. Abschließend wird Österreich durch das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs Wohlfahrtseinbußen im Finanzdienstleistungssektor in Höhe von rund 0,7% hinnehmen müssen. Durch das Ausscheiden des britischen Finanzplatzes wird der Wettbewerb in dieser Branche in der EU schwächer und der Bezug von Finanzdienstleistungen somit teurer.

In der am 14. Jänner 2021 veröffentlichten Studie des Kompetenzzentrums "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft"(FIW) hat das WIFO die Folgen des britischen Austritts aus dem europäischen Binnenmarkt für die österreichische Wirtschaft berechnet. Die Studie berücksichtigt erstmalig den Nachfolgehandelsvertrag zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU, auf den sich die Verhandlungspartner am 24. Dezember 2020 geeinigt hatten, und liefert erste Einschätzungen über die möglichen ökonomischen Handels- und Wohlfahrtseffekte des neuen Handelsvertrages.

Für das Vereinigte Königreich seien laut WIFO-Ökonom und WU-Professor Harald Oberhofer neue Handelsabkommen wichtig, um die ökonomischen Kosten des Austritts aus dem Binnenmarkt reduzieren zu können: "Die Verhandlungen solcher Abkommen durch die EU gestalten sich oftmals sehr langwierig und der Ratifizierungsprozess ist aufwendig und zeitintensiv. Hier könnte das Vereinigte Königreich agiler vorgehen und gegebenenfalls zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten der EU werden. Für die EU sprechen allerdings die Marktgröße und die Erfahrung in Verhandlungen von Freihandelsabkommen mit neuen potentiellen Partnerländern."
 

Studie
14.01.2021
Fertigstellung: Januar 2021
Projektauftraggeber:in: Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
Publikationsreihe: FIW – Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft