Zinssatz, Wachstumsrate und Staatsverschuldung

  • Stephan Schulmeister

Bis Ende der siebziger Jahre lag der Zinssatz in allen Industrieländern mittelfristig unter der Wachstumsrate, überdies schwankte er viel weniger als danach. Diese stabilen Finanzierungsbedingungen trugen wesentlich zur hohen Investitions- und Verschuldungsbereitschaft der Unternehmen bei: Der Unternehmenssektor "übernahm" die Finanzierungsüberschüsse der privaten Haushalte in Form von Investitionskrediten, der Staatshaushalt war mittelfristig ausgeglichen. Unter diesen Bedingungen ging die Staatsschuldenquote langfristig zurück, in Westdeutschland und Japan war sie bis Mitte der siebziger Jahre sogar negativ. Dieses Entwicklungsmuster setzte sich Ende der siebziger Jahre nicht mehr fort, da seither der Zinssatz permanent über der Wachstumsrate liegt. Die Unternehmen können – wie der Staat – die Relation zwischen ihren Schulden und dem BIP nur dann stabilisieren, wenn sie Überschüsse in ihrer Primärbilanz erzielen. Tatsächlich "drehten" die Unternehmen ihre Primärbilanz von einem Defizit in einen anhaltenden Überschuß, indem sie ihre Investitionen von realer zu finanzieller Veranlagung verschoben: Sachkapital und Schulden des Unternehmenssektors wuchsen langsamer als das BIP, wodurch auch der Beschäftigungsanstieg gedämpft wurde. Bei anhaltend hohen Überschüssen der privaten Haushalte konnte es dem Staat nicht gelingen, selbst Primärüberschüsse zu erzielen, seine Verschuldung wuchs daher seit Anfang der achtziger Jahre in nahezu allen Industrieländern rascher als das BIP.