Die Sparpläne der privaten Haushalte übersteigen derzeit weltweit den beschränkten Finanzierungsbedarf der Unternehmen; die
Differenz schlägt sich in einer Zunahme der Staatsverschuldung nieder. In der EU hatten die nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften
in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten in einem von drei Jahren Finanzierungsüberschüsse, in den wohlhabenderen EU-Ländern
(EU 15) sogar in jedem zweiten Jahr. Vieles spricht dafür, dass das nicht bloß eine Folge der Finanzmarktkrise ist, sondern
weltweit im südostasiatischen Wirtschaftsmodell angelegt ist, in Europa hingegen ein Symptom der Wohlstandsgesellschaft: Finanzielle
Absicherung gewinnt an Bedeutung, und das langsamere Wachstum erfordert weniger Investitionen. Die Wirtschaftspolitik sollte
daher auf ein Anhalten der gegenwärtigen Situation vorbereitet sein; ohne Gegenmaßnahmen müsste es zu einer rezessiven Anpassung
der Sparfähigkeit an die Verschuldungsbereitschaft von Wirtschaft und Staat kommen. Gegen die weltweiten Verwerfungen, die
primär auf die südostasiatische exportbasierte Wirtschaftspolitik zurückgehen, können nur eine stärker inlandsorientierte
Politik dieser Länder und eine erhebliche Aufwertung (Aufgabe der Dollarbindung) helfen. Ansätze dazu gibt es, doch ist angesichts
der Dimension des Problems mit einer langen Übergangsphase zu rechnen. In der EU bedarf es eines breiten und wohl ausgewogenen
Maßnahmenpakets. Es müsste durch Vertrauensbildung das Vorsichtssparen dämpfen, die Unternehmensfinanzierung verbessern, aber
auch die stark eingeschränkten Investitionen im öffentlichen Bereich wiederbeleben. Weiters sollte vor allem in den Ländern,
in denen die Finanzierung und Bedienung der Staatsschulden kein Problem verursacht, die früher übliche Trennung in einen Überschüsse
erzielenden ordentlichen Haushalt der laufenden Ausgaben und einen Investitionshaushalt wieder eingeführt werden, innerhalb
dessen primär immaterielle Investitionen innerhalb bestimmter Grenzen schuldenfinanziert werden können.
Forschungsbereich:Makroökonomie und öffentliche Finanzen
Sprache:Deutsch
On Transformations in Financing Structure in an Affluent Society
The savings measures of private households currently exceed the limited financing needs of companies around the world, and
the difference is reflected in an increase in sovereign debt. In the EU, over the last two and a half decades non-financial
corporations recorded funding surpluses in one out of three years, and in the more affluent EU countries (EU 15), this was
even recorded every second year. There is much to indicate that this is not just a result of the financial crisis, but is
also globally founded in the Southeast Asian economic model, while in Europe this is a symptom of the affluence of society,
as financial security takes on greater significance and slower growth requires fewer investments. Economic policy should therefore
be prepared for the current situation to persist. Without counter-measures there would have to be a recessive adjustment of
savings capacity to the debt preparedness of the economy and state. Worldwide distortions primarily based in Southeast Asian
export-based economic policy can only be counter-balanced with a stronger domestic-market oriented policy and significant
appreciation in these countries (abandon of the dollar peg). Such initiatives exist, but given the scale of the problem, a
long transitional phase is to be expected. In the EU, a broad and well-balanced package of measures is required. It would
have to dampen austerity through confidence building, in addition to improving corporate finance and reviving severely limited
investments in the public sector. Furthermore, particularly in those countries in which the financing and use of sovereign
debt do not present a problem, there should be a re-introduction of the previously typical division into a surplus-achieving
budget for current expenditures and a budget for investments. This would enable the debt-backed financing of primarily immaterial
investments within certain limits.