Reinhard Kamitz †
Mit Reinhard Kamitz ist einer der profiliertesten Wirtschaftspolitiker der österreichischen Nachkriegszeit verstorben. Er wird vielfach als der "Vater des österreichischen Wirtschaftswunders" bezeichnet, und wenngleich noch manche andere Einflüsse für dessen Zustandekommen maßgeblich waren, hat Kamitz dieses in erheblichem Maße gestaltet. In seiner Funktion als Finanzminister vollzog er den endgültigen Übergang von der nachkriegsbedingten Wirtschaftsplanung zur Marktwirtschaft. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Industriestaaten versuchte Österreich das Gleichgewicht zwischen Güter- und Geldmenge in mehreren Schritten herzustellen. Instrument dieser Politik waren die "Preis-Lohnabkommen" zwischen den Sozialpartnern unter Einschluß der Regierung. Kamitz war als Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung in der Bundeshandelskammer ein überzeugter Vertreter dieses Ansatzes. Allerdings, als die Reglementierung zum Selbstzweck zu werden drohte und die Inflation eher förderte als sie zu beenden, trat er nicht nur für einen endgültigen Übergang zur marktwirtschaftlichen Koordination ein, sondern realisierte diese auch als Finanzminister. Wesentlich für die Intensität der damit folgenden Wachstumsphase wurde das umfassende wirtschaftspolitische Konzept, mit welchem Kamitz die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft nach den Schäden der Kriegs- und Nachkriegszeit sicherstellte. Er initiierte eine Reihe von Gesetzen, welche die Wirtschaftsentwicklung während seiner Amtsperiode förderten und deren positiven Effekte bis in die Gegenwart zu spüren sind. Kamitz betrieb nach der Währungsstabilisierung eine klare Wachstumspolitik. Das Hauptinstrument dazu sah er in Steuersenkungen, von welchen er drei während seiner Ministerschaft realisierte. Schließlich setzte er einen weiteren wachstumspolitischen Impuls mit der indessen legendär gewordenen vorzeitigen Abschreibung. Nach kurzen Auslandsaufenthalten trat er 1934 in den Dienst des Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung, wo er bis Kriegsanfang verblieb. Anschließend wechselte er zur Wiener Handelskammer und wurde nach dem Kriege Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung und schließlich stellvertretender Generalsekretär der Bundeshandelskammer. 1952 übernahm er das Bundesministerium für Finanzen, welchem er bis 1960 – also während der gesamten Phase des "Wirtschaftswunders" – vorstand. Anschließend leitete er die Oesterreichische Nationalbank. Eine schwere Erkrankung zwang ihn, seine Berufstätigkeit frühzeitig zu beenden. Er hat diesen Schicksalsschlag viele Jahrzehnte mit bewundernswerter Haltung ertragen. Das WIFO wird stets mit Respekt seines Mitarbeiters gedenken.