27. Februar 2007 • Österreichische Wirtschaft wächst mittelfristig kräftig. Mittelfristige Prognose für die Jahre 2007 bis 2011 • Josef Baumgartner, Serguei Kaniovski, Ewald Walterskirchen

Das Bruttoinlandsprodukt wird in Österreich von 2007 bis 2011 real um durchschnittlich 2,5% pro Jahr zunehmen. Das Wachstum fällt damit deutlich höher aus als in den letzten fünf Jahren, in denen die Entwicklung durch die Schwäche der europäischen Konjunktur und der heimischen Binnennachfrage gebremst wurde. In den kommenden Jahren ist im Euro-Raum mit einer Beschleunigung des mittelfristigen Wachstums zu rechnen, die in Österreich noch etwas übertroffen wird.

Die österreichische Wirtschaft wird bis 2011 mit +2,5% pro Jahr deutlich kräftiger expandieren, als bisher erwartet wurde (+2,1%). Die reale BIP-Steigerung fällt auch wesentlich höher aus als in der Periode 2000 bis 2006 (+1,7%), einer ausgeprägten Schwächephase der europäischen Wirtschaft. Die Prognose für die Jahre 2007 und 2008 entspricht der WIFO-Prognose vom Dezember 2006, für die folgenden Jahre wurden mittelfristige Trends geschätzt.

Die sich abzeichnende Erholung der deutschen Wirtschaft wird auf den gesamten Euro-Raum ausstrahlen, und die Expansionschancen in den neuen EU-Ländern und Beitrittsländern werden das Wachstum zusätzlich beflügeln. Aufgrund ihrer hohen Wettbewerbsfähigkeit werden die heimischen Exportunternehmen davon überdurchschnittlich profitieren. Sie sind in Ost-Mitteleuropa und Südosteuropa besonders gut positioniert und profitieren im Euro-Raum von der anhaltend günstigen Entwicklung der Lohnstückkosten in der Sachgüterproduktion.

Der Konjunkturaufschwung erfasst auch die Investitionen der Unternehmen. Nachdem die Ausrüstungsinvestitionen seit dem Jahr 2000 nahezu stagnierten, werden sie mittelfristig um 4% pro Jahr ausgeweitet werden. Auch der Wohnbau, der in der Periode 2000/2006 dämpfend wirkte, erholt sich. Die hohe Immigration und die zunehmende Knappheit an Wohnungen werden diese Entwicklung akzentuieren. Das Wachstum des privaten Konsums wird sich nur wenig beschleunigen, angesichts hoher Energiepreise bleibt vor allem der Pkw-Absatz schwach. Die Nettorealeinkommen dürften pro Kopf weiterhin mäßig steigen, die Ausweitung der Beschäftigung wird insgesamt jedoch das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte stärken. Es wird unterstellt, dass die Sparquote der privaten Haushalte, die infolge der Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt sowie der Pensionsreform merklich gestiegen ist, in den nächsten Jahren allmählich zurückgeht.

Die Wachstumsdynamik wird eine deutliche Ausweitung der Beschäftigung bewirken. Da aber auch das in- und ausländische Arbeitskräfteangebot kräftig wächst, dürfte die Arbeitslosenquote nur wenig zurückgehen. Die Zahl der Beschäftigten wird um fast 1% p. a. zunehmen, am stärksten im Teilzeitbereich. Die Arbeitslosenquote wird zwar im Jahr 2007 sinken, sich danach jedoch bis zum Ende des Prognosezeitraums nur noch geringfügig auf 6,2% (laut AMS-Statistik) im Jahr 2011 verringern. Zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Änderung der Bezugsdauer von Kindergeld, die im Regierungsprogramm angekündigt wurden, sind in diesen Schätzungen nicht enthalten.

Übersicht 1: Hauptergebnisse

 Ø 1995/
2000
Ø 2000/
2006
Ø 2006/
2011
2006 2007 2008 2009 20102011
 Jährliche Veränderung in %
          
Bruttoinlandsprodukt         
  Real

+2,9

+1,7

+2,5

+3,2

+2,7

+2,3

+2,5

+2,6

+2,6

  Nominell

+3,7

+3,3

+3,9

+4,5

+4,4

+4,0

+3,7

+3,9

+3,8

Verbraucherpreise

+1,4

+1,9

+1,7

+1,5

+1,6

+1,7

+1,7

+1,8

+1,8

Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten1)

+1,8

+2,0

+2,7

+2,8

+2,5

+2,5

+2,7

+3,0

+3,0

Unselbständig aktiv Beschäftigte2)

+0,6

+0,6

+0,9

+1,7

+1,3

+0,7

+0,7

+0,9

+1,1

          
 Ø 1996/
2000
Ø 2001/
2006
Ø 2007/
2011
2006 2007 2008 2009 20102011
 In %
          
Arbeitslosenquote         
  In % der Erwerbspersonen3)

4,2

4,5

4,4

4,8

4,6

4,5

4,4

4,3

4,1

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen4)

6,8

6,8

6,4

6,8

6,5

6,4

6,4

6,3

6,2

          
 In % des BIP
          
Außenbeitrag

0,8

4,2

4,9

5,2

5,1

5,0

4,8

4,7

4,7

Finanzierungssaldo des Staates

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  Laut Maastricht-Definition

–2,3

–1,0

–1,1

–1,2

–1,3

–1,4

–1,2

–0,9

–0,5

          
 In % des verfügbaren Einkommens
          
Sparquote der privaten Haushalte

8,2

8,5

8,8

9,3

9,3

8,9

8,7

8,6

8,4

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. –  1) Brutto, ohne Arbeitgeberbeiträge, je Beschäftigungsverhältnis laut VGR. –  2) Ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Personen in Schulung. –  3) Laut Eurostat (Labour Force Survey). –  4) Laut Arbeitsmarktservice.

Die relativ hohe Arbeitslosigkeit dämpft weiterhin den Lohn- und Preisauftrieb. Im Laufe des Prognosezeitraums werden die Pro-Kopf-Einkommen nominell und real allmählich rascher steigen, die höheren Produktivitätssteigerungen weiten den Reallohnspielraum aus. Für den Rohölpreis wird im Durchschnitt der Prognoseperiode ein Wert von knapp 63 $ je Barrel unterstellt. Unter diesen Annahmen wird sich der Preisauftrieb bis 2011 nur geringfügig beschleunigen. Die Inflationsrate wird im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2011 bei 1¾% liegen.

Nach dem Abklingen der Effekte der jüngsten Steuerreform wird das Defizit der öffentlichen Haushalte kontinuierlich geringer werden. Die mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte lässt sich jedoch nicht exakt abschätzen, da keine Budgetvoranschläge vorliegen und das österreichische Stabilitätsprogramm nur bis zum Jahr 2008 reicht. Unter eher restriktiven Annahmen bezüglich der Staatsausgaben und angesichts eines Anstiegs der Staatseinnahmen, der weitgehend vom Wirtschaftswachstum bestimmt ist, ist ein Rückgang des Defizits der öffentlichen Haushalte auf ½% des BIP im Jahr 2011 zu erwarten. Die einzelnen Maßnahmen des Regierungsprogramms wurden in der mittelfristigen WIFO-Prognose nicht berücksichtigt, da noch zu wenige Informationen vorliegen, um sie quantifizieren zu können. Allerdings wurde unterstellt, dass im Prognosezeitraum wirtschaftspolitische Maßnahmen – nicht zuletzt angeregt durch das WIFO-Weißbuch – gesetzt werden, um die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten zu verbessern.

Wuchs das reale BIP in Österreich in den Jahren 2000 bis 2006 nur geringfügig rascher als im Durchschnitt des Euro-Raums (+0,1 Prozentpunkte), so dürfte der Vorsprung in den Jahren 2007 bis 2011 auf 0,2 Prozentpunkte zunehmen. Dafür sprechen mehrere Faktoren:

  • Die schwache Performance in Deutschland zog die österreichische Wirtschaft im letzten Jahrzehnt in Mitleidenschaft. Die verbesserten Wachstumsaussichten Deutschlands sollten sich nun auf die österreichische Wirtschaft – auch auf den Tourismus – günstig auswirken.

  • Die österreichischen Unternehmen sind in den rasch wachsenden Volkswirtschaften in Ost-Mitteleuropa sowie in den EU-Beitrittsländern Südosteuropas besonders gut positioniert.

  • Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft hat sich, gemessen an den Lohnstückkosten, im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und die Exportwirtschaft stärken.

  • Die Anhebung der Forschungs- und Entwicklungsquote in Österreich sollte sich mittelfristig positiv auf die Wirtschaft auswirken.

  • In den öffentlichen Haushalten der großen europäischen Länder besteht hoher Konsolidierungsbedarf. Die Budgetpolitik wird deshalb in Deutschland, Italien und Frankreich restriktiver wirken als in Österreich.

  • Das Angebot an in- und ausländischen Arbeitskräften wird in den kommenden Jahren weiter kräftig steigen. Das unterstützt die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung hauptsächlich in Branchen mit Arbeitskräfteknappheit, dämpft aber gleichzeitig die Chancen auf eine Verringerung der Arbeitslosigkeit von Personen ohne hohe Qualifikation.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2007!