2. Juli 2004 • Prognose für 2004 und 2005: Boom der Weltwirtschaft strahlt allmählich auf Euro-Raum und Österreich aus • Markus Marterbauer

Das Wachstum des BIP wird heuer real 1,7% erreichen. In den letzten Monaten verstärkte sich vor allem die Nachfrage aus Deutschland merklich. Bei einem Anhalten der vorsichtigen Konjunkturerholung im Euro-Raum könnte sich das Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr auf 2,5% erhöhen. Dann werden auch Impulse aus dem privaten Konsum wirksam. Die Beschäftigung reagiert wie gewohnt positiv auf das Wirtschaftswachstum. Sonderfaktoren haben allerdings zur Folge, dass trotz Konjunkturerholung die Arbeitslosigkeit nicht sinkt und das Defizit im Staatshaushalt steigt.

Die Wirtschaft wuchs im I. Quartal im Euro-Raum (real +2% gegenüber dem Vorjahr) und besonders in Deutschland (+1,5%) kräftiger, als in allen Konjunkturanalysen erwartet. In Österreich blieb die Expansion mit +0,7% noch sehr verhalten. Vieles deutet darauf hin, dass die vom Boom in China und dem Aufschwung in Nordamerika getragene günstige Entwicklung der Weltwirtschaft allmählich auch in Europa Wachstumskräfte entfaltet. Die mehr als drei Jahre dauernde Stagnation der Wirtschaft im Euro-Raum könnte nun einer verhaltenen Konjunkturerholung gewichen sein. Vor allem die deutsche Exportwirtschaft profitiert von ihrer engen Verflechtung mit der Weltwirtschaft.

Gemäß den Konjunkturumfragen im Euro-Raum, in Deutschland und in Österreich schätzen die Unternehmen der Sachgütererzeugung die aktuelle Geschäftslage merklich günstiger ein als vor einem Jahr; allerdings erwarten sie keine zügige Aufwärtstendenz, wie sie für vergangene Konjunkturzyklen typisch war. Der hohe Wechselkurs des Euro, der kräftige Anstieg der Rohstoffpreise auf den Weltmärkten und vor allem die anhaltende Schwäche der Konsumnachfrage im Euro-Raum bilden Risken für den weiteren Gang der Konjunktur.

Die österreichische Industrie profitiert aufgrund ihrer engen Zulieferbeziehungen vor allem von der markanten Erholung der deutschen Exportwirtschaft. Im Frühjahr dürfte die Warenausfuhr bereits kräftig gestiegen sein. Der Export wird heuer real um 5½% wachsen, obwohl die effektive Aufwertung und eine Verschärfung der Konkurrenzbedingungen in den neuen Mitgliedstaaten der EU den Marktanteil der heimischen Exporteure leicht dämpfen. Die preisliche Wettbewerbsposition der österreichischen Industrie hat sich mittelfristig deutlich verbessert, die relativen Lohnstückkosten sind gegenüber den Handelspartnern seit 1999 um 6% gesunken. Die Wertschöpfung der Sachgütererzeugung steigt 2004 real um 2,8%, merklich rascher als im Durchschnitt der letzten drei Jahre. Eine Aufwärtstendenz der Absatzerwartungen und der Kapazitätsauslastung bringt heuer auch die Investitionskonjunktur in Gang. Allerdings wurden aus steuerlichen Gründen häufig Anschaffungen, vor allem von Fahrzeugen, bereits in das Jahr 2003 vorgezogen.

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 200020012002200320042005
 Veränderung gegen das Vorjahr in %
       
Bruttoinlandsprodukt      
  Real

+3,4

+0,8

+1,4

+0,7

+1,7

+2,5

  Nominell

+4,9

+2,8

+2,7

+2,7

+3,1

+4,2

Sachgütererzeugung1), real

+6,4

+1,5

+0,5

–0,2

+2,8

+4,0

Handel, real

+3,7

–0,0

+1,2

+1,3

+1,4

+2,5

Private Konsumausgaben, real

+3,3

+1,4

+0,8

+1,2

+1,6

+2,5

Bruttoanlageinvestitionen, real

+6,2

–2,3

–2,8

+4,6

+3,2

+3,7

  Ausrüstungen2)

+11,8

–2,1

–5,2

+6,2

+4,0

+6,0

  Bauten

+1,9

–2,5

–0,7

+3,3

+2,5

+1,7

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+13,1

+7,5

+5,2

+2,7

+5,5

+6,8

  Nominell

+15,6

+6,5

+4,2

+1,9

+6,4

+7,3

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

  Real

+10,9

+5,7

+0,8

+6,2

+3,8

+7,1

  Nominell

+14,7

+5,0

–2,0

+5,0

+6,0

+7,8

Leistungsbilanzsaldo

 

 

 

 

 

 

  Mrd. Euro

–5,36

–4,13

+0,36

–2,04

–1,80

–2,02

  In % des BIP

–2,6

–1,9

+0,2

–0,9

–0,8

–0,8

Sekundärmarktrendite4), in %

5,6

5,1

5,0

4,2

4,3

4,5

Verbraucherpreise

+2,3

+2,7

+1,8

+1,3

+1,9

+1,8

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

  In % der Erwerbspersonen (Eurostat)5)

3,7

3,6

4,3

4,4

4,5

4,4

  In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

5,8

6,1

6,9

7,0

7,1

7,0

Unselbständig aktiv Beschäftigte7)

+0,9

+0,4

–0,5

+0,2

+0,6

+0,9

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition), in % des BIP

–1,5

+0,2

–0,2

–1,3

–1,2

–1,7

 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. –  2) Einschließlich sonstiger Anlagen. –  3) Laut Statistik Austria. –  4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). –  5) Labour Force Survey. –  6) Laut Arbeitsmarktservice. –  7) Unselbständig Beschäftigte ohne Bezug von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdienst, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste arbeitslose Schulungsteilnehmer.

Der Anstieg der Energiepreise hat eine beträchtliche Verschlechterung der Terms-of-Trade zur Folge und trägt dazu bei, dass das Defizit in der Leistungsbilanz bei etwa 2 Mrd. Euro verharrt. Er schlägt auch bereits auf die Verbraucherebene durch und erhöht die Inflationsrate in den Jahren 2004 und 2005 im Durchschnitt um ¼ Prozentpunkt auf jeweils knapp 2%. Das Wachstum der verfügbaren Realeinkommen (2004 +1¼%) wird leicht gedämpft. Die Nettorealeinkommen je Arbeitnehmer nehmen 2004 das vierte Jahr in Folge kaum zu. Die Mehraufwendungen für Energie dämpfen den Konsum der privaten Haushalte leicht, gehen aber vor allem zulasten des Sparanteils am verfügbaren Einkommen. Erst im Jahr 2005 bringt die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer eine merkliche Erhöhung der Pro-Kopf-Einkommen. Die Entwicklung der Konsumausgaben der privaten Haushalte könnte dann zum ersten Mal seit vier Jahren den langfristigen Durchschnitt erreichen (real +2½%). Die Sparquote wird auf knapp 9% der verfügbaren Einkommen steigen.

Die Bauwirtschaft erwies sich schon 2003 als wichtiger Wachstumsmotor, sie expandiert auch heuer kräftig (real +2½%). Im Tiefbau bleibt die Auftragslage sehr gut, im Hochbau kündigt sich jedoch eine Abschwächung an. Zum einen steigt die Leerstandsquote im Bürobereich rasch, sodass die Produktion gedrosselt werden dürfte. Zum anderen gehen die Baubewilligungen für geförderte Wohnungen aufgrund der schwachen Nachfrage erheblich zurück (2003 –4.000 Einheiten, –10%).

Wie gewohnt reagiert die Beschäftigung auf die Verbesserung der Konjunktur. Die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten erhöht sich heuer um 0,6% und 2005 um 0,9%. Nun könnte auch die Zahl der beschäftigten Inländer, die in den vergangenen zwei Jahren um 30.000 geschrumpft war, wieder leicht zunehmen. Der Zustrom an ausländischen Arbeitskräften auf den Arbeitsmarkt bleibt sehr hoch. In der Folge dieser starken Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes reagiert die Zahl der Arbeitslosen nicht auf die günstigere Konjunkturlage, sie verharrt im Jahresdurchschnitt 2005 bei etwa 240.000.

Auch der Finanzierungssaldo des öffentlichen Sektors verringert sich trotz der Erholung der Wirtschaft nicht. Das Defizit beträgt laut Maastricht-Berechnung heuer etwa 3 Mrd. Euro (–1¼% des BIP), im kommenden Jahr 4 Mrd. Euro (–1¾%). Die Verlängerung der steuerlichen Investitionsförderungen sowie steigende Transfers für Kinderbetreuungsgeld und Altersteilzeit belasten 2004 das Budget. 2005 schlägt sich vor allem die umfangreiche Senkung von Gewinn- und Lohnsteuern nieder.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 7/2004!