28. November 2003 Stabilitätspakt: Stellungnahme Prof. Kramers (WIFO) zur Kritik des Finanzministeriums Helmut KramerDer Sprecher des Finanzministeriums unterstellt dem WIFO die Behauptung, dass eine Ausweitung des Budgetdefizits in Deutschland oder Frankreich automatisch mehr Wachstum und damit auch den Wirtschaftspartnern eine vergleichsweise bessere Konjunktur brächten. Dazu nimmt Professor Kramer, der Leiter des WIFO, Stellung. Das Finanzministerium dreht die Argumentation des WIFO offenbar bewusst um 180 Grad. Die gestrige Stellungnahme des WIFO bezog sich auf die hypothetische Möglichkeit, diese beiden wichtigen und andere EU-Länder durch Beharren auf der Einhaltung des Paktes zu zwingen, entsprechende Maßnahmen zur Reduktion des Defizits unter die erlaubte Höchstgrenze ab 2004 einzusetzen. Es ist eine Frage, ob eine expansive Budgetpolitik eine bessere Konjunktur brächte (diese Frage hat das WIFO nicht kommentiert), und eine ganz andere, ob in der gegebenen Situation die Reduktion der Budgetdefizite die schwache europäische Konjunktur beschädigen könnte. Auf diese letztere Gefahr hat das WIFO hingewiesen. Wären solche Versuche durch Beschluss des Rates der Finanzminister auf der Basis des bisherigen Paktes erzwungen worden, so würde das die Wirksamkeit automatischer Stabilisatoren außer Kraft setzen. Zumindest deren wünschenswerte Stabilisierungswirkung war bisher von der überwältigenden Mehrheit aller ernstzunehmenden Ökonomen nicht bestritten worden. Für die Konjunkturaussichten ist es irrelevant, darauf hinzuweisen, dass die betroffenen "Sünder" zu guter Zeit eine andere Budgetpolitik hätten machen sollen. Über diese vergossene Milch heute zu klagen, ist eine Angelegenheit der politischen Ebene. Wirtschaftlich ist es gefährlich, darauf zu beharren, dass nicht sein kann was nicht sein darf. Ein ganz anderes Thema ist, welche politischen Folgen der offenkundige Bruch des Paktes für alle Mitglieder der Währungsunion hat. "Gefahren" für den Außenwert des Euro, die von manchen Kommentaren gesehen werden, erscheinen in einer Situation einigermaßen paradox, in welcher diese Währung unbeeindruckt von der Kalamität des Stabilitätspakts unter Aufwertungsdruck steht und bereits heute die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produzenten auf den internationalen Märkten beeinträchtigt.
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