25. Juni 1999 • Technologieströme in der österreichischen Wirtschaft • Gernot Hutschenreiter

Die OECD verwendet seit einigen Jahren Maße des "totalen F&E-Gehalts" von Outputströmen. Dieser umfaßt nicht nur die üblicherweise erhobenen direkten Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung, sondern auch den F&E-Gehalt der heimischen und importierten Vorleistungs- und Investitionsgüter und ist damit besonders für kleine offene Volkswirtschaften ein aussagekräftigeres Maß des technologischen Niveaus der Produktion. In der hier zusammengefaßten Studie werden erstmals Berechnungen des totalen F&E-Gehalts für die österreichische Wirtschaft vorgelegt. Es bestätigt sich die Bedeutung von an Importe gebundenen Technologieströmen, insbesondere aus Deutschland. Der grundlegende Wandel des Musters der Technologieströme illustriert die Entwicklung Österreichs zur Knowledge-based Economy.

Die internationale Dimension von Wissens- und Technologiediffusion ist für kleine Länder von besonderer Bedeutung. In Analogie zum Außenhandel ist davon auszugehen, daß die relative Bedeutung grenzüberschreitender "Wissens"- oder "Technologie"-Transaktionen mit der Landesgröße abnimmt. Dazu kommt – als spezieller Aspekt – ein österreichisches "Performance-Paradoxon": Trotz relativ geringer F&E-Investitionen und zum Teil ungünstiger Strukturbefunde ist die langfristige Performance der österreichischen Wirtschaft gemessen am Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens und der Produktivität beachtlich. Diese günstige langfristige Entwicklung wurde u. a. der erfolgreichen Übernahme importierter Technologien, insbesondere durch Investitionsgüterimporte (die Investitionsquote Österreichs ist langfristig relativ hoch) zugeschrieben.

Die Struktur des totalen F&E-Gehalts

In Österreich machen die direkten F&E-Ausgaben (der F&E-Aufwand der Unternehmen) knapp die Hälfte des totalen F&E-Gehalts des Outputs aus (1994: 45,2%). Die wichtigsten Komponenten der "indirekten Forschung und Entwicklung" sind importierte und heimische Vorleistungen (23,2% bzw. 16,4%), Investitionsgüter (8,3% bzw. 6,8%) haben hier geringere Bedeutung. Der Anteil importierter Technologie am totalen F&E-Gehalt wächst längerfristig.

Im internationalen Vergleich nimmt Österreich mit einem Verhältnis von "indirekter Forschung und Entwicklung" zu direkten F&E-Ausgaben von rund 1 : 1 eine mittlere Position ein. Deutlich niedriger ist diese Relation in den großen entwickelten Volkswirtschaften wie den USA und Frankreich (2 : 3). Für Kanada, ein Land mit relativ niedriger F&E-Quote und intensiven Informations- und Handelsbeziehungen zu seinem großen Nachbarn USA, wurde die inverse Relation 3 : 2 errechnet.

Die totale Technologieintensität (das Verhältnis des totalen F&E-Gehalts zum Bruttooutput des sachgüterproduzierenden Sektors) eignet sich in mehrfacher Hinsicht besser als Maß des technologischen Niveaus der Produktion eines Landes als die direkte F&E-Intensität. Obwohl Österreich in bezug auf die totale F&E-Intensität zunächst stark aufholte (1976 bis 1988), war diese 1994 im internationalen Vergleich dennoch relativ gering.

Die Rolle von Technologieimporten

In Österreich ist das Verhältnis des F&E-Gehalts der importierten Vorleistungs- und Investitionsgüter zu den direkten F&E-Ausgaben (1994: 0,7) relativ hoch – das gilt aber auch für vergleichbare kleine offene Volkswirtschaften wie die Niederlande und Dänemark. Hinweise auf eine besondere Position Österreichs durch überdurchschnittliche Technologieimporte gibt es somit nicht.

Deutschland hat für Österreich eine herausragende Bedeutung als Bezugsquelle importierter Technologie. Es dominiert die Technologieimporte – insbesondere in Form von Investitionsgütern – in noch stärkerem Maß als die österreichischen Importe von Industriewaren: Während der Anteil Deutschlands an den österreichischen Importen von Industriewaren 42,2% beträgt, erreicht der Anteil am F&E-Gehalt der importierten Vorleistungen 45,8% und im Bereich der Investitionsgüter sogar 51,1% (1994). Der zweitwichtigste Technologielieferant sind die USA (abgesehen von der Gruppe der "sonstigen OECD-Länder", darunter die Schweiz).

Abbildung 1: Importe von Industriewaren und importierte Technologie 1994

Q: WIFO.

Der F&E-Gehalt der aus Deutschland importierten Vorleistungsgüter nahm zwischen 1976 und 1994 dramatisch zu, und zwar hauptsächlich in der Maschinenindustrie. Hingegen ist der Dienstleistungssektor die weitaus wichtigste Destination von in Investitionsgütern enthaltener Forschung und Entwicklung.

Auf dem Weg zur "Knowledge-based Economy"

Der Wandel im Muster der Technologieströme in den zwei untersuchten Jahrzehnten illustriert eindrucksvoll die Entwicklung Österreichs in Richtung einer "Knowledge-based Economy".

  • Der Dienstleistungssektor hat als Technologieempfänger erheblich an Bedeutung gewonnen und bereits 1994 mit der Sachgüterproduktion gleichgezogen.

Abbildung 2: Technologiequelle: Informationstechnologie-Cluster

Indirekte Forschung und Entwicklung nach Verwenderbranchen 1976, 1983, 1988 und 1994, in Mill. S

Q: WIFO.

  • Zum anderen wächst das Gewicht des Informationstechnologie-Clusters rasch: Bereits im Jahr 1994 war er die mit Abstand wichtigste Technologiequelle (43,5% der gesamten indirekten F&E) vor dem Werkstoff-Cluster (25,3%). Seit 1976 haben sich die Relationen damit nahezu vollständig umgekehrt.
  • Vom Dienstleistungssektor absorbierte indirekte Forschung und Entwicklung aus dem Informationstechnologie-Cluster ist der quantitativ bedeutendste Technologiestrom (24,4% der gesamten indirekten F&E). Selbst in der Sachgüterproduktion war der Informationstechnologie-Cluster 1994 die wichtigste Technologiequelle und übertraf damit den Werkstoff-Cluster. Auch hier haben sich die Relationen seit 1976 grundlegend gewandelt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 6/1999. Der Artikel faßt eine Studie des WIFO im Rahmen von "tip" kurz zusammen: Gernot Hutschenreiter, Serguei Kaniovski (unter Mitarbeit von Kurt Kratena), Embodied Technology Flows in the Austrian Economy (80 Seiten, ATS 500,– bzw. EUR 36,34). Das Programm "tip – Technologie: Information, Politikberatung" beruht auf einer Initiative der Bundesministerien für wirtschaftliche Angelegenheiten sowie für Wissenschaft und Verkehr und wird vom WIFO in Kooperation mit dem Forschungszentrum Seibersdorf durchgeführt.