WIFO-Presseinformationen

9. November 1998 • Abschwächung in der Exportindustrie, steigende Konsumnachfrage • Markus Marterbauer

Vor allem die vom Export abhängigen Industrieunternehmen haben ihre Konjunktureinschätzung in den Umfragen der EU-Kommission für Europa und jener des WIFO für Österreich merklich zurückgenommen. Darin kommt auch die verbreitete Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft zum Ausdruck. Jene Unternehmen, die stärker auf die Inlandsnachfrage ausgerichtet sind, beurteilen die Geschäftsaussichten günstiger. Bei stabilem Preisniveau, zunehmendem Einkommenswachstum und steigender Beschäftigung wird der private Konsum zur wichtigsten Konjunkturstütze.

Die Unsicherheiten über die Entwicklung der Weltwirtschaft haben in den letzten Monaten merklich zugenommen. Die Notenbank der USA versucht, mittels Zinssenkungen die Erwartungen auf den Finanzmärkten zu stabilisieren. Auch in einigen europäischen Hochzinsländern wird das kurzfristige Zinsniveau merklich zurückgenommen, um eine einheitliche Ausgangsbasis im Übergang zum Euro zu schaffen und dem deutlichen Inflationsrückgang gerecht zu werden. Die Konjunkturumfragen der EU-Kommission zeigen eine Abschwächung der Produktionserwartungen, besonders in Großbritannien. Während die Exportindustrie in Europa pessimistisch in die Zukunft blickt, erholt sich die Konjunkturbeurteilung im Einzelhandel und in der Bauwirtschaft.

Die Einschätzung der aktuellen heimischen Konjunkturlage wird schwieriger, auch weil Daten oft nur bis zum Sommer vorliegen. Die Produktions- und Beschäftigungszahlen lassen auf eine anhaltend rege Industriekonjunktur bis in den Spätsommer schließen (Wertschöpfung 1. Halbjahr real +7½%). Die österreichischen Unternehmen profitieren – auch dank der hohen preisbestimmten Wettbewerbsfähigkeit – von einer Belebung der Investitionsnachfrage in Deutschland und bei anderen wichtigen Handelspartnern.

Umfrageergebnisse gewinnen angesichts mangelnder Aktualität der Produktionsdaten an Bedeutung, spiegeln andererseits aber selbst die verbreitete Unsicherheit der wirtschaftlichen Akteure wider. Die Ergebnisse des jüngsten WIFO-Konjunkturtests vom Oktober – der sich an mehr als 1.000 Unternehmen mit etwa 200.000 Beschäftigten richtete – lassen darauf schließen, daß der Höhepunkt der Industriekonjunktur überschritten ist. Ausgehend von einer schlechteren Beurteilung der Auftragseingänge aus dem Ausland schätzen die Unternehmen die Produktionsentwicklung für die nächsten Monate merklich ungünstiger ein als im Frühsommer. Der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Meldungen hat sich auf +2,6 Prozentpunkte (März +10 Prozentpunkte) verschlechtert. Die Grundstoffindustrie und erstmals auch die technische Verarbeitung – beide Branchen sind relativ stark von der Auslandsnachfrage abhängig – haben ihre Produktionserwartungen zurückgenommen (weiterhin überwiegen aber die Unternehmen mit positiven Erwartungen). In der Konsumgüterindustrie sind die Geschäftserwartungen – trotz einer vorsichtigeren Einschätzung der Auslandsaufträge – weiterhin stabil und positiv.

Der private Konsum wird somit zunehmend zur Konjunkturstütze. Der Einzelhandel setzte von Jänner bis Juli durchschnittlich real um 2½% mehr um als im Vorjahr. Während die Nachfrage nach Einrichtungsgegenständen im Gefolge des Nachlassens der Wohnbautätigkeit zurückging, erhöhte sich jene nach Fahrzeugen und kurzlebigen Konsumgütern merklich. Neben steigenden Einkommen und wachsender Beschäftigung bildet die gute Sommersaison im Tourismus einen Bestimmungsgrund für diese Entwicklung: Die Zahl der Nächtigungen stieg gegenüber dem Vorjahr, noch stärker erhöhten sich die Ausgaben pro Übernachtung. In der Bauwirtschaft haben sich die Produktionszuwächse – trotz günstiger Entwicklung im Tiefbau – nach dem hohen Zuwachs im I. Quartal erheblich abgeschwächt.

Die merkliche Erhöhung des Überschusses in der Reiseverkehrsbilanz verringert das Passivum in der Leistungsbilanz. Es lag kumuliert von Jänner bis August mit –28 Mrd. S um 4 Mrd. S unter dem Vorjahreswert.

Im Sommer herrschte in Österreich – wie in vielen anderen EU-Ländern – Preisstabilität (VPI gegenüber dem Vorjahr +0,9%, harmonisierter Verbraucherpreisindex +0,6%). Gründe dieser Entwicklung sind der kräftige Rückgang der internationalen Rohstoffpreise, die Dollarabwertung, starker Konkurrenzdruck und niedrige Lohnkostenzuwächse.

Die Zahl der Beschäftigten wächst weiterhin rasch. Im Oktober waren (ohne Bezieher von Karenzurlaubsgeld und Präsenzdiener) um etwa 28.000 Unselbständige mehr beschäftigt als ein Jahr zuvor. Besonders stark steigt die Zahl der Arbeitsplätze in jenen Dienstleistungsbereichen, in denen Teilzeitarbeit eine wichtige Rolle spielt. Auch die Zahl der geringfügig Beschäftigten wächst überdurchschnittlich. Wegen der Zunahme des Arbeitskräfteangebotes erhöht sich aber auch die Arbeitslosigkeit leicht. Sie lag im Oktober bei 220.100, die saisonbereinigte Arbeitslosenquote beträgt 7,2% der unselbständigen Erwerbspersonen nach traditioneller österreichischer Berechnungsmethode und 4,5% der Erwerbspersonen laut EU Labour Force Survey. Auf eine offene Stelle kamen 9 Arbeitsuchende.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 11/1998!