1.Oktober 1998 • Europäische Industrie expandiert 1998 um 5% • Karl Aiginger, Margarete Czerny, Michael Pfaffermayr

Informelle Tagung der Industrieminister der EU diskutiert am 2. und 3. Oktober Globalisierung und Kooperationen – Kräftiges Wachstum und Stabilisierung der Industriebeschäftigung – Produktivitätsrückstand und große nationale Unterschiede – Stark aktive Außenhandelsbilanz gegenüber Beitrittswerbern

Kräftiger Anstieg der europäischen Industrieproduktion

Die Industrieproduktion wuchs in der Europäischen Union im I. Quartal 1998 um 5,2%, nachdem sie insgesamt zwischen 1990 und 1997 um nur 6,4% gestiegen war. Finnland und Spanien verzeichnen heuer die höchste Zuwachsrate der Industrieproduktion, Großbritannien und die Niederlande die niedrigste. In den USA verlor die Industrieproduktion ihren bisherigen Wachstumsvorsprung und expandierte im I. Quartal um nur noch 4,7%, in Japan sank sie um 3,8% und war damit auch absolut niedriger als 1990.

Insgesamt ist 1998 mit einem Wachstum der europäischen Industrieproduktion von 5% zu rechnen. Die kurzfristigen Indikatoren erreichten im März ihren Höhepunkt – teilweise ist die folgende Abschwächung jedoch ein Zeichen der Verunsicherung durch die internationale Finanzkrise. Die Industriebeschäftigung könnte sich 1998 stabilisieren, nachdem sie seit 1990 von 26 Mill. auf 22 Mill. Personen (1997) reduziert wurde. Der Beschäftigungsbeitrag der Industrie wird durch diese Zahlen allerdings unterschätzt, da der produzierende Bereich durch Auslagerungen und begleitende Dienstleistungen auch zum Wachstum der produktionsnahen Dienstleistungen beiträgt.

Positive externe Bilanz

Die Exporte der EU übertreffen die Importe um mehr als 100 Mrd. ECU, der Handelsbilanzsaldo erreicht 2% des Bruttoinlandsproduktes. Deutschland, Frankreich und Italien liefern den höchsten absoluten Beitrag zum Aktivum. Großbritannien verzeichnet das höchste Defizit vor Spanien und Portugal. Das Defizit Österreichs ist seit 1993 um ein Drittel geschrumpft. Auch die Leistungsbilanz der EU ist stark positiv, 1998 beträgt das Aktivum mehr als 1% des BIP – 1993 war der Saldo noch gering negativ. Finnland, die Niederlande und Belgien erwirtschaften einen Leistungsbilanzüberschuß von mehr als 5% des BIP, für Großbritannien, Portugal und Österreich wird für 1998 ein Leistungsbilanzdefizit prognostiziert. Ein großer Teil der aktiven Außenhandelsbilanz der EU wird im Handel mit den Beitrittswerbern in Ost-Mitteleuropa erzielt.

Österreich im Vorderfeld

Die österreichische Industrie liegt sowohl gemessen an ihrem Beitrag zum BIP als auch hinsichtlich der Wertschöpfung je Beschäftigten im Vorderfeld der EU-Länder. Am größten ist der Industriesektor (gemessen an der Wirtschaftsleistung) in Deutschland – hier umfaßt er ähnlich wie in Japan 24% des BIP. Nach Ländern mit Aufholpotential (Portugal und Spanien) sowie Finnland und Italien rangiert Österreich an sechster Stelle. Die höchste Wertschöpfung je Beschäftigten erreichen 1995 nach der OECD-Statistik Belgien und die Niederlande, Österreich folgt in einer Gruppe mit Deutschland und Frankreich. Die Produktivität der Industrie ist in der EU insgesamt geringer als in den USA und in Japan, sie variiert in den EU-Ländern im Verhältnis 3 : 1. Internationale Vergleiche von Industriequote und Produktivität stehen erheblichen Abgrenzungsproblemen gegenüber: Kleine Unternehmen sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich erfaßt bzw. geschätzt, und die Grenze zwischen Industrie und produktionsnahen Dienstleistungen ist institutionell verschieden.

Die Industrieproduktion ist in Österreich seit 1990 um 20% gestiegen – dies ist nach Finnland, Schweden und Dänemark die vierthöchste Rate. In vier europäischen Ländern lag die Industrieproduktion 1997 auf dem Niveau von 1990.

Übersicht: Industriebeschäftigung und Industrieproduktion in der EU 1990 bis 1997

 

Industriebeschäftigung

Industrieproduktion

 

1990

1997

1990/1997

1990

1997

1990/1997

I. Quartal 1998

 

Personen

Veränderung in %

1995 = 100

Veränderung in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

               

Österreich

585.003

486.637

- 16,8

88,7

106,5

+ 20,1

+ 5,3

Belgien

659.077

592.940

- 10,0

93,7

105,8

+ 12,9

+ 4,1

Deutschland1)

8,075.449

6,143.240

- 23,9

104,1

104,4

+ 0,2

+ 7,5

Dänemark

327.363

337.824 2)

+ 3,2

86,3

105,8

+ 22,6

+ 6,5

Finnland

433.917

365.799 2)

- 15,7

87,1

113,6

+ 30,4

+ 9,1

Frankreich

3,372.559

3,126.707

- 7,3

102,2

104,0

+ 1,7

+ 7,5

Griechenland

278.091

215.114

- 22,6

103,3

102,6

- 0,6

+ 4,2

Großbritannien

4,307.797

3,836.699

- 10,9

97,2

102,5

+ 5,5

+ 0,3

Italien

3,032.311

2,704.200

- 10,8

93,1

100,1

+ 7,6

+ 3,4

Niederlande

760.016

524.888 2)

- 30,9

93,2

104,6

+ 12,3

+ 1,1

Portugal

981.003

780.399

- 20,4

104,3

103,9

- 0,4

+ 6,3

Schweden

729.885

589.926

- 19,2

85,5

111,0

+ 29,9

+ 4,9

Spanien

2,589.402

2,253.717

- 13,0

95,7

106,1

+ 10,9

+ 8,2

EU

26,321.484

22,361.217

- 15,0

97,7

103,9

+ 6,4

+ 5,2

USA

17,496.300

17,198.131

- 1,70

85,00

108,61

+ 27,78

+ 4,65

Japan

11,138.732

9,874.631

- 11,35

105,00

106,93

+ 1,84

- 3,83

Q: Industriebeschäftigung: 1990 bis 1995 DEBA, ab 1996 Monatliches Panorama der Europäischen Industrie. Industrieproduktion: 1990 bis 1995 WIFO-Datenbank (EUR2), ab 1996 Monatliches Panorama der Europäischen Industrie. – 1)  Gesamtdeutschland. – 2)  1996.

Rückfragen zur Entwicklung der europäischen Industrie richten Sie bitte an Prof. Dr. Karl Aiginger (Tel. (1) 798 26 01/246), zum Kooperationsgeschehen von Mittelbetrieben an Dr. Margarete Czerny (Durchwahl 225), zum Thema Globalisierung an Dr. Michael Pfaffermayr (Durchwahl 253).