15. April 1998 • Erfolgreiche Haushaltssanierung, aber keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt. Wirtschaftstendenzen in der EU 1997 • Markus Marterbauer

Die europäische Wirtschaft wuchs 1997 real um 2,6%. In mehreren EU-Staaten hat sich die Expansion von Nachfrage und Produktion im 2. Halbjahr beschleunigt, und der Konjunkturaufschwung hat an Breite gewonnen. Im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik stand die Erreichung der Konvergenzkriterien für den Eintritt in die Währungsunion, die vor allem in Hinsicht auf die Haushaltskriterien erhebliche Anstrengungen notwendig machte. Auf dem Arbeitsmarkt zeigte sich vorerst keine Erholung, die Beschäftigung nahm nur schwach zu, die Arbeitslosigkeit blieb hoch (Arbeitslosenquote 10¾%).

Das Wirtschaftswachstum betrug in der EU zwischen 1990 und 1997 real nur 2% – merklich weniger als in den Jahrzehnten zuvor oder als im gleichen Zeitraum in den USA. Aus verschiedenen Gründen geriet der Konjunkturaufschwung, der 1994 begonnen hatte, rasch ins Stocken. Erst Mitte 1996 war wieder eine stärkere Belebung zu verzeichnen, die sich im Jahresverlauf 1997 fortsetzte. Die Produktion erhielt ihre wesentlichen Impulse vom Export, in einigen Ländern leistete aber auch die Inlandsnachfrage schon erhebliche Wachstumsbeiträge. Dies gilt jedoch noch nicht für große Länder – wie Deutschland, Frankreich, Italien – und einige mit ihnen im Konjunkturverbund stehende kleinere Volkswirtschaften.

Die Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedsländer war 1997 von den umfangreichen Anstrengungen zur Erreichung der Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrags geprägt. Diese Bemühungen erwiesen sich als erfolgreich, brachten aber auch wirtschaftliche und soziale Kosten mit sich. Die Konvergenz im monetären Bereich – Inflation, Zinssätze, Wechselkurse – kam merklich voran. Mit erheblichen Kraftanstrengungen – die in einigen Mitgliedsländern auch Einmalmaßnahmen und eine drastische Kürzung der öffentlichen Investitionen umfaßten – gelang es 14 von 15 Mitgliedstaaten, die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte unter 3% des BIP zu drücken. Alle Länder wiesen Überschüsse im Primärhaushalt (laufenden Einnahmen und Ausgaben ohne Zinszahlungen) aus, Italien, Belgien und Griechenland sogar im Ausmaß von 5% des BIP.

Die Arbeitslosenquote lag 1997 um 3 Prozentpunkte über jener zu Beginn des Jahrzehnts. Das schwache Wirtschaftswachstum in der EU bildet den wichtigsten Bestimmungsgrund für den Mißerfolg auf dem Arbeitsmarkt. Sowohl das Niveau als auch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit unterscheiden sich aber zwischen den EU-Ländern erheblich. Am erfolgreichsten waren weiterhin kleine Staaten wie Luxemburg, Österreich, Dänemark, Irland, Portugal oder die Niederlande. Auch in Großbritannien, Spanien und Finnland war die Arbeitslosenquote – von zum Teil außerordentlich hohem Niveau – rückläufig. Die Ursachen der relativ guten Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung sind vielfältig, sie reichen von höherem Wirtschaftswachstum über größere Trainings- und Qualifizierungsanstrengungen bis zu Maßnahmen der Arbeitszeitpolitik. Nur in Deutschland stieg die Arbeitslosigkeit auch 1997 merklich – im wesentlichen ein Ergebnis der restriktiven Konsolidierungspolitik.

Innerhalb der Europäischen Union war die Konjunktur 1997 deutlich gespalten. In einer Gruppe von Ländern war das Wirtschaftswachstum schon recht kräftig (durchschnittlich 3½%) und, bei großteils weiterhin positivem Beitrag des Außenhandels, auch merklich von der Inlandsnachfrage getragen. Das gilt für Großbritannien, Irland und die Mehrzahl der südeuropäischen Länder, aber auch für Dänemark, Finnland und die Niederlande. In diesen Ländern hat der Konjunkturaufschwung – nach einer zum Teil außerordentlich tiefen Rezession zu Beginn der neunziger Jahren – schon relativ früh eingesetzt. Der Export war oft bedingt durch vorangegangene Abwertungen und eine engere Verflechtung mit dem Konjunkturzyklus der USA anhaltend kräftig. Die Inlandsnachfrage profitierte von den merklichen Beschäftigungs- und Einkommenszuwächsen, in einigen Ländern auch vom markanten Rückgang des langfristigen Zinsniveaus.

Übersicht 1: Beschäftigung und Arbeitslosigkeit

 

Erwerbstätige

Arbeitslosenquote1)

 

1995

1996

1997

1993

1994

1995

1996

1997

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In % der Erwerbspersonen

                 

EU

+ 0,6

+ 0,1

+ 0,4

10,6

11,3

10,8

10,9

10,7

                 

Deutschland

- 0,3

- 1,2

- 1,4

7,9

8,4

8,2

8,8

9,7

Frankreich

+ 1,0

± 0,0

- 0,1

11,7

12,3

11,7

12,4

12,5

Italien

- 0,2

+ 0,2

+ 0,1

10,3

11,4

11,9

12,0

12,1

Großbritannien

+ 1,4

+ 0,4

+ 1,6

10,4

9,6

8,7

8,2

7,1

Spanien

+ 1,7

+ 1,5

+ 2,6

22,8

24,1

22,9

22,1

20,9

Niederlande

+ 1,4

+ 1,8

+ 2,3

6,6

7,1

6,9

6,3

5,3

Schweden

+ 1,5

- 0,5

- 1,1

9,5

9,8

9,2

10,0

10,2

Belgien

+ 0,5

+ 0,4

+ 0,3

8,9

10,0

9,9

9,8

9,5

Österreich

- 0,4

- 0,7

- 0,1

4,3

3,7

3,9

4,4

4,4

Dänemark

+ 1,6

+ 1,1

+ 2,2

10,1

8,2

7,2

6,9

6,1

Finnland

+ 1,7

+ 1,0

+ 2,0

17,5

17,9

16,3

15,4

14,0

Portugal

- 1,0

+ 0,6

+ 1,9

5,7

7,0

7,3

7,3

6,4

Griechenland

+ 1,4

+ 0,7

+ 0,5

8,6

8,9

9,2

9,6

9,5

Irland

+ 5,1

+ 3,9

+ 4,1

15,6

14,3

12,3

11,6

10,2

Luxemburg

+ 2,5

+ 2,6

+ 2,3

2,7

3,2

2,9

3,3

3,7

Q: Europäische Kommission, Eurostat. – 1)  Laut Eurostat, standardisiert.

Hingegen blieb die Konjunkturdynamik in den großen Ländern Kontinentaleuropas – Deutschland, Frankreich, Italien – und einigen mit ihnen in engem Konjunkturverbund stehenden kleinen Länder beträchtlich zurück. Das reale Wirtschaftswachstum lag deutlich unter der Dynamik der ersten Ländergruppe und erreichte in Italien nur 1½%, in Deutschland 2¼%. Zwar wiesen auch in diesen Ländern die Indikatoren für Unternehmer- und Verbrauchervertrauen zunehmend nach oben, die realen Impulse für die Produktion kamen aber fast ausschließlich vom Export. Die Binnennachfrage entwickelte sich noch sehr verhalten. Trotz sehr günstiger Gewinn- und Kostenentwicklung sprang die Investitionsnachfrage lange nicht an, erst in der zweiten Jahreshälfte waren erste Wachstumsanzeichen in Deutschland und Frankreich zu beobachten. Der private Konsum belebte sich angesichts schwachen Beschäftigungswachstums und zurückhaltender Einkommensteigerungen nicht, wenn man von den Effekten diskretionärer Maßnahmen zur Konsumförderung – etwa der Verschrottungsprämie für Altautos in Italien – absieht.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/1998!