17. Juni 1997 • Die Kosten des Paktes für Stabilität und Wachstum • Thomas Url

Der "Pakt für Stabilität und Wachstum" definiert genaue Richtlinien zur Überwachung öffentlicher Haushalte und zur Früherkennung übermäßiger Defizite durch die Europäische Kommission. Die künftigen Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion verpflichten sich darin zur Einhaltung ausgeglichener öffentlicher Budgets und unterwerfen sich einem Sanktionsmechanismus, der bei Überschreitung des Grenzwertes für das Haushaltsdefizit von 3% des BIP Geldeinlagen bei der Europäischen Kommission vorsieht; sie werden in Geldbußen umgewandelt, wenn das Defizit über die folgenden zwei Jahre fortbesteht. Der Stabilitätspakt sieht Ausnahmen von diesen Sanktionszahlungen vor, wenn das Defizit auf außergewöhnliche Ereignisse zurückgeht, die nicht von der Regierung kontrolliert werden können, oder für einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um mehr als 2%. Ein Interpretationsspielraum besteht für den Rat bei einer Abnahme des BIP zwischen 0,75% und 2%.

Das WIFO prüfte, wieweit die EU-Länder im Zeitraum 1960 bis 1995 von solchen Sanktionen betroffen gewesen wären. Dabei zeigte sich, daß Sanktionszahlungen durch Berücksichtigung der Konjunktureinflüsse kaum zu vermeiden gewesen wären: Zwischen 1965 und 1995 wurde der Grenzwert für die Defizitquote (3%) in 186 Fällen überschritten, aber in nur 8 Fällen war ein Wirtschaftsabschwung von mehr als 2% zu verzeichnen. Selbst unter Ausnützung des Interpretationsspielraums (–0,75% bis –2%) wäre in nur 30 Fällen eine Ausnahme möglich gewesen (Abbildung 1).

Selbst unter Beachtung des Interpretationsspielraumes wären im EU-Durchschnitt 62% der Einlagen nach zwei Jahren in Geldbußen umgewandelt worden, d. h. die öffentlichen Defizite wurden in den EU-Ländern nur langsam abgebaut. Die verhältnismäßig geringen hypothetischen Geldbußen in Deutschland, Dänemark, Finnland, Schweden und Österreich lassen auf eine höhere Anpassungsgeschwindigkeit schließen (Übersicht 1). Durch die Verschärfung des Konjunkturkriteriums auf –2% werden die Einlagenzahlungen kaum erhöht (+13%), die Häufigkeit der Umwandlung in Geldbußen steigt jedoch um ein Drittel. Eine "milde" Interpretation durch den Rat vermindert also kaum das unmittelbare Drohpotential der Sanktionen laut Stabilitätspakt.

Die genaue Schätzung direkter und indirekter Kosten aus dem Stabilitätspakt erfordert die Berechnung des konjunkturbedingten Defizits. Seine Schwankungsbreite beträgt in Österreich höchstens etwa 1¾% des BIP. Daher sollte das konjunkturbereinigte Defizit mittelfristig von derzeit 3% auf etwa 1¼% des BIP gesenkt werden. Damit würden Sanktionszahlungen und indirekte Kosten durch die verminderte Reaktionsfähigkeit der Fiskalpolitik in der Rezession weitgehend vermieden, sofern man annehmen kann, daß das strukturelle Defizit nicht wächst.

Abbildung 1: Rezessionen und übermäßige Defizite im EU-Vergleich

1960/1995

Übersicht 1: Hypothetische Pro-Kopf-Zahlungen der EU-Länder zwischen 1960 und 1995 bei milder Auslegung des Interpretationsspielraumes

BIP-Veränderung ³ –0,75%, Defizitquote > 3%

 

Akkumulierte Depotzahlungen

Akkumulierte Strafzahlungen1)

 

In $

In % der Depotzahlungen

       

Luxemburg2)

0

0

0

Deutschland

165

74

45

Finnland

204

0

0

Frankreich

292

206

71

Dänemark

318

54

17

Portugal

324

167

52

Irland

344

266

77

Spanien

418

290

69

Österreich

445

157

35

Großbritannien

465

387

83

Schweden

487

218

45

Griechenland

511

505

99

Niederlande

751

402

54

Italien

1.159

909

78

Belgien

1.195

754

63

       

EU 153)

472

293

62

1) Unter Berücksichtigung der Prognose für 1996, 1997 und 1998. – 2) Beobachtungszeitraum ab 1973. – 3) Arithmetisches Mittel.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 6/1997!