17. April 1997 Die Produktionskosten und Erträge der Eisenbahnen Wilfried PuweinVerkehrspolitische Auflagen und verzögerte Rationalisierungsmaßnahmen brachten die Eisenbahngesellschaften zunehmend in eine Aufwands-Ertrags-Schere. Die staatlichen Transferzahlungen an die ÖBB erreichten 1995 61%, an die Schweizerischen Bundesbahnen 41% des Gesamtaufwands (einschließlich Pensionslasten). Die ÖBB produzierten die Verkehrsleistungen dank niedrigen Löhnen wesentlich billiger als SBB und DB. Sie erzielten aber auch die geringsten Durchschnittserträge. Die Transferzahlungen des Bundes zur Finanzierung des laufenden Bahnbetriebs und der Pensionslasten haben in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen. Sie erreichten 1996 31,8 Mrd. S. Stellt man die mehrmals umstrukturierten Gewinn- und Verlustrechnungen der ÖBB auf eine vergleichbare Basis, so deckten die Nettotransfers 1961 19% des Aufwands (einschließlich Pensionen), 1970 29%, 1980 46% und 1990 51%. Nach der ÖBB-Reform 1992 hat sich der Anteil 1994 und 1995 auf 61% stabilisiert. Auch für andere europäische Bahnverwaltungen bilden die Transferzahlungen eine wichtige Finanzierungsquelle. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), die in den sechziger Jahren noch kleinere Überschüsse erwirtschaftet hatten, benötigten 1995 23,6 Mrd. S an staatlichen Zuschüssen, um ausgeglichen bilanzieren zu können. Das waren 41% des Aufwands der SBB (Pensionsversicherungen eingerechnet). Der wachsende Anteil der Finanzierung des Bahnbetriebs aus Steuermitteln kann großteils politischen Einflußfaktoren zugeschrieben werden:
Abbildung 1: Finanzielle Lage der ÖBB
Ein Vergleich der Aufwands- und Ertragsstruktur von ÖBB, SBB und DB zeigt wirtschaftliche Schwachstellen der Bahnen auf. In bezug auf die Arbeitsproduktivität (gemessen an den Verkehrsleistungen je Beschäftigten) betrug der Rückstand der ÖBB gegenüber der DB 10% und gegenüber den SBB 35%. Die ÖBB erstellten relativ viele Vorleistungen und Investitionen in Eigenregie. Dadurch wurden der Sachaufwand niedrig und die aktivierten Eigenleistungen hoch gehalten. Der Sachaufwand der ÖBB war 1995 1½mal, jener der DB 3½mal und der der SBB fast 4mal so hoch wie jeweils die aktivierten Eigenleistungen. Die ÖBB könnten ihre niedrige Produktivität durch Rationalisierungsmaßnahmen im Bahnbetrieb und durch Auslagerung von Leistungen (Wartungs-, Reparatur- und Überholungsarbeiten) wesentlich verbessern. Diese Maßnahmen wurden bisher zum Teil deshalb nicht durchgeführt, weil sie, bedingt durch das relativ niedrige Lohnniveau der ÖBB-Mitarbeiter, für das Unternehmen nicht rentabel schienen. Für den Eigentümer Bund wären aber Kalkulationen maßgeblich gewesen, die die "besonderen" Pensionskosten der Eisenbahner berücksichtigen, da er auch dafür aufzukommen hat. Dank den niedrigen Aktivgehältern produzierten die ÖBB die Verkehrsleistungen am billigsten. Ohne die unmittelbar nicht vergleichbaren Aufwendungen für Soziales (einschließlich Pensionen), Zinsen und Abschreibungen betrugen die Kosten je Einheitskilometer (Summe aus Personenkilometer und Güter-Tonnenkilometer) 1995 knapp 1 S; die Kosten der DB waren um 26% und jene der SBB um 48% höher. Die relativ niedrigen Aktivgehälter der ÖBB-Beschäftigten sind freilich im Lichte der sehr günstigen Pensionsregelungen zu betrachten. Abbildung 2: Verkehrsaufwendungen und -erträge sowie staatliche Transferzahlungen je Einheitskilometer ÖBB, DB-AG, SBB, 1995
Die Bahnbenützer zahlten in Österreich je Personenkilometer durchschnittlich 0,68 S gegenüber 0,98 S in Deutschland und 1,15 S in der Schweiz. Im Güterverkehr nahmen die ÖBB je Tonnenkilometer 0,75 S ein, unwesentlich weniger als die DB, aber um ein Drittel weniger als die SBB. Insgesamt waren die Verkehrserträge der ÖBB mit 0,72 S je Einheitskilometer um 17% niedriger als die der DB und um 36% niedriger als die der SBB. Im Güterverkehr werden die ÖBB die Schweizer Durchschnittspreise angesichts der Struktur der Transportnachfrage und der stärkeren Konkurrenz durch Lkw und Binnenschiffahrt kaum erreichen können. Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Preise im Personenverkehr wären aber zu prüfen. Zu diskutieren ist insbesondere das Ausmaß der Tarifermäßigungen im Personennahverkehr. Strekkenkarten kosten in Deutschland mehr als das Doppelte, in der Schweiz fast das 2½fache der österreichischen Tarife. Besonders in Ballungszentren, wo die Konkurrenz des Individualverkehrs durch Verkehrsraumengpässe (Stauungen, Parkraumnot) begrenzt wird, besteht eine sehr preisunelastische Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsleistungen. Im Nahverkehr des ländlichen Raums und im Fernverkehr ist der Wettbewerb stärker. Die ÖBB konnten bisher die recht unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen und Nachfrageelastizitäten zur Einnahmenoptimierung wenig nutzen. |