21. Jänner 1997 Volkswirtschaftliche Effekte von Kaufkraftabflüssen in Österreich Kurt KratenaKaufkraftflüsse sind Teil von marktwirtschaftlichen Systemen. Mit der Vollendung des Binnenmarktes nahmen sie innerhalb der EU kurzfristig zu. Mittel- bis langfristig sind gegenläufige Effekte erkennbar, die einander weitgehend neutralisieren sollten. In Österreich steigen die Kaufkraftabflüsse seit 1990 kontinuierlich, und zwar stärker als das Einkommen bzw. die Gesamtkonsumausgaben; 1995 (EU-Beitritt, Lira-Abwertung) erreichten sie ein Niveau von 31 Mrd. S. 1996 dürften sie abgeebbt sein. Kaufkraftabflüsse sind hauptsächlich ein regionalökonomisches und branchenspezifisches Problem. Es ist ökonomisch sinnvoll, im benachbarten Ausland einzukaufen, wenn die Erträge daraus die induzierten Kosten übersteigen. Der stärkste Anreiz für grenzüberschreitendes Einkaufen geht in der Regel von Preisunterschieden aus. Daneben spielen die Produktqualität, das Vorhandensein von Spezialitäten, Sortimentstiefe und -breite, die Einkaufsatmosphäre, der Grad der ökonomischen Integration der betreffenden Regionen, Öffnungszeiten eine wichtige Rolle. Neben diesen ökonomischen Faktoren haben auch die Größe und Besiedlungsdichte insbesondere der Grenzregion, die geographischen Gegebenheiten, die Grenzlänge, die Mobilität der Bevölkerung, gesetzliche Barrieren (z. B. Importkontingentierungen) u. ä. Einfluß auf grenzüberschreitendes Einkaufen. In der EU wurden in der Vergangenheit die deutlichsten Effekte von Kaufkraftflüssen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern (insbesondere Dänemark), Luxemburg und seinen Nachbarländern sowie Irland und Nordirland beobachtet. Die grenzüberschreitenden Einkäufe flossen dabei in beide Richtungen und hatten spürbare Auswirkungen auf den Einzelhandel der Grenzregionen. Die Effekte auf die Gesamtwirtschaft der Grenzregionen waren jedoch relativ gering. Die Einkaufsvolumen der Österreicher im Ausland nahmen von 18,5 Mrd. S im Jahr 1990 (1,9% der Gesamtkonsumausgaben der Österreicher bzw. 1,6% des Einkommens) kontinuierlich auf 26 Mrd. S im Jahr 1994 zu (2,1% der Gesamtkonsumausgaben bzw. 1,8% des Einkommens). Mit dem Beitritt zur EU und der Abwertung der Lira stiegen die Ausgaben für Einkäufe im Ausland 1995 nochmals um 5 Mrd. S auf 31 Mrd. S (2,4% der Gesamtkonsumausgaben bzw. 2,1% des Einkommens). 1996 ebbten sie nach Erhebungen im Auftrag der OeNB ab. Um die Konsequenzen der Kaufkraftabflüsse für die österreichische Gesamtwirtschaft zu schätzen, wurden Simulationen mit dem speziell ausgebauten gesamtwirtschaftlichen Input-Output-Modell des WIFO durchgeführt. Demnach wurde durch den Kaufkraftabfluß im Jahr 1995 der Output in Österreich um 1% gesenkt, 10.800 Arbeitsplätze gingen verloren, und die Steuereinnahmen fielen um 3,6 Mrd. S geringer aus als ohne Kaufkraftabfluß. Durch die Steigerung der Auslandseinkäufe im Jahr 1995 gingen 630 Mill. S an Steuereinnahmen verloren, und die Beschäftigung sank um 1.700 Personen. Am stärksten wurde die Beschäftigung in den Sektoren Beherbergungs- und Gaststättenwesen sowie Handel beeinträchtigt – auf sie entfielen rund zwei Drittel des gesamten negativen Beschäftigungseffekts. Diese Beschäftigungseffekte liegen unter jenen, die in anderen österreichischen Studien zum Kaufkraftabfluß errechnet wurden.
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