19. Dezember 1996 Prognose für 1997 und 1998: Konjunkturerholung bei hohem Leistungsbilanzdefizit Markus MarterbauerDie Konjunktur wird sich 1997 nur leicht beleben; ein erster Ausblick auf 1998 bietet aber Anlaß zu vorsichtigem Optimismus. Das Brutto-Inlandsprodukt wird 1997 real um 1,2% und 1998 um 2,2% wachsen. Der Mitte 1995 unterbrochene Aufschwung kommt damit erst relativ spät wieder in Gang. Wachstumsmotor sind der Export und die Ausrüstungsinvestitionen, Konsum- und Baunachfrage bleiben – primär aufgrund der Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung und der ungünstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt – schwach. Das hohe Leistungsbilanzdefizit droht zum wirtschaftspolitischen Problem zu werden. Das Brutto-Inlandsprodukt lag im III. Quartal 1996 real um gut 1% über dem Wert des Vorjahres, der Zuwachs hat sich seit Jahresbeginn leicht beschleunigt. Mit der Belebung der Auslandsnachfrage erholt sich auch die Industriekonjunktur, und die Unternehmen investieren verstärkt. Die Expansion der Auslandsnachfrage bildet weiterhin den Konjunkturmotor: Der Warenexport wird 1997 real um 6% und 1998 um 7% zunehmen. Österreich profitiert vom anhaltend hohen Wachstum in Osteuropa und der allmählichen Konjunkturbelebung in Westeuropa. Begünstigt wird der Export auch durch die Verbesserung der preisbestimmten Wettbewerbsfähigkeit, die sich unter der Annahme stabiler Wechselkurse im EWS durch hohe Produktivitätszuwächse in der Industrie und zurückhaltende Lohnpolitik ergibt. Das erhebliche Ausfuhrwachstum ist von einer Zunahme der Importe begleitet. Die Terms of Trade verschlechtern sich im Prognosezeitraum etwas aufgrund der hohen Erdölpreise. Deshalb wird auch das Handelsbilanzdefizit bis 1998 kaum sinken. Der Saldo der Reiseverkehrsbilanz sollte sich bei einem Überschuß von etwa 20 Mrd. S stabilisieren. Die Ausgaben der Österreicher im Ausland bleiben hoch, und in der Nachfrage nach touristischen Dienstleistungen ist keine wesentliche Verbesserung zu erwarten. Der Saldo im Außenhandel mit sonstigen Diensten verbessert sich leicht, während die Transferbilanz durch die Nettozahlungen an die EU belastet ist. Das Defizit der Leistungsbilanz verharrt deshalb auf dem hohen Niveau von über 40 Mrd. S bzw. mehr als 1½% des BIP. Seit 1992 wurden erhebliche Defizite akkumuliert, die zwar problemlos durch Kapitalzuflüsse finanziert werden konnten (die Währungsreserven stiegen im gesamten Zeitraum kräftig), insgesamt aber wirtschaftspolitisch bedenklich werden. Während die Auslandsnachfrage expandiert, bleibt die inländische Endnachfrage vor allem 1997 sehr schwach. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sinken real aufgrund der restriktiven Fiskalpolitik und der ungünstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich. Nach den umfangreichen Vorziehkäufen im 1. Halbjahr 1996 und weiteren Maßnahmen des "Sparpakets" kann 1997 ein geringfügiges Wachstum des privaten Konsums (real +¼%) über einen neuerlichen kräftigen Rückgang der Sparquote auf 10½% der verfügbaren Einkommen erreicht werden. Auch von der Bauwirtschaft sind keine Nachfrageimpulse zu erwarten. Zwar bleiben der Sanierungsbau und der Wohnbau sehr rege, im Tiefbau und im Wirtschaftsbau zeichnet sich jedoch keine Belebung ab. Erst 1998 werden sich diese Bereiche etwas erholen, doch dürfte dann die Produktion im Wohnbau aufgrund des zunehmenden Überangebotes zurückgehen. Eine divergierende Entwicklung der Nachfragekomponenten zeigt sich auch in der Industrieproduktion: Die technische Verarbeitung und Teile des Basisbereichs – die stärker von der Auslandsnachfrage getragen werden – expandieren kräftig, während die von der inländischen Konsumnachfrage und der Bautätigkeit abhängigen Bereiche stagnieren. Das Wachstum der Industrieproduktion wird sich von 2½% 1997 auf 4% 1998 beschleunigen. Der Preisauftrieb hat seit dem Sommer leicht angezogen. Primär sind dafür die Preise von Nahrungsmitteln und industriell-gewerblichen Waren verantwortlich, die die Inflation weniger dämpfen als im 1. Halbjahr 1996. Die Erdölpreiserhöhung trug bislang etwa 0,2 Prozentpunkte zum Anstieg des VPI bei. Die Inflationsrate wird 1996 und 1997 jeweils 1,9% betragen und erst 1998 auf 1,6% im Jahresdurchschnitt zurückgehen. Österreich rangiert damit unter den europäischen Ländern im Mittelfeld, was angesichts der erwarteten Inflationsdämpfung in der Folge des EU-Beitritts enttäuscht. Auf dem Arbeitsmarkt zeichnet sich erst 1998 eine leichte Erholung ab. Die Zahl der unselbständig Beschäftigten wird auch 1997 aufgrund der schwachen Konjunktur noch rückläufig sein und erst 1998 leicht steigen (+9.000). Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen erhöht sich auf 246.000 im Jahresdurchschnitt. Dies entspricht 1997 und 1998 einer Arbeitslosenquote von 7,5% (der unselbständigen Erwerbspersonen) nach traditioneller österreichischer Erhebungsmethode bzw. 4,2% gemäß Eurostat. Das reale Wachstum der österreichischen Wirtschaft von 1,2% 1997 liegt unter dem europäischen Durchschnitt (+2,0%). Dies ist zum einen durch die zurückhaltende Nachfrage der wichtigsten Handelspartner – Deutschland, Italien und Schweiz – bedingt. Dazu kommen der hohe Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte und die anhaltende Strukturkrise im Tourismus. 1998 sollte sich die Wachstumsdifferenz zu den europäischen Industriestaaten, insbesondere zu Deutschland, aber wieder einebnen.
|