29. März 1996 Prognose für 1996 und 1997: Konjunkturabschwächung verstärkt Anstieg der Arbeitslosigkeit Markus MarterbauerDie anhaltende Abschwächung der internationalen Konjunktur erzwingt eine Revision der Wachstumsprognosen. Die österreichische Wirtschaft wird 1996 um nur ¾% und 1997 um 1% expandieren. Dadurch verschlechtert sich die Arbeitsmarktsituation deutlich. Das Budgetdefizit ist jedoch dank des Konsolidierungsprogramms besser unter Kontrolle als in den letzten Jahren: Das "Sparpaket" ebnet den Weg in die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Die internationale Konjunktur hat sich seit der Dezember-Prognose des WIFO weiter verschlechtert. In den meisten europäischen Ländern wurden die Annahmen für das Wirtschaftswachstum nach unten revidiert. Die Aussichten werden jedoch ziemlich unterschiedlich beurteilt: Die aktuellen Prognosen für die deutsche Wirtschaft divergieren zwischen ±0% und +2%. Die wichtigsten Gründe für das Stocken der Erholung in Europa im 2. Halbjahr 1995 sind die temporäre Abschwächung der Konjunktur in den USA (als "Lokomotive" der Weltkonjunktur), die simultane restriktive Fiskalpolitik in den meisten europäischen Staaten, das Ende der Lageraufbauphase in Europa und die Wechselkursinstabilitäten vom März 1995. Zu den positiven Indikatoren für den europäischen Konjunkturverlauf zählt, daß sich das Vertrauen der Unternehmer in die Wirtschaft der EU im Jänner erstmals seit einem halben Jahr nicht mehr verschlechterte. Eine weitere Hoffnung besteht darin, daß in vergleichbaren Situationen der Vergangenheit Konjunkturdellen auftraten, die nach spätestens einem Jahr wieder überwunden werden konnten. Andererseits ist die Verbraucherstimmung in Europa anhaltend pessimistisch und dürfte sich durch die laufenden und die noch bevorstehenden fiskalischen Restriktionsmaßnahmen weiter verschlechtern. Von den in vielen Ländern simultan durchgeführten fiskalpolitischen Konsolidierungsmaßnahmen werden dämpfende Wirkungen auf die europäische Konjunktur ausgehen. Mit einem spürbaren Wirtschaftsaufschwung dürfte in Europa frühestens ab der zweiten Jahreshälfte 1997 zu rechnen sein. Aufgrund der schwachen internationalen Konjunktur mußte die Prognose der österreichischen Warenexporte für 1996 von real 6% auf 4% zurückgenommen werden. Auch für den heimischen Tourismus sind zumindest 1996 weitere deutliche Einbußen zu erwarten. Angesichts der mäßigen Exportentwicklung werden die Investoren vorsichtiger disponieren und geplante Investitionsprojekte weiter verschieben. Die Zinssätze dürften zwar weiter zurückgehen und die Investitionstätigkeit begünstigen. Bei ungünstigeren Erwartungen über Umsatz- und Ertragswachstum sind aber selbst Kreditzinssätze von 6% für die Unternehmen relativ hoch. Die wirtschaftspolitische Diskussion wird in Österreich in den letzten Monaten vom Konsolidierungsprogramm und der geplanten Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung beherrscht. Das "Sparpaket" ist so dimensioniert, daß es trotz der Konjunkturabschwächung gelingen dürfte, das Defizit aller öffentlichen Haushalte bis 1997 auf 3% des BIP zu senken und damit das entscheidende Konvergenzkriterium des Maastricht-Vertrags zu erreichen. Österreich ist damit gerüstet, als eines der ersten Länder an der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion teilzunehmen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die europäische Wirtschaft nicht in eine Rezession abgleitet. Die Bauwirtschaft wird durch die geplante Infrastrukturoffensive der Bundesregierung vor stärkeren Einbrüchen bewahrt. Diese Initiative wird aber ihre Wirkung nicht schon 1996 entfalten können. Die Entwicklung der inländischen Nachfrage wird entscheidend davon abhängen, wie die Verbraucher auf das Konsolidierungsprogramm reagieren. Die Erfahrungen der Vergangenheit und die ökonometrischen Modelle legen nahe, daß die Sparquote der privaten Haushalte in dieser Situation deutlich zurückgeht. "Angstsparen" ist nur vereinzelt zu erwarten, überwiegen wird die Verringerung der bisher hohen Sparneigung. Trotz der Realeinkommenseinbußen dürfte der private Konsum deshalb leicht steigen. Österreichs Leistungsbilanz wird durch die schwache inländische Nachfrage entlastet, das Defizit geht bis 1997 auf etwa 30 Mrd. S zurück. Die Strukturprobleme im Reiseverkehr bleiben bestehen. Die Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt fällt 1996 wesentlich stärker aus, als bisher angenommen wurde. Dazu tragen vor allem die deutliche Abschwächung der Exportkonjunktur und der hohe Wettbewerbsdruck bei, aber auch der witterungsbedingte Produktionsausfall sowie die Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst. Heuer gehen per Saldo 30.000, 1997 25.000 Arbeitsplätze verloren, die Zahl der Arbeitslosen könnte jeweils um mehr als 20.000 steigen. Die Arbeitslosenquote erreicht 1997 8% der unselbständig Erwerbstätigen nach traditioneller Berechnungsmethode bzw. 4¼% der Erwerbstätigen laut EU-Survey. Die Inflation haben die Notenbanken fest im Griff. In Deutschland sank die Inflationsrate im Jänner auf 1,5%, während die Arbeitslosenquote einen neuen Rekordwert erreichte. In Österreich wird sich die Preissteigerung nahe der 2%-Marke stabilisieren. Sie liegt damit unter den Werten der Weichwährungsländer, sodaß der Abwertungsvorsprung dieser Länder wieder ausgeglichen wird, aber deutlich langsamer als nach der Abwertungswelle der frühen achtziger Jahre.
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