19. Dezember 2001 • Dynamische Strukturpolitik als Wachstumsimpuls • Michael Peneder

Das österreichische "Struktur-Performance-Paradoxon" ist Ausgangspunkt einer neuen Untersuchung des WIFO im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Das Paradoxon ergibt sich aus zwei widersprüchlichen empirischen Befunden über die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft: Einerseits weisen zahlreiche makroökonomische Indikatoren auf eine im historischen Verlauf günstige Entwicklung der Volkswirtschaft hin. Andererseits zeigen Befunde auf Branchen- und Sektorebene, dass die Produktionsstrukturen von einem Übergewicht traditioneller, bestenfalls als mittlere Technologiesegmente klassifizierter Industriezweige geprägt sind. Die Studie zeigt, dass ohne Beschleunigung des Strukturwandels Österreich langfristig mit Wachstumseinbußen rechnen muss. Eine dynamische Industriepolitik, die Strukturwandel und technologische Entwicklung forciert, sollte daher zusätzliche Wachstumsimpulse schaffen.

Die Studie belegt, dass technologieorientierte Branchen international ein überdurchschnittliches Nachfrage- und Produktivitätswachstum aufweisen. Darüber hinaus wird empirisch nachgewiesen, dass der Strukturwandel in Richtung technologie- und humankapitalintensiver Branchen einen positiven Einfluss auf Wachstum und Einkommensniveau in der Gesamtwirtschaft ausübt. Im Gegensatz dazu ist die österreichische Wirtschaft vorwiegend auf Branchen mit mittlerem bis niedrigem Technologieniveau spezialisiert. In den technologieorientierten Branchen ist Österreichs Anteil an der Wertschöpfung der EU mit 1,70% (1998) mit Abstand am geringsten, während z. B. der Anteil arbeitsintensiver Branchen bei 3,56% liegt (Abbildung 1). Der durchschnittliche Anteil der gesamten Sachgütererzeugung beträgt 2,75%.

Abbildung 1: Österreichs Anteil an der EU-Sachgütererzeugung nach Branchentypen

Q: Eurostat, WIFO.

Innerhalb dieser traditionellen Produktionsstrukturen sind die österreichischen Unternehmen jedoch auf qualitativ hochwertige Segmente spezialisiert und konnten sich daher in der Vergangenheit gut behaupten. Im Vergleich der langfristigen Entwicklung von 1970 bis 2000 wuchs das reale BIP pro Kopf in Österreich um durchschnittlich 2,7% pro Jahr und damit stärker als in der EU (+2,4%) bzw. in Deutschland (+2,2%). Die Beschäftigung entwickelte sich in diesem Zeitraum mit +0,4% p. a. gleich wie in der EU, aber besser als in Deutschland (+0,3%; Abbildung 2).

Gerade in Zeiten abnehmender Dynamik der Konjunktur könnte eine aktive Industrie- und Strukturpolitik langfristig wirksame Wachstumsimpulse schaffen. Diese sollte sich an drei strategischen Zielen orientieren:

  • dem Zuwachs produktiver Ressourcen durch Ausbildung und Kapitalinvestitionen,
  • der Strukturerneuerung durch Innovation und Unternehmensgründung sowie
  • einer marktorientierten Steuerung durch freien Wettbewerb.

Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt, real

Veränderung gegen das Vorjahr in %, Dreijahresdurchschnitte

Q: OECD, WIFO.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 12/2001 oder der WIFO-Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit: Michael Peneder (Coordinator), Karl Aiginger, Gernot Hutschenreiter, Markus Marterbauer, Structural Change and Economic Growth (2001, 164 Seiten, ATS 500,00 bzw. EUR 36,34; Kurzfassung: "Strukturwandel und Wirtschaftswachstum. Die industriepolitische Bedeutung des österreichischen Struktur-Performance-Paradoxons", 30 Seiten, ATS 250,00 bzw. EUR 18,17; Bestellungen bitte an Christine Kautz, Tel. 01/798 26 01/282, Fax 01/798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at).