6. Februar 2001 • Europäische Forschungsinstitute erwarten Wachstumsabschwächung in Europa • Markus Marterbauer

Der deutliche Wachstumseinbruch in den USA und die eher restriktive Zinspolitik in Europa dämpfen das Wirtschaftswachstum in den EU-Ländern im Jahr 2001 auf 2,8%. Die EZB sollte rasch mit Zinssenkungen reagieren, falls sich die ungünstigen Signale aus Nordamerika verstärken. Die vorgesehenen Steuersenkungen in wichtigen EU-Ländern wirken wachstumsbelebend.

Euroframe, eine Gruppe unabhängiger europäischer Wirtschaftsforschungsinstitute – das WIFO, ETLA (Finnland), OFCE (Frankreich), IfW und DIW (Deutschland), Prometeia (Italien) und NIESR (Großbritannien) – hat im Auftrag des Europäischen Parlaments eine Einschätzung des Konjunkturverlaufs für die Jahre 2001 und 2002 sowie mittelfristig wichtiger wirtschaftspolitischer Herausforderungen erstellt.

In der vorliegenden Prognose wird ein "Soft Landing" in den USA angenommen (BIP 2001 real +2,6%). Gleichzeitig wird auf die massive Zunahme des Risikos eines Einbruchs auf den Aktien- und Immobilienmärkten hingewiesen, der eine stärkere Dämpfung von Konsum und Investitionen nach sich ziehen würde.

In den EU-Länder expandierte das BIP im Jahr 2000 aufgrund der guten Exportnachfrage und optimistischer Unternehmer- und Verbraucherstimmung kräftig (real +3,3%). Die ungünstigeren internationalen Rahmenbedingungen und eine eher restriktive Ausrichtung der europäischen Zinspolitik bewirken nun eine Abschwächung des Wachstums. Für 2001 wird sowohl für die EU als auch für den Euro-Raum mit einem Wachstum von 2,8% gerechnet; ähnlich hoch könnte die Rate 2002 ausfallen. Diese Werte liegen um 0,4 Prozentpunkte unter den Erwartungen der Herbstprognose der Europäischen Kommission. Dennoch bleibt das Wachstum kräftig genug, um eine weitere Beschäftigungsausweitung und einen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu ermöglichen. Die Arbeitslosenquote könnte 2002 in der EU 7,7% erreichen. Die Inflation dürfte (gemessen am HVPI) 2001 aufgrund von Zweitrundeneffekten der vergangenen Hausse der Erdölpreise noch marginal über 2% liegen und im Folgejahr auf 11/2% zurückgehen.

Für Österreich nimmt die Euroframe-Gemeinschaftsprognose ein Wirtschaftswachstum von 2,4% (2001) bzw. 2,7% (2002) an. Diese Rate ist etwas niedriger als gemäß der WIFO-Prognose vom Dezember. Österreich ist damit gemeinsam mit Deutschland, Italien und Dänemark Wachstumsnachzügler.

Die Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten von der EZB rasche und starke Zinssenkungen, sollte sich die Konjunktur in den USA deutlicher als angenommen abschwächen. Für den Euro wird eine Fortsetzung der Aufwertung gegenüber dem Dollar angenommen, Ende 2002 könnte eine Relation von 1,05 $ je Euro erreicht sein.

Die Budgetkonsolidierung ist in den letzten Jahren – auch aufgrund günstiger Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft – gut vorangekommen, im EU-Durchschnitt wurde im Jahr 2000 ein "Nulldefizit" erreicht. Für 2001 sind keine weiteren Konsolidierungsschritte vorgesehen – im Gegenteil, die Fiskalpolitik hat aufgrund von Steuersenkungen in einer Reihe von wichtigen Mitgliedsländern eher expansive Effekte. Dies wirkt der Konjunkturabschwächung entgegen. Für Österreich erwartet die Euroframe-Prognose ein Gelingen der Budgetkonsolidierung. Aufgrund der etwas ungünstigeren Wachstumsannahmen als in der aktuellen WIFO-Prognose ergibt sich ein Finanzierungssaldo des Staates von –0,2% des BIP im Jahr 2002.

Übersicht 1: Wirtschaftsentwicklung in den EU-Ländern 2001 und 2002

 

BIP, real

Beschäftigung

Arbeitslosenquote

Harmonisierter Verbraucherpreisindex

Finanzierungssaldo des Staates

 

2001

2002

2001

2002

2001

2002

2001

2002

2001

2002

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In % des BIP

                     

EU

2,8

2,7

1,2

1,0

7,9

7,7

2,1

1,6

- 0,2

0,1

                     

Euro-Raum

2,8

2,7

1,4

1,2

8,6

8,3

2,2

1,5

- 0,8

- 0,3

                     

Österreich

2,4

2,7

0,9

0,9

3,2

3,2

1,9

1,4

- 0,9

- 0,2

Belgien

2,9

2,9

1,1

1,0

8,1

7,7

1,7

1,3

0,3

0,7

Dänemark

2,2

2,2

0,9

0,9

4,6

4,0

2,1

1,8

2,3

2,6

Finnland

4,5

4,1

1,4

1,4

9,0

8,2

1,7

1,5

4,4

5,6

Frankreich

2,9

2,5

1,9

1,3

9,0

8,7

2,0

1,3

- 1,3

- 1,0

Deutschland

2,4

2,6

0,9

0,7

7,8

7,4

1,6

1,4

- 1,6

- 0,9

Griechenland

4,2

3,7

1,5

1,1

10,7

9,8

3,2

2,6

- 0,4

- 0,1

Irland

7,4

7,1

3,3

3,4

3,9

3,9

4,1

1,7

4,6

4,2

Italien

2,4

2,7

1,3

1,2

9,8

9,4

2,3

1,6

- 1,2

- 0,5

Niederlande

3,3

3,0

1,9

1,2

2,4

2,7

3,6

1,4

1,1

1,3

Portugal

2,9

2,9

1,2

1,6

4,0

4,0

3,0

2,5

- 0,9

- 0,4

Spanien

3,1

2,5

2,3

1,9

13,9

14,0

3,4

2,1

0,0

- 0,2

Schweden

3,2

2,7

1,5

0,8

5,7

5,7

1,8

1,7

3,5

2,5

Großbritannien

3,0

2,6

0,2

0,2

5,3

5,3

1,1

1,6

1,8

1,1

 

BIP, real

Beschäftigung

Arbeitslosenquote

Harmonisierter Verbraucherpreisindex

Finanzierungssaldo des Staates

 

2001

2002

2001

2002

2001

2002

2001

2002

2001

2002

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In % des BIP

                     

EU

2,8

2,7

1,2

1,0

7,9

7,7

2,1

1,6

- 0,2

0,1

                     

Euro-Raum

2,8

2,7

1,4

1,2

8,6

8,3

2,2

1,5

- 0,8

- 0,3

                     

Österreich

2,4

2,7

0,9

0,9

3,2

3,2

1,9

1,4

- 0,9

- 0,2

Belgien

2,9

2,9

1,1

1,0

8,1

7,7

1,7

1,3

0,3

0,7

Dänemark

2,2

2,2

0,9

0,9

4,6

4,0

2,1

1,8

2,3

2,6

Finnland

4,5

4,1

1,4

1,4

9,0

8,2

1,7

1,5

4,4

5,6

Frankreich

2,9

2,5

1,9

1,3

9,0

8,7

2,0

1,3

- 1,3

- 1,0

Deutschland

2,4

2,6

0,9

0,7

7,8

7,4

1,6

1,4

- 1,6

- 0,9

Griechenland

4,2

3,7

1,5

1,1

10,7

9,8

3,2

2,6

- 0,4

- 0,1

Irland

7,4

7,1

3,3

3,4

3,9

3,9

4,1

1,7

4,6

4,2

Italien

2,4

2,7

1,3

1,2

9,8

9,4

2,3

1,6

- 1,2

- 0,5

Niederlande

3,3

3,0

1,9

1,2

2,4

2,7

3,6

1,4

1,1

1,3

Portugal

2,9

2,9

1,2

1,6

4,0

4,0

3,0

2,5

- 0,9

- 0,4

Spanien

3,1

2,5

2,3

1,9

13,9

14,0

3,4

2,1

0,0

- 0,2

Schweden

3,2

2,7

1,5

0,8

5,7

5,7

1,8

1,7

3,5

2,5

Großbritannien

3,0

2,6

0,2

0,2

5,3

5,3

1,1

1,6

1,8

1,1

Anders als herkömmliche Konjunkturprognosen umfasst die Euroframe-Prognose auch Empfehlungen für die mittelfristige Gestaltung der Wirtschaftspolitik. Den Tarifpartnern empfehlen die Institute, die Lohnabschlüsse am mittelfristigen Produktivitätsfortschritt und dem EZB-Ziel für die Inflationsrate zu orientieren.

Die Konjunkturforschungsinstitute sprechen sich überdies für eine Forcierung der Investitionen in neue Technologien, eine weitere Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik und die Intensivierung der Förderung der Beteiligung am Erwerbsleben aus. Die letztere Maßnahme ist auch für die Sicherung der längerfristigen Finanzierungsgrundlagen der Pensionsversicherungssysteme von entscheidender Bedeutung.