WIFO

 

Erhöhte Unsicherheit dämpft Konjunktur

 

Prognose für 2012 und 2013

 

Die Aussichten für die österreichische Wirtschaft haben sich gegenüber der Juni-Prognose zwar verschlechtert, doch ist das Risikoumfeld mitunter sehr differenziert: Außenwirtschaftliche Abwärtsrisiken überwiegen leicht gegenüber inländischen Aufwärtsrisiken. Die heimische Wirtschaft sollte unter diesen Rahmenbedingungen 2012 um 0,6% und 2013 um 1,0% wachsen, wobei die Unsicherheit für 2013 besonders hoch ist.

 

Die Konjunkturprognose entsteht jeweils in Zusammenarbeit aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des WIFO. • Wissenschaftliche Assistenz: Nora Popp, Roswitha Übl • Abgeschlossen am 26. September 2012. • E-Mail-Adresse: Christian.Glocker@wifo.ac.at

 

INHALT

Dynamik der Weltwirtschaft lässt nach

Wirtschaft des Euro-Raumes weiterhin in Rezession

Österreichs Wirtschaft unter dem Eindruck der weltweiten Wachstumsdelle

Bild der Vorlaufindikatoren verschlechtert sich

Außenwirtschaftliche Abwärtsrisiken überwiegen gegenüber inländischen Aufwärtsrisiken

Exporte leiden unter Vertrauens- und Staatsschuldenkrise im Euro-Raum

Investitionen liefern leichte Wachstumsimpulse

Weiterhin gedämpftes Konsumwachstum

Kräftiges Beschäftigungswachstum, Arbeitslosenquote steigt

Inflationsrate knapp über 2%

Finanzierungsbedingungen in Österreich anhaltend günstig

Niedrige Finanzierungskosten entlasten öffentliche Haushalte

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose. 4

Übersicht 2: Annahmen über die internationale Konjunktur 5

Übersicht 3: Produktivität 9

Übersicht 4: Entwicklung der Bruttowertschöpfung. 11

Übersicht 5: Entwicklung der Nachfrage. 14

Übersicht 6: Konsum, Einkommen und Preise. 15

Übersicht 7: Löhne, Wettbewerbsfähigkeit 16

Übersicht 8: Arbeitsmarkt 17

Übersicht 9: Wirtschaftspolitische Bestimmungsfaktoren. 19

Abbildung 1: Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftspolitik. 10

 

 

Das Wachstum der Weltwirtschaft schwächte sich nach einer Belebung zum Jahresbeginn im Frühjahr wieder spürbar ab. Davon war im II. Quartal die Mehrzahl der großen Industrie- und Schwellenländer betroffen. Die Vertrauens- und Schuldenkrise im Euro-Raum ist für diese Entwicklung nur teilweise maßgebend. Auch viele Industrieländer außerhalb des Euro-Raumes sind von einem hohen Maß an makroökonomischen Ungleichgewichten geprägt und haben in ähnlicher Form wie die südeuropäischen Länder gesamtwirtschaftliche Fehlentwicklungen zu bewältigen. Zudem sind in einigen Schwellenländern zuletzt interne Probleme deutlicher in den Vordergrund getreten.

Der Abschwung der Weltkonjunktur und eine erneute Zuspitzung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum prägten seit dem Frühjahr das Geschehen auf den internationalen Finanzmärkten. Im Mittelpunkt standen für Europa die Besorgnis über Spaniens Bankensystem und die öffentlichen Haushalte in einigen Euro-Ländern. Während sich die Finanzierungsbedingungen für Banken und Staaten auf den südeuropäischen Kapitalmärkten zunächst weiter verschlechterten, drückten "Safe-Haven"-Kapitalflüsse die Renditen vor allem in Deutschland, Finnland, den Niederlanden und Österreich. Diese Entwicklung zeigte sich in Form von außergewöhnlich hohen Risikoprämien auf dem Sekundärmarkt für Staatsanleihen. Als Reaktion darauf beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang September die Möglichkeit zu unbeschränkten Staatsanleihekäufen im Rahmen von Outright Monetary Transactions (OMT). Unmittelbar nach der Ankündigung dieser Maßnahme verringerten sich die Zinssätze auf dem Sekundärmarkt für Staatsanleihen südeuropäischer Länder deutlich. Die unbeschränkten OMT der EZB werden wohl das Vertrauen in den Euro als stabile Währung zumindest vorübergehend stärken und das Ausmaß der Kapitalflucht aus Südeuropa dämpfen. Unter diesen Rahmenbedingungen könnte sich das wirtschaftliche Umfeld so verändern, dass auch in Europa im Jahr 2013 leicht aufwärtsgerichtete Kräfte zunehmen. 2012 erwartet das WIFO im Euro-Raum insgesamt einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. 2013 sollte sich ein verhaltener Anstieg ergeben.

Österreichs Wirtschaft kann sich von der internationalen Dynamik nicht ganz entkoppeln, wie die Stagnation der Exporte seit Mitte 2011 zeigt. Im Gegensatz zum Krisenjahr 2009 blieb jedoch die Inlandsnachfrage verhältnismäßig stabil. Das WIFO geht in der vorliegenden Prognose von einem Wachstum der österreichischen Wirtschaft im Jahr 2012 von 0,6% aus. Auch 2013 wird Österreich mit einer Rate von +1,0% zu den Wachstumsmotoren im Euro-Raum zählen. Gegenüber der Prognose vom Juni 2012 revidiert das WIFO seine Einschätzung für das Jahr 2013 aufgrund der Verschlechterung des internationalen Umfeldes leicht nach unten.

Die Aussichten für die österreichische Wirtschaft haben sich gegenüber der Juni-Prognose zwar verschlechtert, doch ist das Risikoumfeld mitunter sehr differenziert. Vor allem aktuelle internationale Entwicklungen bedeuten ein hohes Risiko sowohl für den heimischen Finanzsektor als auch für die Realwirtschaft. Verhältnismäßig gut entwickelt sich die Arbeitskräftenachfrage in Österreich. Aufgrund des Verlaufes seit Jahresbeginn ist 2012 insgesamt mit einer Ausweitung der Beschäftigung um 1,5% zu rechnen. 2013 dürfte sich die Dynamik auf +0,5% verlangsamen. Die Arbeitslosenquote wird im Jahr 2012 nach nationaler Berechnungsmethode auf 7,0% steigen und sich 2013 weiter erhöhen.

 

Übersicht 1: Hauptergebnisse der Prognose

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Bruttoinlandsprodukt

 

 

 

 

 

 

Real

+1,4

3,8

+2,1

+2,7

+0,6

+1,0

Nominell

+3,2

2,3

+3,7

+5,0

+2,5

+2,6

Herstellung von Waren1), real

+1,1

12,7

+7,0

+8,2

+0,5

+2,5

Handel, real

2,1

0,3

+1,4

+1,3

0,4

+0,5

Private Konsumausgaben, real

+0,7

+1,1

+1,7

+0,7

+0,6

+0,7

Bruttoanlageinvestitionen, real

+0,7

7,8

+0,8

+7,3

+1,1

+1,5

Ausrüstungen

0,4

10,6

+6,0

+12,1

+1,0

+2,5

Bauten

+0,9

7,1

2,7

+4,4

+1,1

+0,6

Warenexporte2)

 

 

 

 

 

 

Real

+0,5

18,3

+13,0

+7,9

+0,8

+4,3

Nominell

+2,5

20,2

+16,7

+11,3

+1,7

+4,5

Warenimporte2)

 

 

 

 

 

 

Real

+0,6

14,1

+10,9

+8,5

0,3

+4,0

Nominell

+4,7

18,4

+16,5

+15,3

+1,0

+4,5

Leistungsbilanzsaldo           Mrd. €

+13,76

+7,49

+8,62

+5,86

+6,95

+8,14

                in % des BIP

+4,9

+2,7

+3,0

+1,9

+2,3

+2,6

Sekundärmarktrendite3)      in %

4,4

3,9

3,2

3,3

2,4

2,0

Verbraucherpreise

+3,2

+0,5

+1,9

+3,3

+2,3

+2,1

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

In % der Erwerbspersonen (Eurostat)4)

3,8

4,8

4,4

4,2

4,4

4,8

In % der unselbständigen Erwerbspersonen5)

5,9

7,2

6,9

6,7

7,0

7,4

Unselbständig aktiv Beschäftigte6)

+1,7

1,5

+0,8

+1,9

+1,5

+0,5

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition)  in % des BIP

0,9

4,1

4,5

2,6

2,9

2,6

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. 2) Laut Statistik Austria. 3) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). 4) Labour Force Survey. 5) Arbeitslose laut Arbeitsmarktservice. 6) Ohne Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ohne Präsenzdiener.

 

 

Dynamik der Weltwirtschaft lässt nach

Die Weltwirtschaft wuchs im I. Quartal 2012 mit +3,6%[a]) wesentlich stärker als erwartet. Ein Großteil dieser positiven Entwicklung ist auf temporäre Faktoren zurückzuführen, wie z. B. die Lockerung der Finanzierungskosten und die teilweise Stärkung des Vertrauens als Reaktion auf die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Jahresbeginn. Im II. Quartal verlor die Weltwirtschaft hingegen deutlich an Schwung. Vor allem die zunehmenden Spannungen auf den europäischen Finanzmärkten dämpften den weltweiten Handel und erhöhten die Volatilität auf den internationalen Finanzmärkten. Doch sind auch viele Industrieländer außerhalb des Euro-Raumes von einem hohen Maß an makroökonomischen Ungleichgewichten geprägt und haben in ähnlicher Form wie Länder an der europäischen Peripherie gesamtwirtschaftliche Fehlentwicklungen zu bewältigen. Zudem traten zuletzt in einigen Schwellenländern wachstumshemmende Friktionen deutlicher in den Vordergrund.

Trotz eines starken Anstieges der Beschäftigung im Juli liegt die Arbeitslosenquote in den USA weiterhin über der 8%-Marke. Die Lage im Immobiliensektor stabilisiert sich. Die Notenbank setzt weitere konjunkturstützende Maßnahmen.

In den USA blieb zwar die Grunddynamik der Konjunktur in der ersten Jahreshälfte 2012 stabil, die Entwicklung ist aber derzeit von einem deutlich geringeren Schwung geprägt als im Vorjahr. Die wichtigste Stütze der Expansion war im I. und II. Quartal 2012 der private Konsum. Nach der stetigen Aufwärtsbewegung der Sparquote der privaten Haushalte seit Jahresbeginn im Zuge des Entschuldungsprozesses dürfte sich der Konsum im Prognosezeitraum unterdurchschnittlich entwickeln.

Erst die Hälfte der über 8 Mio. Arbeitsplätze, die während der Finanzmarktkrise verlorengegangen waren, wurde bisher neu geschaffen; vor diesem Hintergrund lancierte die Notenbank (Fed) Mitte September ein weiteres umfangreiches expansives Programm zur Belebung der Wirtschaft[b]). Darüber hinaus kündigte die Fed an, den Leitzinssatz noch mindestens bis Mitte 2015 nahe Null halten zu wollen. Die Frist wurde damit um ein halbes Jahr verlängert, um die Signalwirkung niedriger Zinssätze zusätzlich zu verstärken.

 

Übersicht 2: Annahmen über die internationale Konjunktur

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Bruttoinlandsprodukt, real

 

 

 

 

 

 

Welt

+2,8

0,7

+5,3

+3,9

+3,1

+3,3

USA

0,3

3,1

+2,4

+1,8

+2,2

+1,8

Japan

1,0

5,5

+4,5

0,8

+1,4

+1,5

EU 27

+0,3

4,3

+2,1

+1,5

0,2

+0,6

Euro-Raum (17 Länder)1)

+0,4

4,4

+2,0

+1,4

0,4

+0,4

Deutschland

+1,1

5,1

+4,2

+3,1

+0,8

+1,1

Neue EU-Länder2)

+4,2

3,2

+2,3

+3,2

+1,3

+2,1

China

+9,6

+9,2

+10,4

+9,3

+8,0

+7,0

Welthandel, real

+2,3

12,7

+15,2

+5,8

+3,5

+4,8

Marktwachstum Österreichs3)

+3,0

11,4

+11,7

+6,1

+1,8

+4,0

 

 

 

 

 

 

 

Weltmarkt-Rohstoffpreise4)

+32,7

34,7

+28,9

+28,6

4

+3

Ohne Rohöl

+18,7

28,4

+31,9

+19,2

15

+15

Erdölpreis             Brent, $ je Barrel

97,0

61,5

79,5

111,3

110

110

Wechselkurs5)      $ je Euro

1,471

1,393

1,327

1,392

1,25

1,25

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern. 2) Bulgarien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn. 3) Veränderungsrate der realen Importe der Partnerländer gewichtet mit österreichischen Exportanteilen. 4) HWWI-Index, auf Dollar-Basis. 5) Monatsdurchschnitte.

 

Diese Politikmaßnahme scheint auch hinsichtlich des allgemeinen Bildes der Vorlaufindikatoren nicht überraschend. Die Stimmung von Unternehmen und privaten Haushalten trübte sich in den vergangenen Monaten wieder leicht ein, nachdem sich zu Jahresbeginn eine Beschleunigung der Erholung abgezeichnet hatte. Belastend dürfte die Unsicherheit über die Finanzpolitik im nächsten Jahr wirken. Die Zunahme von Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung der Unternehmen hielt zuletzt nicht an. Deutlich positive Signale kommen hingegen vom Immobilienmarkt, Indikatoren wie der Case-Shiller-Index deuten auf eine Stabilisierung der Immobilienpreise hin.

2012 dürfte sich die Expansion in den USA noch nicht wesentlich verlangsamen. Das stabile Wirtschaftsklima sollte vor allem dem privaten Konsum zugute kommen. Daher rechnet das WIFO mit einem Wirtschaftswachstum von real 2,2%. 2013 dürfte in Anbetracht des nach wie vor hohen Defizits zumindest die Fiskalpolitik restriktiver werden. In der Folge wird sich das Wachstum leicht auf 1,8% verringern. Die Wirtschaftspolitik der USA bleibt deutlich expansiver ausgerichtet als im Euro-Raum. Der Leitzinssatz ist in den USA anhaltend niedriger, und der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte liegt heuer bei rund 8% des BIP (Euro-Raum rund 3%). Die Wirtschaft wächst damit in den USA wesentlich stärker als im Euro-Raum, aber erheblich langsamer als in der Vergangenheit.

In einigen Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas kündigen die vorlaufenden Indikatoren eine Abkühlung der Konjunktur an.

Die lateinamerikanischen Schwellenländer verzeichneten im 1. Halbjahr 2012 aufgrund der Schwäche der Nachfrage aus dem Euro-Raum ein Nachlassen des Exportzuwachses. Zugleich waren die Kapitalzuflüsse in diese Volkswirtschaften sehr volatil, was die Finanzmärkte und das Kreditangebot belastete. Dem begegneten die meisten Zentralbanken der Region, insbesondere in Brasilien, mit einer schrittweisen Senkung der Leitzinssätze. Ferner wurden einige makroprudentielle Maßnahmen verschärft, um die Finanzmarktstabilität zu gewährleisten. Im Prognosezeitraum dürfte die Geldpolitik wesentlich weniger restriktiv sein als im Sommer 2011. Dies sollte zusammen mit den nach wie vor hohen Einkommenszuwächsen die Binnennachfrage kräftig expandieren lassen.

In China verlor die Wirtschaft seit Anfang 2012 deutlich an Dynamik. Bestimmend waren hier zum einen die eher verhaltenen Investitionen und zum anderen die geringe Auslandsnachfrage infolge der Euro-Krise. Auch im 2. Halbjahr 2012 dürfte die Expansion das Tempo der Jahre 2010 und 2011 nicht erreichen darauf deutet die Mehrzahl der Frühindikatoren hin. Den größten Wachstumsbeitrag dürfte die Investitionsnachfrage liefern, vor allem aufgrund der umfangreichen staatlichen Förderprogramme. Auch der Konsum der privaten Haushalte wird dank der anhaltenden kräftigen Steigerung der Pro-Kopf-Einkommen zunehmen. Ähnlich wie in China deuten die vorlaufenden Indikatoren für eine Reihe weiterer asiatischer Schwellenländer auf ein allmähliches Nachlassen der bislang kräftigen Wachstumsdynamik hin. Nicht zuletzt werden diese Volkswirtschaften von der seit mehreren Jahren zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung mit China sowie untereinander profitieren. Entsprechend wird die Dynamik der aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens auch im Prognosezeitraum deutlich kräftiger sein als in industrialisierten Ländern.

Wirtschaft des Euro-Raumes weiterhin in Rezession

In der EU belasten der Verlust an Vertrauen in die öffentlichen Finanzen und das Finanzsystem sowie die drastischen Konsolidierungsprogramme in vielen Ländern weiterhin die Wirtschaft. Trotz der jüngst von der EZB beschlossenen Möglichkeit zu unbeschränkten Staatsanleihekäufen im Rahmen von Outright Monetary Transactions (OMT) sind die Renditen der Staatsanleihen von Irland und den meisten südeuropäischen Ländern nach wie vor hoch, sodass die langfristige Stabilisierung der Staatsschuld schwierig erscheint. Die anhaltende Unsicherheit von privaten Haushalten und Unternehmen dämpft den Ausblick.

Der Euro-Raum befindet sich seit dem III. Quartal 2011 faktisch in einer Rezession. Diese resultiert vor allem aus einem deutlichen Rückgang der privaten Nachfrage. Gedämpft wird die Binnennachfrage durch die makroökonomische Verunsicherung angesichts der Zuspitzung der europäischen Staatsschuldenkrise; diese Tendenz wird zusätzlich durch umfangreiche fiskalpolitische Konsolidierungsmaßnahmen beschleunigt. Der Außenhandel lieferte bis zuletzt noch leicht positive Impulse, allerdings nur weil sich die Importe deutlich schlechter entwickelten als die Exporte. Der erhebliche Importrückgang resultierte ebenfalls aus der Schwäche der Binnennachfrage.

Die Konjunktur ist in den einzelnen Euro-Ländern zunehmend heterogen. So mussten Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien die Konsolidierungsbemühungen schrittweise verstärken[c]), da entweder der Druck durch die Finanzmärkte zunahm oder die ursprünglichen Sparziele aufgrund der Rezession verfehlt wurden. Auch die Kreditvergabe war in den Krisenländern deutlich restriktiver als in den anderen Ländern der Währungsunion. Die Banken leiden in diesen Ländern besonders unter dem Kursverlust der Staatsanleihen, aber auch unter einem hohen Maß an makrofinanziellen Risiken.

Die Verschärfung der europäischen Staatsschuldenkrise und die Erhöhung des finanzpolitischen Restriktionsgrades prägen auch die aktuelle Arbeitsmarktentwicklung im Euro-Raum: Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 10,0% im Juni 2011 auf 11,3% im Juli 2012. Allerdings verlief die Entwicklung in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. So war die Arbeitslosigkeit in den vergangenen zwölf Monaten in den Ländern mit relativ flexiblem Arbeitsmarkt, günstiger Branchenstruktur und soliden öffentlichen und privaten Finanzen (Deutschland und Finnland) tendenziell leicht rückläufig, während sie in den unter Strukturschwächen leidenden Krisenländern Griechenland, Portugal, Spanien und Italien kräftig zunahm.

Die äußerst restriktive Finanzpolitik, die hohe Unsicherheit sowie die massiven Strukturprobleme vieler Mitgliedsländer werden die Binnennachfrage weiterhin erheblich belasten. Die jüngst von der EZB beschlossenen Maßnahmen zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen (Outright Monetary Transactions OMT) werden wohl langfristig die Asymmetrie der Konjunktur zwischen den Euro-Ländern nicht dämpfen können. Kurzfristig hingegen gaben die Renditen auf Staatsanleihen der südlichen Euro-Länder bereits unmittelbar nach der Ankündigung der neuen Maßnahmen erheblich nach[d]).

Unter diesen Rahmenbedingungen könnte sich das wirtschaftliche Umfeld so ändern, dass auch in Europa im Jahr 2013 leicht aufwärtsgerichtete Kräfte zunehmen. 2012 erwartet das WIFO im Euro-Raum insgesamt einen Rückgang der Wirtschaftsleistung, 2013 einen verhaltenen Anstieg.

Österreichs Wirtschaft unter dem Eindruck der weltweiten Wachstumsdelle

Trotz einer deutlichen Wachstumsabschwächung im II. Quartal gegenüber dem Vorquartal entwickelt sich die heimische Wirtschaft angesichts der Rezession im Euro-Raum relativ günstig. Die Unsicherheit infolge der Krise der Europäischen Währungsunion und die drastischen Konsolidierungsmaßnahmen der öffentlichen Haushalte schwächen die Exporte in die EU-Länder.

Ähnlich wie in Deutschland konnte sich die Wirtschaft auch in Österreich bislang von der Krise im Euro-Raum etwas abkoppeln. Laut den aktuellen BIP-Daten wuchs das BIP im I. Quartal 2012 gegenüber dem Vorquartal um 0,5% und im II. Quartal um 0,1%. Die Entwicklung war im 1. Halbjahr 2012 von einer stabilen Konsumnachfrage und einem ausgeprägten Investitionszyklus geprägt. Die Nettoexporte lieferten im I. Quartal noch einen signifikant positiven Wachstumsbeitrag. Im II. Quartal stagnierten sie aufgrund einer deutlichen Beschleunigung der Importausweitung. Das Wirtschaftswachstum stützte sich somit im 1. Halbjahr sowohl auf die inländische als auch wenn auch deutlich geringer auf die ausländische Nachfrage. Österreich zählte daher im 1. Halbjahr 2012 weiterhin zu den Stützen der Konjunktur im Euro-Raum.

 

Übersicht 3: Produktivität

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Gesamtwirtschaft

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt, real

+1,4

3,8

+2,1

+2,7

+0,6

+1,0

Erwerbstätige1)

+2,1

0,9

+0,7

+1,8

+1,4

+0,7

Produktivität (BIP je Erwerbstätigen)

0,7

2,9

+1,4

+0,9

0,9

+0,3

 

 

 

 

 

 

 

Herstellung von Waren

 

 

 

 

 

 

Produktion2)

+0,7

13,0

+7,2

+8,5

+0,5

+2,5

Beschäftigte3)

+1,7

5,3

1,3

+1,9

+1,8

+0,3

Stundenproduktivität4)

0,5

4,7

+5,4

+6,7

+0,2

+1,7

Geleistete Arbeitszeit je Beschäftigten5)

0,5

3,5

+3,0

0,1

1,5

+0,5

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Unselbständige (Beschäftigungsverhältnisse) und Selbständige laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung. 2) Nettoproduktionswert, real. 3) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Bruch 2007/08 wegen Umstellung der Wirtschaftsklassifikation auf ÖNACE 2008, 2008: WIFO-Schätzung. 4) Produktion je geleistete Beschäftigtenstunde. 5) Laut Konjunkturerhebung von Statistik Austria.

 

In den letzten Monaten trat kein wesentlicher weltweiter makroökonomischer Schock ein, den die WIFO-Prognose von Ende Juni nicht schon berücksichtigt hätte. Wie im Juni unterstellt die vorliegende Prognose ein schrittweises Auslaufen der europäischen Vertrauenskrise, sodass die Wirtschaftsentwicklung sich in Österreich wie im Euro-Raum normalisiert. Die Rückkehr zu dieser Aufwärtsbewegung verläuft jedoch keineswegs linear: Zwar verringerte sich das Zinsdifferential für Staatsanleihen im Euro-Raum wieder, andererseits weist die jüngste Entwicklung verschiedener Vertrauensindikatoren abermals auf ein erhöhtes Maß an Unsicherheit hin.

 

Abbildung 1: Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftspolitik

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Ohne Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ohne Präsenzdiener, ohne in der Beschäftigungsstatistik erfasste Arbeitslose in Schulung; Bruch 2007/08 wegen Umstellung in der Beschäftigtenstatistik. 2) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark).

 

Bild der Vorlaufindikatoren verschlechtert sich

Das allgemeine Bild der Frühindikatoren ist schon seit einigen Monaten von einer signifikanten Abwärtsbewegung geprägt. Laut WIFO-Konjunkturtest sind die Beurteilung der aktuellen Lage und die unternehmerischen Erwartungen in fast allen Branchen negativ. Nur die Bauunternehmen beurteilen die aktuelle Lage noch positiv, die Erwartungen liegen weiterhin etwas über dem langfristigen Durchschnitt, obwohl seit einigen Monaten auch hier eine Abschwächung festzustellen ist. Die Industrieproduktion nahm zwar (saisonbereinigt) im April und Mai zu, ging aber dann vor allem im Juli merklich zurück. Die Auftragseingänge sinken sowohl insgesamt als auch in der Exportwirtschaft seit Mitte 2011.

 

Übersicht 4: Entwicklung der Bruttowertschöpfung

Zu Herstellungspreisen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2010

2011

2012

2013

2010

2011

2012

2013

 

Mrd. € (Referenzjahr 2005)

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Real (berechnet auf Basis von Vorjahrespreisen)

 

 

 

 

 

 

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

3,36

3,88

3,57

3,57

4,3

+15,3

8,0

±0,0

Herstellung von Waren einschließlich Bergbau

47,67

51,59

51,84

53,14

+7,0

+8,2

+0,5

+2,5

Energie- und Wasserversorgung, Abfallentsorgung

6,44

6,97

7,07

7,21

3,3

+8,2

+1,5

+2,0

Bau

14,17

14,66

14,83

14,92

2,5

+3,5

+1,1

+0,6

Handel, Kfz

29,84

30,22

30,10

30,25

+1,4

+1,3

0,4

+0,5

Verkehr

10,56

10,66

10,61

10,56

0,7

+1,0

0,5

0,5

Beherbergung und Gastronomie

11,07

11,21

11,36

11,55

+1,4

+1,3

+1,3

+1,7

Information und Kommunikation

8,15

8,08

8,08

8,08

0,9

0,9

±0,0

±0,0

Kredit- und Versicherungswesen

15,43

15,64

15,41

15,56

+5,4

+1,4

1,5

+1,0

Grundstücks- und Wohnungswesen

22,72

23,30

23,81

24,05

+2,6

+2,6

+2,2

+1,0

Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen1)

21,05

21,50

21,83

22,20

+4,1

+2,2

+1,5

+1,7

Öffentliche Verwaltung2)

40,61

40,88

41,29

41,29

+0,8

+0,7

+1,0

±0,0

Sonstige Dienstleistungen

6,57

6,57

6,64

6,70

+1,3

0,0

+1,0

+1,0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wertschöpfung der Wirtschaftsbereiche3)

237,50

244,96

246,30

248,86

+2,2

+3,1

+0,5

+1,0

Bruttoinlandsprodukt

262,61

269,69

271,18

273,93

+2,1

+2,7

+0,6

+1,0

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen, technischen und sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (ÖNACE 2008, Abschnitte M bis N). 2) Einschließlich Sozialversicherung, Verteidigung, Erziehung, Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen (ÖNACE 2008, Abschnitte O bis Q). 3) Vor Abzug der Gütersubventionen und vor Zurechnung der Gütersteuern.

 

Die wichtigsten Vertrauensindikatoren verschlechterten sich zuletzt deutlich. Der Einkaufsmanagerindex der Bank Austria sank im August auf den niedrigsten Wert seit Mitte 2009 und zeigte den zweiten Monat in Folge ein Schrumpfen der österreichischen Industrieproduktion an. Der Economic Sentiment Indicator der Europäischen Kommission ging im August zum dritten Mal in Folge zurück.

Außenwirtschaftliche Abwärtsrisiken überwiegen gegenüber inländischen Aufwärtsrisiken

Die makroökonomische Unsicherheit dürfte somit im Prognosezeitraum wesentlich größer sein als im langfristigen Durchschnitt und damit die Wirtschaftsentwicklung in Österreich belasten: In einem als sehr unsicher empfundenen Umfeld neigen viele Unternehmen dazu, Investitionsprojekte zurückzustellen. Auch sind viele Haushalte aus Vorsichtsmotiven bezüglich ihrer Konsumausgaben zurückhaltend. Darüber hinaus hat eine Zunahme der Unsicherheit typischerweise eine Verknappung des Kreditangebotes und eine Verschärfung der Kreditvergabestandards zur Folge.

Die Aussichten der österreichischen Wirtschaft haben sich gegenüber dem letzten Prognosetermin Ende Juni zwar verschlechtert, doch ist das Risikoumfeld mitunter sehr differenziert. Obwohl die Vorlaufindikatoren aufgrund der anhaltenden Krise im Euro-Raum insgesamt ein sehr trübes Bild wiedergeben, sind die binnenwirtschaftlichen Risiken für die heimische Konjunktur leicht positiv. Das anhaltend kräftige Beschäftigungswachstum könnte die Lohnsumme und somit das verfügbare Einkommen weiter stärken und bei über den Prognosezeitraum konstant niedriger Sparquote die Entwicklung des privaten Konsums unterstützen. Für die Investitionen ergibt sich ebenfalls ein Aufwärtsrisiko, und zwar einerseits aufgrund der nach wie vor günstigen Finanzierungsmöglichkeiten und andererseits aufgrund der guten finanziellen Ausstattung der Unternehmen.

Die außenwirtschaftlichen Risiken für das Wachstum sind dagegen deutlich abwärts gerichtet. Aus den aktuellen internationalen Tendenzen ergibt sich ein anhaltendes Risiko sowohl für den heimischen Finanzsektor als auch für die Realwirtschaft. Vor allem auf den für die österreichische Wirtschaft wichtigen Absatzmärkten dämpft die Schwäche der Binnennachfrage die Exportmöglichkeiten.

Das WIFO prognostiziert vor diesem Hintergrund für 2012 ein Wachstum der heimischen Wirtschaft von 0,6%. Gegenüber der Prognose vom Juni 2012 ergibt sich somit für das laufende Jahr keine Revision. Die Erwartungen für die Zukunft sind hingegen ungünstiger als zuletzt. Die BIP-Prognose für das Jahr 2013 wird leicht auf +1,0% zurückgenommen. Das WIFO rechnet jedoch nach wie vor mit wirksamen Maßnahmen der Euro-Länder, die nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig zur Lösung der Probleme beitragen, sodass die herrschenden Unsicherheiten auf den Märkten bewältigt werden können und die Konjunktur wieder an Schwung gewinnt.

Exporte leiden unter Vertrauens- und Staatsschuldenkrise im Euro-Raum

Die österreichische Exportwirtschaft entwickelte sich vor allem unmittelbar nach der Finanzmarktkrise 2009 sehr positiv, weil die Nachfrage sowohl aus der EU als auch aus Drittländern dynamisch stieg. Die Abschwächung des Wirtschaftswachstums und die Zunahme der Arbeitslosigkeit im Gefolge der anhaltenden Staatsschuldenkrise und der verstärkten Sparanstrengungen im Euro-Raum brachten jedoch über Handelsverflechtungen negative Effekte auch für die heimische Volkswirtschaft mit sich. Die nach wie vor kräftige Steigerung der Ausfuhr in Drittländer gleicht den Rückgang der Exporte in die EU-Länder nicht ganz aus.

Laut OeNB-Exportindikator vom August 2012 wuchsen die nominellen Güterexporte auch Mitte 2012 verhalten. Gedämpft werden sie weiterhin vor allem durch die Rezession auf wichtigen europäischen Absatzmärkten wie Italien, Tschechien oder Ungarn, während sich die Exporte in Drittländer deutlich besser entwickeln.

Die aktuelle Prognose basiert auf der Annahme, dass sich die Ursachen der Vertrauenskrise in Form von tiefgreifenden Anpassungsprozessen über den Prognosehorizont kontinuierlich auflösen. Das Anziehen der internationalen Konjunktur wird die Exporte vor allem 2013 merklich beleben. Für das Jahr 2012 prognostiziert das WIFO einen noch sehr verhaltenen Anstieg der Exporte (real +0,8%), für 2013 wieder eine kräftigere Zunahme (real +4,2%).

Die Importe stagnierten im I. Quartal 2012 real, wohl weil die hohen Energiepreise die Einfuhr wesentlich verteuerten. Angesichts der hohen Importpreise von Energie, insbesondere Erdöl, bezogen viele Importeure weniger Investitions- und Konsumgüter aus dem Ausland und bauten stattdessen verstärkt Lagerbestände ab. Im II. Quartal wurden die Importe gegenüber dem Vorquartal um 0,3% ausgeweitet. Für das Jahr 2012 rechnet das WIFO aufgrund der trägen Binnennachfrage und der schwachen Exportentwicklung[e]) insgesamt mit einem leichten Anstieg der Einfuhr (real +0,5%). Mit dem Anziehen der Konjunktur im Folgejahr werden aber auch die Importe wieder an Schwung gewinnen (real +3,7%).

Die Terms-of-Trade[f]) sanken im I. Quartal 2012, vor allem weil sich die Importpreise durch die Verteuerung der Energierohstoffe kräftig erhöhten. Da sich die Energiepreise in der Folge kaum veränderten, setzte sich diese Entwicklung im II. Quartal nur verhalten fort. Aufgrund des aktuellen Anstieges der Preise von Industrierohstoffen und Rohöl seit Anfang Juni wird die Abwärtsbewegung der Terms-of-Trade im III. und IV. Quartal anhalten. Unter den Prognoseannahmen für die internationale Konjunktur werden sich die Terms-of-Trade 2012 und 2013 jeweils geringfügig verändern. Diese Entwicklung stärkt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft. Vorübergehend erhöht ein Rückgang der Terms-of-Trade aufgrund des Preiseffektes zwar das Handelsbilanzdefizit. Der sich in Folge ergebende Mengeneffekt sollte aber langfristig eine Verbesserung der Außenhandelsbilanz mit sich bringen.

Investitionen liefern leichte Wachstumsimpulse

Der massive Rückgang der Investitionen im Zuge der Finanzmarktkrise hatte einen hohen Nachholbedarf zur Folge. Seit 2010 ergab sich somit ein ausgeprägter Investitionszyklus. 2011 wuchsen die Bruttoanlageinvestitionen um 7,3%, die Ausrüstungsinvestitionen sogar um 12,1%. Für diese Entwicklung waren mehrere Faktoren entscheidend: die günstige Innenfinanzierungssituation der Unternehmen, die im langfristigen Vergleich niedrigen externen Finanzierungskosten, der Bedarf an Ersatzinvestitionen nach der zwei Jahre anhaltenden Investitionszurückhaltung und vor allem die überdurchschnittliche Kapazitätsauslastung angesichts der günstigen Konjunkturlage und des positiven Konjunkturausblickes. In dieser Situation wurden nicht nur die Bestandsinvestitionen, sondern auch die Erweiterungsinvestitionen verstärkt.

Die Prognose der Investitionsentwicklung ist derzeit sehr schwierig, weil sich verschiedene Bestimmungsfaktoren gegenläufig entwickeln:

·          Einerseits schwächt das Nachlassen der internationalen Dynamik seit Mitte 2011 die Absatzmöglichkeiten und macht damit vor allem Erweiterungsinvestitionen nicht notwendig. Angesichts der zuletzt wieder zunehmenden Unsicherheit schieben Unternehmen ihre Investitionsprojekte auf. Darüber hinaus haben die Investitionen aufgrund der hohen Dynamik der letzten Jahre bereits einen gewissen Sättigungsgrad erreicht. Vor diesem Hintergrund ist mit einer leichten Abschwächung der Investitionsdynamik zu rechnen.

·          Andererseits bildet jedoch die Finanzierungsseite sowohl Innen- als auch Außenfinanzierung nach wie vor ein sehr attraktives Umfeld für eine Ausweitung der Investitionstätigkeit.

Vor diesem Hintergrund prognostiziert das WIFO eine zwar positive, aber im langfristigen Vergleich verhaltene Investitionsdynamik und somit eine leichte Abschwächung im Investitionszyklus (Bruttoanlageinvestitionen 2012 +1,1%, 2013 +1,5%). Unter der Annahme einer schrittweisen Auflösung der Euro-Krise in den kommenden Jahren dürften die zurückgestellten Investitionen zügig nachgeholt werden. Da der Lagerabbau noch anhält, werden die Bruttoinvestitionen deutlich schwächer zunehmen. Die Prognose einer gedämpften Investitionsentwicklung im Jahr 2012 steht im Einklang mit den Ergebnissen des WIFO-Investitionstests: Im Frühjahr 2012 gaben 44% der befragten Unternehmen der Warenproduktion an, die Investitionen gegenüber dem Vorjahr einschränken zu wollen. 48% planten für 2012 eine Ausweitung, 8% rechneten mit einem unveränderten Volumen.

 

Übersicht 5: Entwicklung der Nachfrage

Zu Herstellungspreisen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2010

2011

2012

2013

2010

2011

2012

2013

 

Mrd. € (Referenzjahr 2005)

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Real (berechnet auf Basis von Vorjahrespreisen)

 

 

 

 

 

 

Konsumausgaben insgesamt

192,94

193,97

195,56

196,59

+1,3

+0,5

+0,8

+0,5

Private Haushalte1)

143,34

144,34

145,19

146,22

+1,7

+0,7

+0,6

+0,7

Staat

49,62

49,65

50,39

50,39

+0,2

+0,1

+1,5

±0,0

Bruttoinvestitionen

54,64

59,88

59,85

60,43

+3,8

+9,6

0,1

+1,0

Bruttoanlageinvestitionen

52,38

56,18

56,77

57,62

+0,8

+7,3

+1,1

+1,5

Ausrüstungen

20,74

23,26

23,49

24,08

+6,0

+12,1

+1,0

+2,5

Bauten

26,90

28,09

28,40

28,57

2,7

+4,4

+1,1

+0,6

Inländische Verwendung

248,04

254,26

255,17

256,79

+1,8

+2,5

+0,4

+0,6

Exporte

144,09

154,51

155,80

162,34

+8,7

+7,2

+0,8

+4,2

Reiseverkehr

11,75

11,77

11,94

12,18

+0,1

+0,1

+1,5

+2,0

Minus Importe

129,85

139,25

139,96

145,17

+8,8

+7,2

+0,5

+3,7

Reiseverkehr

5,92

5,62

5,91

6,02

1,8

5,0

+5,0

+2,0

Bruttoinlandsprodukt

262,61

269,69

271,18

273,93

+2,1

+2,7

+0,6

+1,0

Nominell

286,40

300,71

308,24

316,16

+3,7

+5,0

+2,5

+2,6

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

 

Die öffentlichen Investitionen werden die Folgen der fiskalischen Konsolidierungsanstrengungen deutlich widerspiegeln und über den Prognosehorizont dem gesamtstaatlichen Konsolidierungsverlauf folgen. Die öffentlichen Investitionen machen allerdings nur rund 5% der Gesamtinvestitionen aus.

Weiterhin gedämpftes Konsumwachstum

Die träge Zunahme des realen Konsums der privaten Haushalte aus dem Jahr 2011 setzte sich im 1. Halbjahr 2012 fort. 2011 waren dafür vor allem der außergewöhnlich starke Verbraucherpreisauftrieb und das in der Folge niedrige verfügbare reale Haushaltseinkommen bestimmend gewesen. Im II. Quartal 2012 stagnierte der Konsum der privaten Haushalte zum zweiten Mal in Folge. Da die Vorlaufindikatoren für den privaten Konsum keine Tendenzwende ankündigen, ist in den kommenden Monaten mit einem anhaltend trägen Konsumprofil zu rechnen. Vor allem die kräftige Abwärtsbewegung des Indikators für das Verbrauchervertrauen aus dem Konjunkturtest der Europäischen Kommission weist auf eine verhaltene Entwicklung hin. Auch werden die psychologischen Aspekte der Krise immer spürbarer: Die Unsicherheit um den Fortbestand der Währungsunion in ihrer derzeitigen Form wächst, die volkswirtschaftlichen Kosten und Konsequenzen eines Ausscheidens von Griechenland aus der Währungsunion werden teilweise in einem sehr negativen Ausmaß skizziert. Diese Faktoren erzeugen ein hohes Maß an Unsicherheit und verstärken die Konsumzurückhaltung.

 

Übersicht 6: Konsum, Einkommen und Preise

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %, real

 

 

 

 

 

 

 

Private Konsumausgaben1)

+0,7

+1,1

+1,7

+0,7

+0,6

+0,7

Dauerhafte Konsumgüter

+3,3

+4,8

+2,3

+1,8

2,2

±0,0

Nichtdauerhafte Konsumgüter und Dienstleistungen

+0,4

+0,6

+1,6

+0,6

+0,9

+0,8

Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte

+0,7

1,5

0,2

1,0

+0,3

+0,8

 

 

 

 

 

 

 

 

In % des verfügbaren Einkommens

 

 

 

 

 

 

 

Sparquote der privaten Haushalte2)

11,5

10,7

8,3

7,5

7,3

7,5

Sparquote der privaten Haushalte3)

11,4

10,1

7,8

7,0

6,8

6,9

 

 

 

 

 

 

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Direktkredite an inländische Nichtbanken (Jahresendstände)

+7,4

1,3

+2,9

+2,6

+1,2

+2,1

 

 

 

 

 

 

 

 

In %

Inflationsrate

 

 

 

 

 

 

National

3,2

0,5

1,9

3,3

2,3

2,1

Harmonisiert

3,2

0,4

1,7

3,6

2,4

2,2

"Kerninflation"4)

2,4

1,5

1,2

2,8

2,2

2,0

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Private Haushalte einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. – 2) Einschließlich Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche. 3) Ohne Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche. 4) Ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse).

 

 

 

Übersicht 7: Löhne, Wettbewerbsfähigkeit

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

Löhne und Gehälter pro Kopf1)

 

 

 

 

 

 

Nominell, brutto

+3,2

+1,7

+1,0

+1,7

+3,2

+2,2

Real2)

 

 

 

 

 

 

Brutto

0,0

+1,2

0,8

1,5

+0,9

+0,1

Netto

0,7

+3,0

1,1

2,0

+0,4

0,2

 

 

 

 

 

 

 

Lohnstückkosten

 

 

 

 

 

 

Gesamtwirtschaft

+3,6

+4,8

0,3

+0,8

+4,1

+1,8

Sachgütererzeugung

+5,4

+11,5

6,1

3,9

+3,3

+0,0

 

 

 

 

 

 

Effektiver Wechselkursindex Industriewaren

 

 

 

 

 

Nominell

+1,1

+0,7

2,6

+0,0

1,3

+0,1

Real

+0,6

+0,4

2,7

+0,7

1,2

+0,5

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Je Beschäftigungsverhältnis (laut VGR). 2) Deflationiert mit dem VPI.

 

Positive Konsumeffekte könnten sich aber aus den relativ hohen Lohnabschlüssen des Vorjahres, der kräftigen Beschäftigungsausweitung und in der Folge der merklichen Steigerung der Lohnsumme sowie aus der derzeit eher niedrigen Sparquote ergeben. Der Impuls auf das Lohnwachstum wird wohl durch eine neuerliche negative Lohndrift etwas abgeschwächt, auch hat die Arbeitskräftenachfrage gegenüber dem Hochkonjunkturjahr 2011 etwas an Schwung verloren. Dennoch wird die Beschäftigung wie schon mehrfach in der Vergangenheit den privaten Konsum und somit die Binnennachfrage stabilisieren.

Das WIFO prognostiziert daher bei nahezu konstanter Sparquote einen leichten Anstieg des privaten Konsums trotz der fiskalpolitischen Konsolidierungsmaßnahmen um 0,6% im Jahr 2012 und 0,7% im Jahr 2013.

Kräftiges Beschäftigungswachstum, Arbeitslosenquote steigt

Ungeachtet der ungünstigen Konjunkturlage wuchs die Beschäftigung bislang ungebremst. In den kommenden Monaten werden sich die Zuwachsraten aber verringern. Die Arbeitslosigkeit wird über den Prognosezeitraum weiter zunehmen.

Die seit längerem andauernde Ausweitung der Beschäftigung hält unvermindert an. Während des Konjunktureinbruches im Zuge der Finanzmarktkrise verringerte sich das Beschäftigungsvolumen in Österreich sowohl im internationalen als auch im historischen Vergleich nur wenig. In der Folge verlief der Anstieg der Beschäftigung bis Mitte 2011 im Einklang mit einem stetigen Abbau der Arbeitslosigkeit. Seither entwickeln sich Beschäftigungsvolumen und Arbeitslosenzahl im Gleichlauf.

Auch für das Jahr 2012 wird eine im langfristigen Vergleich überdurchschnittliche Beschäftigungsausweitung erwartet (unselbständig aktiv Beschäftigte +1,5%). 2013 dürfte sich diese Dynamik etwas abschwächen (+0,5%).

 

Übersicht 8: Arbeitsmarkt

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

Veränderung gegen das Vorjahr in 1.000

Nachfrage nach Arbeitskräften

 

 

 

 

 

 

Aktiv Erwerbstätige1)

+66,0

44,0

+31,3

+70,5

+55,0

+23,0

Unselbständig aktiv Beschäftigte1)2)

+55,6

48,5

+25,5

+63,3

+50,0

+18,0

Veränderung gegen das Vorjahr    in %

+1,7

1,5

+0,8

+1,9

+1,5

+0,5

Inländische Arbeitskräfte

+31,1

43,0

+5,8

+25,7

+11,5

+1,0

Ausländische Arbeitskräfte

+24,5

5,5

+19,7

+37,7

+38,5

+17,0

Selbständige3)

+10,4

+4,5

+5,8

+7,2

+5,0

+5,0

 

 

 

 

 

 

 

Angebot an Arbeitskräften

 

 

 

 

 

 

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter

 

 

 

 

 

 

15- bis 64-Jährige

+27,7

+17,3

+21,6

+37,0

+15,0

+6,7

15- bis 59-Jährige

+17,6

+11,1

+8,9

+17,1

+14,7

+10,8

Erwerbspersonen4)

+56,0

+4,0

+21,8

+66,4

+69,0

+40,0

 

 

 

 

 

 

 

Überschuss an Arbeitskräften

 

 

 

 

 

 

Vorgemerkte Arbeitslose5)

10,0

+48,1

9,5

4,1

+14,0

+17,0

Stand in 1.000

212,3

260,3

250,8

246,7

260,7

277,7

Arbeitslose in Kursmaßnahmen         in 1.000

50,5

64,1

73,2

63,2

65,7

68,7

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

In % der Erwerbspersonen6)

3,8

4,8

4,4

4,2

4,4

4,8

In % der Erwerbspersonen5)

5,3

6,5

6,2

6,0

6,3

6,6

In % der unselbständigen Erwerbspersonen5)

5,9

7,2

6,9

6,7

7,0

7,4

Beschäftigungsquote

 

 

 

 

 

 

Aktiv Erwerbstätige1)7)

65,7

64,7

65,0

65,9

66,6

67,0

Erwerbstätige6)7)

72,1

71,6

71,7

72,1

72,5

72,8

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Ohne Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ohne Präsenzdiener. 2) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. 3) Laut WIFO, einschließlich freier Berufe und Mithelfender. 4) Aktiv Erwerbstätige plus Arbeitslose. 5) Arbeitslose laut Arbeitsmarktservice. 6) Laut Eurostat (Labour Force Survey). 7) In % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- bis 64-Jährige).

 

Das kräftige Wachstum des Arbeitskräfteangebotes (2011 +66.400 Erwerbspersonen) beschleunigte sich 2012 (Jahresdurchschnitt +69.000), schwächt sich im Jahresverlauf jedoch ab und wird 2013 mit +40.000 wesentlich geringer sein. Da das Arbeitskräfteangebot stärker wächst, als die Konjunkturlage erwarten ließe, nimmt die Arbeitslosigkeit trotz Schaffung neuer Arbeitsplätze zu. Wegen der Wachstumsschwäche im Jahr 2012 und der deutlichen Zunahme des Arbeitskräfteangebotes prognostiziert das WIFO einen Anstieg der Arbeitslosenquote (laut Eurostat-Definition) auf 4,4% 2012 und 4,8% 2013. Bestimmend für die deutliche Zunahme des Arbeitskräfteangebotes ist die Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitskräften sowie der Zahl ausländischer Arbeitskräfte (besonders aus EU-Ländern).

Inflationsrate knapp über 2%

Die Nahrungsmittel- und Energiepreise zogen Anfang 2011 markant an. In den Folgemonaten stiegen auch die Dienstleistungspreise deutlich. Insgesamt lag die Inflationsrate 2011 laut HVPI bei 3,6%, die Kerninflation bei 2,8%. Seit Ende 2011 sinkt die Inflation im Jahresabstand aber wieder: Hatte sie im September 2011 noch knapp 4% betragen, so war sie im August 2012 mit 2,3% um 1,6 Prozentpunkte niedriger. Für diese Tendenz waren vor allem die Preisentwicklung in den Sondergruppen Industriegüter und Nahrungsmittel sowie in einem geringeren Ausmaß die Energiepreise ausschlaggebend. Auch die Kerninflation verringerte sich im August 2012 auf knapp 1,7%.

Im Prognosezeitraum dürfte das Verbraucherpreisniveau aber weiter spürbar steigen. Zum einen verstärkt sich der inländische Preisauftrieb die Lohnstückkosten der Gesamtwirtschaft erhöhen sich vor allem 2012, was trotz der verhaltenen Konsumkonjunktur an die Verbraucherpreise weitergegeben werden dürfte. Zum anderen geht von den Rohölnotierungen annahmegemäß ein Preisdruck aus. Nach wie vor wirken die Preise von Treibstoffen und fossilen Brennstoffen stark inflationssteigernd. Zwar gaben die Preise von Erdölprodukten auf Dollarbasis im II. Quartal merklich nach, doch zog seit Anfang Juli der Erdölpreis wieder deutlich an. Auch von den Nahrungsmittelpreisen ist über den Prognosezeitraum ein spürbarer Preisdruck zu erwarten. Die Weltmarktpreise für Getreide erhöhten sich wegen der Dürre in den USA bereits signifikant. Infolge des Anstieges der Futtermittelpreise wird sich der Preisauftrieb auch für Fleisch- und Milchprodukte verstärken. Aufgrund eines trägen Preistransmissionsmechanismus dürfte der Preisdruck auf Nahrungsmittel auch 2013 noch hoch sein.

Das WIFO prognostiziert unter diesen Rahmenbedingungen für das Jahr 2012 eine Inflationsrate (HVPI) von 2,4% (VPI: 2,3%), die 2013 leicht auf 2,2% zurückgehen wird (VPI: 2,1%). Die Kerninflation nach EU-weit harmonisierter Berechnungsmethode verlangsamt sich ebenfalls von 2,8% im Jahr 2011 auf 2,2% im Jahr 2012 und 2,0% 2013.

Finanzierungsbedingungen in Österreich anhaltend günstig

Zwar erfüllen die wichtigsten heimischen Kreditinstitute die durch "Basel III" verschärften Eigenkapitalvorschriften, doch steigen die makrofinanziellen Risiken seit Mitte 2011 aufgrund der internationalen Wirtschaftsentwicklung in Mittel-, Ost- und Südosteuropa (Central, East and South-East European Countries CESEE-Länder) neuerlich. Dafür sind mehrere Faktoren bestimmend: Zum einen schlägt sich die Zunahme der makroökonomischen und zyklischen Risiken in spürbaren Abwärtsrevisionen der Wachstumsaussichten für das Jahr 2012 nieder. Problematisch ist dabei der Rückgang der Binnennachfrage in fast allen Ländern, der nur teilweise durch eine Ausweitung der Nettoexporte ausgeglichen wird. Vor allem die trüben Aussichten für den Euro-Raum, aber auch die Gefahr, dass sich die Konjunktur in anderen Weltregionen schlechter als erwartet entwickelt, tragen wesentlich zur Erhöhung der makroökonomischen Risiken der CESEE-Region bei. Zum anderen verschärften sich auch die außenwirtschaftlichen Risiken und Wechselkursvolatilitäten seit 2011 deutlich.

Die Finanzierungsbedingungen bleiben auch aufgrund der weiterhin sehr expansiven Geldpolitik der EZB für die heimischen Finanzinstitute günstig. Die kurzfristigen Zinssätze für dreimonatige Zwischenbankkredite werden 2012 und 2013 mit jeweils 0,7% im langjährigen Vergleich weiterhin sehr niedrig sein. Der tatsächliche Refinanzierungsaufwand ist für die Kreditinstitute wohl geringer, da vielfach die günstigen Mittel der EZB in Anspruch genommen werden können. Im Falle einer Zuspitzung der Schuldenkrise im Euro-Raum könnten sich jedoch auch für die heimischen Banken die Finanzierungsrisiken erheblich erhöhen.

Deutliche makrofinanzielle Risiken ergeben sich somit für die österreichischen Kreditinstitute zum einen aus den Finanzierungsrisiken im Falle einer Zuspitzung der Schuldenkrise im Euro-Raum und aus den Kreditrisiken im Osteuropageschäft. Zwar wurden in einigen osteuropäischen Ländern etwaige Finanzierungslücken (Diskrepanz zwischen Kreditvolumen und Einlagenbestand) bereits verkleinert, doch erfolgte dies großteils durch Abbau des Kreditbestandes von vor allem nicht-österreichischen Finanzinstituten. Dieses "Deleveraging" kann durchaus über negative makrofinanzielle Verknüpfungen zusätzliche Verwerfungen in der Realwirtschaft zur Folge haben und somit die Kreditrisiken für heimische Finanzinstitute weiter erhöhen.

Auf dem heimischen Finanzmarkt sind die Finanzierungsbedingungen derzeit sehr günstig. Anzeichen für eine Kreditklemme zeigen sich weiterhin nicht. Das WIFO rechnet für das Jahr 2012 mit einer Ausweitung des Kreditvolumens in Österreich um 1,2%. Diese schwache Steigerung ist angesichts der trüberen Wirtschaftsaussichten und der weiterhin rückläufigen Kreditzinssätze auf eine Abnahme der Nachfrage zurückzuführen. Für 2013 wird aufgrund der Konjunkturbelebung mit einem deutlich stärkeren Kreditimpuls gerechnet (+2,1%).

Niedrige Finanzierungskosten entlasten öffentliche Haushalte

Für den österreichischen Staat sind die Refinanzierungsbedingungen derzeit außerordentlich günstig. Seit Anfang 2012 verringerte sich die Sekundärmarktrendite für 10-jährige Staatsanleihen der Republik Österreich signifikant, vor allem aufgrund der Verschärfung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum: Die Zunahme der Nachfrage nach sicheren Anlagemöglichkeiten betraf auch die Nachfrage nach heimischen Staatsschuldverschreibungen, die nach wie vor als sicher gelten. Die Sekundärmarktrendite sank in der Folge deutlich unter die 2%-Marke. Für das gesamte Jahr 2012 rechnet das WIFO mit einem Durchschnittswert von 2,4% und für 2013 von 2,0%. Diese Entwicklung senkt die Refinanzierungskosten für auslaufende Anleihen erheblich und trägt damit ebenfalls zur Entlastung der öffentlichen Haushalte bei.

 

Übersicht 9: Wirtschaftspolitische Bestimmungsfaktoren

 

 

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

2012

2013

 

In % des BIP

Budgetpolitik

 

 

 

 

 

 

Finanzierungssaldo des Staates

 

 

 

 

 

 

Laut Maastricht-Definition1)

0,9

4,1

4,5

2,6

2,9

2,6

Primärsaldo des Staates laut VGR

+1,7

1,3

1,8

0,0

0,3

+0,0

 

 

 

 

 

 

 

 

In %

Geldpolitik

 

 

 

 

 

 

Dreimonatszinssatz

4,6

1,2

0,8

1,4

0,7

0,7

Sekundärmarktrendite2)

4,4

3,9

3,2

3,3

2,4

2,0

 

 

 

 

 

 

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Effektiver Wechselkursindex

 

 

 

 

 

 

Nominell

+1,2

+0,9

2,5

+0,1

1,3

+0,1

Real

+0,6

+0,4

2,7

+0,7

1,3

+0,5

Q: WIFO-Konjunkturprognose. 1) Einschließlich Zinsströme aus Swap-Vereinbarungen, die der Staat abschließt. 2) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark).

 

Neben den günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten für Staatsanleihen ergeben sich aber vor allem aus der unerwartet dynamischen Beschäftigungsentwicklung zusätzliche Einnahmen für die Sozialversicherung und den Staatshaushalt. Das WIFO prognostiziert für 2012 unter den oben diskutierten Annahmen ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 2,9% des BIP, das sich 2013 weiter leicht auf 2,6% verringern sollte. Die Unsicherheiten der vorliegenden Prognose bedeuten auch in diesem Bereich ein Abwärtsrisiko: Sowohl 2012 als auch 2013 könnten mögliche zusätzliche Belastungen durch liquiditätszuführende Maßnahmen an notverstaatlichte Banken das gesamtstaatliche Defizit erhöhen. Zudem ist fraglich, ob die geplanten Mehreinnahmen durch Vorwegbesteuerung der Einzahlungen in die betrieblichen Pensionskassen 2012 voll realisiert werden können. Weitere Unsicherheit besteht hinsichtlich der Realisierung der steuerlichen Konsolidierungsmaßnahmen.

 

Heightened Uncertainty Weighing Upon Activity

Economic Outlook for 2012 and 2013 – Summary

While short-term prospects for the Austrian economy have weakened since last June's forecast revision, the pattern of risks is somewhat uneven as external downward risks slightly dominate domestic upward risks. Against this background, Austria's GDP is expected to grow by 0.6 percent in 2012 and by 1.0 percent in 2013, with the latter figure being subject to particular uncertainty.

After a temporary revival early this year, growth of the world economy slackened markedly in spring, affecting the major industrialised countries as well as many emerging markets. The debt and confidence crisis in the euro area is only partly responsible for the slowdown. Indeed, many advanced economies outside the euro area are characterised by substantial macroeconomic imbalances and have to cope with economic misalignments in a similar way as the southern European periphery. Moreover, in several emerging markets, internal problems have lately come to the fore.

The downturn of global activity and the renewed aggravation of the sovereign debt crisis in the euro area have shaped the trend on international financial markets since spring. The Spanish banking system and government households in several euro-area countries have been the focus of European concerns. While financing conditions kept worsening for banks and governments in southern Europe, capital flows towards "safe havens" reduced bond yields particularly in Germany, Finland, the Netherlands and Austria. This divergence was mirrored by extraordinarily high risk premia on secondary markets for government bonds. As a reaction, the European Central Bank (ECB) in early September decided to retain the option of unlimited sovereign bond purchases in the context of Outright Monetary Transactions (OMT). Immediately after this announcement, interest rate spreads of southern European government bonds narrowed markedly on secondary markets. The unlimited OMT of the ECB are expected to strengthen at least temporarily market

 

confidence in the stability of the euro and rein in capital outflows from southern Europe. In such an environment, conditions for growth in Europe at large may gradually improve during 2013. For 2012, WIFO expects a decline in demand and output for the euro area overall, followed by a moderate recovery in 2013.

Austria's economy cannot entirely decouple from the international trend, as witnessed by the stagnation of exports since the middle of 2011. However, unlike during the peak of the crisis in 2009, domestic demand proved rather resilient. The current WIFO projection expects Austria's GDP to grow by 0.6 percent in 2012. In 2013, with a projected growth rate of 1.0 percent, Austria should remain among the leaders of recovery in the euro area. Compared with the forecast of last June, WIFO has somewhat reduced its growth outlook for 2013 on account of the weaker international environment.

While short-term prospects for the Austrian economy have weakened since last June's forecast revision, the pattern of risks is somewhat uneven. Current external developments in particular carry important risks for the domestic financial sector as well as for the real economy. A rather positive element is the robust labour demand in Austria. On the basis of the trend since the beginning of the year, employment is set to increase by 1.5 percent for the whole of 2012, abating to +0.5 percent in 2013. The rate of unemployment will nevertheless rise to 7.0 percent this year (according to the conventional national definition) and move further up in 2013.

               

The English version of the WIFO Economic Outlook will be published in "Austrian Economic Quarterly".

 

 

 

Methodische Hinweise und Kurzglossar

Periodenvergleiche

Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen" Bezug genommen.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Durchschnittliche Veränderungsraten

Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen

Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich

Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI

Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone (siehe auch http://www.statistik.at/).

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest

Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit (http://www.konjunkturtest.at/). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote

Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote

Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".

 

 

 



[a])  Saisonbereinigte Jahresrate (IWF, World Economic Outlook, April 2012).

[b])  Die Fed will verbriefte Hypotheken (Mortgage Backed Securities, MBS) von Fannie Mae und Freddie Mac im Umfang von 40 Mrd. $ pro Monat kaufen. Dadurch sollen die längerfristigen Zinssätze und besonders die Hypothekarsätze gesenkt werden. Gleichzeitig wird die "Operation Twist" zu Ende geführt. In deren Rahmen verkauft die Fed Anleihen mit kurzer Laufzeit und erwirbt längerfristige Papiere. Insgesamt wird sich dadurch der Bestand der Fed an längerfristigen Obligationen bis zum Jahresende um monatlich 85 Mrd. $ erhöhen.

[c])  Vor allem in Spanien und Italien intensivierte die Regierung im Sommer 2012 die Konsolidierungsbemühungen durch weitere Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen; teilweise werden die Maßnahmen bereits im Herbst 2012 wirksam.

[d])  Die EZB verfolgt mit dieser geldpolitischen Maßnahme nicht bloß das Ziel, die Zinsdifferentiale auf dem Markt für Staatsanleihen zu verringern. Ein viel wichtigerer Aspekt dieses Programms ist, die Einheitlichkeit der Geldpolitik zu wahren, die ordnungsgemäße Übertragung des geldpolitischen Kurses auf die Realwirtschaft im gesamten Euro-Raum sicherzustellen und somit die Effizienz der Geldpolitik an sich zu sichern.

[e])  Da die heimischen Exporte einen hohen Importanteil aufweisen, ist auch die Exportwirtschaft eine Nachfragekomponente der Importe.

[f])  Die Terms-of-Trade sind definiert als Verhältnis der Preisindizes von Exporten zu Importen.