WIFO

 

Veränderung der Exportstruktur in Österreich und der EU

 

Zwischen 1999 und 2009 verlagerten sich die Weltmarktanteile im Handel mit Industriegütern deutlich zu Ländern, deren Wirtschaft sich in einem Aufholprozess befindet. Dadurch erhöhte sich der Druck auf einkommensstarke Länder, die Qualität ihrer Exporte stetig zu verbessern und die eigene Exportwirtschaft weiter auszudifferenzieren sowie neue Märkte zu entwickeln und zu erschließen. Die Entwicklung der österreichischen Exportwirtschaft ist weniger durch eine Diversifikation der geographischen Märkte oder der Branchen als durch eine Qualitätssteigerung entlang von Qualitätsleitern innerhalb der Branchen bestimmt. Die Daten belegen eine Spezialisierung innerhalb der bestehenden Branchenstruktur auf höherwertige Produktsegmente. Der Exportanteil technologieintensiver Branchen liegt weiterhin unter dem EU-Durchschnitt.

 

Begutachtung: Fabian Unterlass • Wissenschaftliche Assistenz: Irene Langer • E-Mail-Adressen: Andreas.Reinstaller@wifo.ac.at, Susanne.Sieber@wifo.ac.at, Irene.Langer@wifo.ac.at

 

INHALT

Wandel der Exportstruktur nach Produkttypen

Weltmarktanteile der EU und wichtiger Mitbewerber

Weltmarktanteile Österreichs relativ zu wichtigen Mitbewerbern in der EU

Wandel der Exportstruktur nach Branchentypen

Strukturwandel zwischen Branchen

Strukturwandel innerhalb von Branchen Preissegmente

Schlussfolgerungen

Literaturhinweise

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Weltmarktanteile an den 30 meistgehandelten Industriegütern. 6

Übersicht 2: Österreichs Außenhandelsperformance im Vergleich zur EU 27 nach unterschiedlichen WIFO-Taxonomien  11

Abbildung 1: Weltmarktanteile am Handel mit den 30 meistgehandelten Industriegütern. 4

Abbildung 2: Struktur des Außenhandels in den Ländern der Gruppe 1 und in Österreich. 8

Abbildung 3: Entwicklung der österreichischen Exportanteile im Vergleich zur EU 27. 10

Abbildung 4: Entwicklung der Handelsbilanz zukunftsorientierter Branchen in Österreich. 13

Abbildung 5: Entwicklung der Marktanteile technologieorientierter Branchen am Weltexport im internationalen Vergleich  14

Abbildung 6: Qualität der Exportgüter technologieorientierter Branchen in Österreich. 15

Abbildung 7: Entwicklung der Qualität der Exportgüter technologieorientierter Branchen. 16

 

 

Zwischen der Art der Waren, die Länder exportieren, und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteht ein Zusammenhang (vgl. z. B. Lall Weiss Zhang, 2005, Hausmann Hwang Rodrik, 2007, Sutton Trefler, 2011): Wirtschaftlich leistungsfähigere Länder erzeugen Produkte von höherer Qualität und handeln diese auch primär untereinander (Hallak, 2010). Volkswirtschaften, die sich in einem wirtschaftlichen Aufholprozess befinden, besetzen hingegen die unteren Preissegmente bestehender Branchen und versuchen durch Qualitätsverbesserungen zu den führenden Ländern aufzuschließen. Dadurch verändert sich einerseits die internationale Arbeitsteilung. Andererseits steigt der Druck auf die führenden Volkswirtschaften, die Qualität ihrer Produkte weiter zu verbessern und die Exportwirtschaft auszudifferenzieren sowie neue Märkte zu entwickeln und zu erschließen. Die zunehmende Globalisierung, Entwicklung neuer Technologien, die steigende Heterogenität von Kundenwünschen beschleunigen diese Prozesse. Für Österreich im Speziellen ergibt sich aufgrund des Anstieges des Einkommensniveaus sowie der geographischen Lage in der Nähe einkommensschwächerer Länder, die ihre Weltmarktanteile in wichtigen Produktklassen erheblich ausweiteten, zusätzlicher Anpassungsdruck (Aiginger, 2008, 2009).

Wandel der Exportstruktur nach Produkttypen

Die internationale Arbeitsteilung wandelte sich in den 2000er-Jahren rasch. Diese Entwicklung zog eine Veränderung der Exportstruktur in Österreich und der EU nach sich. Für die Untersuchung dieser Prozesse auf der Ebene von Produkttypen wird auf eine Klassifikation von Rycroft Kash (1999) zurückgegriffen, die Produktkategorien aufgrund der technologischen Komplexität ihres Herstellungsverfahrens sowie der technologischen Komplexität des Produktes selbst gliedert (siehe Kasten "Klassifikation der Produkte nach technologischem Komplexitätsgrad nach Rycroft Kash (1999)"). Die Klassifikation ist dabei auf jene 30 Produktklassen (SITC-Dreisteller) industriell gefertigter Produkte beschränkt, die im Jahr 1995 die höchsten Weltmarktanteile aufwiesen. Im Jahr 1999 entsprach das nominelle Handelsvolumen dieser Güter 2.206 Mrd. €, im Jahr 2009 2.964 Mrd. € (2007: 3.573 Mrd. €). Der österreichische Export an diesen Gütern betrug 1999 rund 27,5 Mrd. € und 2009 37,8 Mrd. €.

Weltmarktanteile der EU und wichtiger Mitbewerber

Die Analyse der Veränderung des Handels mit Industriegütern in den vergangenen zwei Jahrzehnten illustriert, wie die Unternehmen in der EU bzw. in  Österreich in die Hauptströme des Welthandels eingebunden waren. Sie bildet daher Strukturveränderungen in der internationalen Arbeitsteilung vor dem Hintergrund der technologischen Spezialisierungsprofile der einzelnen Volkswirtschaften ab.

Der Weltmarkanteil der EU 27 am Handel mit den 30 meistgehandelten Industrieprodukten blieb zwischen 1999 und 2009 annähernd konstant. Die USA und Japan verzeichneten im Untersuchungszeitraum hingegen erhebliche Marktanteilseinbußen (USA 9,5 Prozentpunkte, Japan 5,2 Prozentpunkte). Zugleich wuchs der Anteil Chinas am Welthandel mit den 30 meistgehandelten Industrieprodukten um 14,6 Prozentpunkte. Während somit China zur Welthandelsmacht wurde, verloren die USA, Japan und auch die EU an Gewicht im Handel mit Industriegütern. 

China gewann in allen Produktkategorien beträchtliche Marktanteile. Am größten war der Zuwachs in der Produktkategorie mit komplexen Produkten und Verfahren (KK; +15,1 Prozentpunkte) und in jener mit einfachen Produkten und Verfahren (EE; +16,1 Prozentpunkte). In der Produktkategorie mit komplexen Verfahren und einfachen Produkten erreichte der Anstieg etwas über 9 Prozentpunkte. Die USA und Japan büßten vor allem in der Produktkategorie mit komplexen Produkten und Verfahren Weltmarktanteile ein (USA 11,5 Prozentpunkte, Japan 5,7 Prozentpunkte).

 

Abbildung 1: Weltmarktanteile am Handel mit den 30 meistgehandelten Industriegütern

Produktkategorien nach der Komplexität von Produkt und Herstellungsprozess, Marktanteile in %

Q: UNO (Comtrade). Ohne Intra-EU-Exporte. Welt: 117 Länder, die 90% des Welthandels abdecken. 1) Brasilien, Russland, Indien.

 

Der Weltmarktanteil der EU 27 lag in der Produktkategorie "komplexe Produkte und Verfahren" 2009 bei 16,5% und blieb im Untersuchungszeitraum annähernd konstant (0,4 Prozentpunkte). In der Produktkategorie "einfache Produkte und komplexe Verfahren" steigerten die Länder der EU 27 ihren Weltmarktanteil von 25,8% im Jahr 1999 auf 28% im Jahr 2009. Damit konnte die EU ihre Wettbewerbsposition in diesen Produktkategorien behaupten und teilweise sogar ausbauen. Große Einbußen waren hingegen in der Kategorie "einfache Produkte und einfache Verfahren" zu beobachten. Hier sanken die Weltmarktanteile der EU 27 um 3,7 Prozentpunkte auf 14,9% im Jahr 2009.

 

Klassifikation der Produkte nach technologischem Komplexitätsgrad nach Rycroft Kash (1999)

Komplexität wird im Zusammenhang mit Technologien und Organisationsstrukturen unterschiedlich definiert. Etwa könnte man sie einfach an der Zahl der ein System (z. B. ein Produkt oder eine Organisation) konstituierenden Elemente messen (z. B. Produktkomponenten oder organisatorische Einheiten). Realistischere Definitionen tragen auch der Interdependenz zwischen diesen Elementen und der Struktur Rechnung, in die sie eingebettet sind (vgl. Reinstaller, 2012). Die Wirtschaftsforschung erhält aus solchen Definitionen Aufschluss über die innere Organisation und die Anpassungsfähigkeit eines Systems sowie über Wettbewerbsvorteile, wenn man davon ausgeht, dass die Nachahmung komplexer Technologien und Verfahren schwieriger ist als für einfachere (vgl. Rivkin, 2001).

Rycroft Kash (1999) übertragen diese Ideen möglichst einfach auf Produkte und Produktionsverfahren und klassifizieren diese entweder als "komplex" oder "einfach". Die Klassifikation wurde auf der Grundlage von Expertenbefragungen erstellt, in denen zu beurteilen war, ob ein Produkt und das zu seiner Herstellung benötigte Verfahren von einer einzelnen fachkundigen Person in vollem Umfang verstanden werden und ob diese Information auch weitergegeben werden kann. Produkte und Verfahren, für die das zutraf, wurden als einfach eingestuft, andere als komplex. Neben der Abbildung der Wechselwirkung zwischen Produktionsprozess und Produkt soll diese Klassifikation auch Aufschluss über Zahl und Zusammenspiel unterschiedlicher Wissensbestände geben, die in die Produktion und letztlich in ein Produkt einfließen. Insgesamt gibt die Klassifikation damit ein technologisches Spezialisierungsmuster und die Arbeitsteiligkeit der Herstellung wieder. Folgende drei Produktkategorien wurden definiert:

·       Verfahren komplex, Produkt komplex (KK): Die Güter dieser Kategorie bestehen aus einer Vielzahl von Komponenten und entsprechenden Funktionen. Die Herstellungsverfahren sind hochgradig arbeitsteilig und vielschichtig, da auf etliche unterschiedliche Wissensbestände zurückgegriffen wird (z. B. Verbrennungsmotoren, Telekommunikationsausrüstung, Flugzeuge, medizinische Instrumente; SITC Rev. 3: 713, 728, 752, 759, 764, 772, 776, 778, 781, 782, 784, 792, 874).

·       Verfahren komplex, Produkt einfach (KE): Das Produkt bietet eine geringe Zahl von Funktionen (kann aber vielleicht in vielerlei Umgebungen eingesetzt werden) und besteht aus einer geringen Zahl von Komponenten, während das Produktionsverfahren hochgradig arbeitsteilig ist und auf etliche Wissensbestände zurückgreift (z. B. chemische Produkte, gezogene oder gerollte Erzeugnisse aus Spezialstählen, Papier und Kartonagen; SITC Rev. 3: 334, 541, 583, 641, 674, 741, 749, 893).

·       Verfahren einfach, Produkt einfach (EE): Das Produkt bietet wenige Funktionen und besteht aus einer geringen Zahl von Komponenten, und das Herstellungsverfahren greift auf eine geringe Zahl von Wissensbeständen zurück; jeder Fertigungsschritt kann durch eine einzelne fachkundige Person durchgeführt werden (z. B. einfache Kunststoffprodukte, Möbel, Schuhe; SITC Rev. 3: 11, 333, 667, 684, 699, 821, 843, 851, 894).

Die Kombination aus einfachem Verfahren und komplexen Produkten ist nicht besetzt.

 

Weltmarktanteile Österreichs relativ zu wichtigen Mitbewerbern in der EU

Innerhalb der EU 27 waren zwischen 1999 und 2009 Verschiebungen der Weltmarktanteile zwischen den Ländergruppen[a]) zu beobachten (Übersicht 1). Die Länder der Gruppe 1 verzeichneten insgesamt einen Rückgang der Weltmarktanteile um 7,2 Prozentpunkte, während vor allem die neuen EU-Länder (Gruppen 3 und 4) ihren Weltmarktanteil in allen Produktkategorien erheblich steigerten, wenngleich (mit Ausnahme von Tschechien und Polen) von sehr niedrigem Niveau aus. In der Gruppe 3 war ein Anstieg der Weltmarktanteile um knapp 3 Prozentpunkte zu verzeichnen. Diese Berechnungen berücksichtigen auch nun der Intra-EU-Handel. Dies dokumentiert die wachsende internationale Wettbewerbsfähigkeit einiger osteuropäischer EU-Länder, insbesondere in der Nachbarschaft Österreichs.

In der Gruppe der europäischen Volkswirtschaften mit hohem wirtschaftlichem und technischem Entwicklungsniveau verzeichneten vor allem Irland, Großbritannien und Schweden in der Kategorie "komplexe Produkte und Verfahren" Weltmarktanteilseinbußen. Großbritanniens Marktanteile schrumpften in allen Produktkategorien erheblich. Deutschland hingegen verzeichnete in allen Produktkategorien einen Anstieg der Weltmarktanteile, am stärksten in der Kategorie "einfache Produkte und Verfahren". Österreichs Marktanteil am Handel mit Produkten der Kategorie "komplexe Produkte und Verfahren" blieb zwischen 1999 und 2009 unverändert, in den anderen Produktkategorien sank er etwas. Beträchtliche Einbußen waren jedoch im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise in der Kategorie "komplexe Produkte und Verfahren" zu verzeichnen (Übersicht 1, 2007/2009).

 

Übersicht 1: Weltmarktanteile an den 30 meistgehandelten Industriegütern

2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Produkt und Herstellungsverfahren komplex

Einfaches Produkt und komplexes Herstellungsverfahren

Einfaches Produkt und einfaches Herstellungsverfahren

Insgesamt

 

In %

1999 = 100

2007 = 100

In %

1999 = 100

2007 = 100

In %

1999 = 100

2007 = 100

In %

1999 = 100

2007 = 100

 

EU 27

35,96

89,6

95,1

52,75

98,5

97,1

40,01

93,4

95,1

39,08

92,8

96,2

Belgien

1,69

80,7

92,6

5,23

126,3

112,7

3,93

63,3

83,7

2,54

88,7

97,7

Bulgarien

0,04

350,2

109,6

0,08

149,5

88,9

0,16

191,0

90,7

0,06

241,2

99,6

Tschechien

1,34

333,0

115,6

1,00

205,8

93,8

1,31

170,6

103,6

1,29

279,9

110,6

Dänemark

0,34

83,3

107,4

1,19

93,1

98,5

0,83

75,5

87,9

0,54

89,3

102,8

Deutschland

11,27

101,5

93,8

14,65

110,6

101,0

8,52

127,1

100,1

11,40

105,5

96,0

Estland

0,04

143,8

86,1

0,08

269,8

75,5

0,12

163,0

99,0

0,06

168,0

88,3

Irland

0,52

36,8

75,8

1,91

140,5

140,3

0,11

57,9

94,7

0,68

53,8

96,4

Griechenland

0,05

139,6

117,0

0,13

99,9

85,9

0,20

94,6

94,0

0,08

119,3

102,8

Spanien

1,91

95,6

96,1

1,83

108,6

96,0

1,88

97,0

108,2

1,90

97,0

97,5

Frankreich

4,39

66,7

100,0

4,91

75,8

91,5

2,70

80,3

99,1

4,23

68,7

98,6

Italien

2,25

85,6

91,2

4,73

86,9

89,2

5,91

75,9

91,2

3,14

86,5

92,2

Zypern

0,01

724,3

82,0

0,01

150,3

115,0

0,00

31,9

66,4

0,01

235,4

85,0

Lettland

0,03

707,7

115,5

0,06

585,0

107,9

0,07

144,7

94,2

0,04

382,5

109,7

Litauen

0,05

403,0

81,5

0,13

648,4

115,3

0,20

398,3

109,0

0,08

457,7

97,3

Luxemburg

0,33

344,9

142,1

0,33

78,1

90,6

0,11

107,1

80,2

0,30

220,7

126,5

Ungarn

1,12

194,0

98,5

0,51

177,5

99,3

0,56

102,5

90,4

0,95

176,4

96,7

Malta

0,04

59,8

81,6

0,01

56,7

80,4

0,02

61,0

115,4

0,03

57,7

82,2

Niederlande

3,15

102,9

107,2

3,44

105,2

87,5

3,67

112,9

104,3

3,26

105,0

103,6

Österreich

0,97

100,2

85,2

2,39

93,9

94,7

1,63

97,0

96,3

1,28

102,2

91,2

Polen

1,22

438,7

128,1

1,11

264,8

101,7

1,92

174,0

98,4

1,30

325,5

117,4

Portugal

0,24

83,3

81,4

0,48

96,5

108,2

0,76

80,8

104,4

0,35

88,0

93,0

Rumänien

0,36

916,6

191,1

0,13

338,0

96,3

0,70

141,3

93,1

0,37

384,1

144,0

Slowenien

0,52

372,5

111,7

0,50

266,8

105,2

0,66

247,0

115,9

0,54

332,1

111,5

Slowakei

0,22

243,2

107,5

0,27

156,6

96,9

0,42

106,6

82,8

0,25

183,7

99,7

Finnland

0,50

68,1

73,9

1,77

53,5

82,7

0,21

80,5

84,9

0,65

66,1

80,0

Schweden

0,97

59,7

76,8

2,77

80,6

93,2

0,90

92,3

95,7

1,23

70,1

85,2

Großbritannien

2,38

43,8

75,0

3,10

67,2

86,5

2,49

58,8

80,0

2,50

48,3

77,8

 

 

 

 

 

Ländergruppen

Gruppe 1

26,17

78,3

92,1

41,36

94,7

97,9

25,01

89,3

94,3

28,32

83,4

94,3

Gruppe 2

4,79

94,8

95,1

7,50

91,7

91,8

8,87

80,7

95,4

5,77

93,2

95,5

Gruppe 3

4,43

297,1

112,8

3,38

218,6

99,0

4,87

158,1

99,1

4,34

254,9

108,5

Gruppe 4

0,56

343,8

135,7

0,51

281,4

95,9

1,26

159,8

95,8

0,65

266,1

117,7

Q: Eurostat (Comext), UNO (Comtrade). Einschließlich der Intra-EU-Exporte. Welt: 117 Länder, die 90% des Welthandels abdecken. G1 . . . Gruppe 1 (Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden, Großbritannien), G2 . . . Gruppe 2 (Griechenland, Spanien, Italien, Portugal), G3 . . . Gruppe 3 (Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien), G4 . . . Gruppe 4 (Bulgarien, Zypern, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien).

 

Abbildung 2 stellt die Struktur des Außenhandels der Länder in Gruppe 1 und Österreichs jener der EU 27 gegenüber. Dazu wurden die Weltmarktanteile in den Produktkategorien "komplexe Produkte und Verfahren" sowie "komplexe Produkte und einfache Verfahren" in Relation zu jenen der Produktkategorie "einfache Produkte und Verfahren" gesetzt und diese Zahl am Durchschnitt der EU 27 gemessen, um darzustellen, wie sich das Produktportfolio von Gruppe 1 und Österreich von jenem der EU 27 unterscheidet (bei gleicher Struktur hätten die Maßzahlen den Wert 100).

Die Volkswirtschaften der Gruppe 1 sind demnach stärker als der Durchschnitt der EU 27 auf den Handel mit komplexeren Industriegütern spezialisiert. Relativ zum EU-Durchschnitt verschlechterte sich aber die Marktanteilsposition in der Produktkategorie "komplexe Produkte und Verfahren". Dies war auf die größeren Marktanteilsverluste in dieser Produktkategorie relativ zu anderen Produktkategorien zurückzuführen, und hier vor allem auf die drastischen Einbußen einiger großer Volkswirtschaften wie Großbritannien und Frankreich. Die Entwicklungen im internationalen Handel brachten also eine Veränderung der Spezialisierung dieser Volkswirtschaften und damit von deren Einbettung in die internationale Wertschöpfungskette mit sich.

 

Abbildung 2: Struktur des Außenhandels in den Ländern der Gruppe 1 und in Österreich

Q: Eurostat (Comext), UNO (Comtrade). Einschließlich der Intra-EU-Exporte. Welt: 117 Länder, die 90% des Welthandels abdecken. KK/EE . . . Verhältnis zwischen den Marktanteilen in den Produktkategorien "komplexe Produkte und Verfahren" (KK) und "einfache Produkte und Verfahren" (EE), KE/EE . . . Verhältnis zwischen den Marktanteilen in den Produktkategorien "einfache Produkte und komplexe Verfahren" (KE) und "einfache Produkte und Verfahren" (EE; siehe Kasten "Klassifikation der Produkte nach technologischem Komplexitätsgrad nach Rycroft Kash (1999)"). Gruppe 1: Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden, Großbritannien.

 

In Österreich (in Gruppe 1) war hingegen eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten. Einerseits unterscheidet sich die Einbettung Österreichs in die Haupthandelsströme von jener der meisten anderen Länder der Gruppe 1: Im Vergleich mit den Referenzländern in Gruppe 1 exportiert Österreichs Wirtschaft überdurchschnittlich stark in der Produktkategorie "einfache Produkte und Verfahren", während das Verhältnis zwischen den Produktkategorien "einfache Produkte mit komplexen Verfahren" und "einfache Produkte und Verfahren" dem Durchschnitt der Gruppe 1 entspricht. In diesen beiden Produktkategorien verlor Österreich aber Marktanteile, sodass sich die Zusammensetzung des Exportportfolios stärker zur Produktkategorie "komplexe Produkte und Verfahren" hin verschob. In dieser Kategorie blieb der Marktanteil zwischen 1999 und 2009 unverändert. Das Handelsvolumen in dieser Produktkategorie war auch am höchsten (1999: 15,9 Mrd. €, 2009: 20,3 Mrd. €).

Wandel der Exportstruktur nach Branchentypen

Die oben diskutierte Entwicklung erhöht in einkommensstarken Ländern den Druck auf Unternehmen, ihre Produktion anzupassen und in andere Qualitätssegmente des Marktes zu verlagern (Sutton Trefler, 2011) oder aber mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren und damit ihre Innovationsleistung zu erhöhen (Reinstaller Unterlass, 2012B, in diesem Heft).

Im Folgenden wird ein Set von Strukturvariablen für die Außenwirtschaft präsentiert, das die Entwicklungen auf Branchenebene widerspiegelt. Dieses Variablenset erlaubt eine Beurteilung des Strukturwandels der österreichischen Exportwirtschaft im internationalen Vergleich. Dabei werden in Anlehnung an Janger et al. (2011) Variable für den Strukturwandel zwischen Branchen und solche für den Strukturwandel innerhalb von Branchen unterschieden. In die erste Gruppe fällt etwa die Entwicklung des Exportanteils zukunftsorientierter Branchentypen (technologieorientierte Branchen). Der Strukturwandel innerhalb von Branchen wird anhand des Exportanteils nach Preissegmenten analysiert.

Strukturwandel zwischen Branchen

Rückschlüsse auf die Spezialisierung der Exportwirtschaft eines Landes können anhand von Außenhandelsstatistiken gezogen werden. Deren Daten werden im Folgenden aufgrund von drei WIFO-Taxonomien in Branchengruppen nach dem Faktoreinsatz, den Qualifikationsanforderungen und der Intensität des Qualitätswettbewerbes gegliedert (siehe Kasten "WIFO-Taxonomien"). Angesichts der Herausforderungen an die österreichische Wirtschaft und des relativ hohen Einkommensniveaus wäre ein Wandel hin zu zukunftsorientierten Branchentypen von Vorteil (technologieorientierte Branchen, Branchen mit hohen Anforderungen an die Qualifikation des Humankapitals oder Branchen, welche von Qualitätswettbewerb dominiert werden).

 

Abbildung 3: Entwicklung der österreichischen Exportanteile im Vergleich zur EU 27

Taxonomie nach dem Faktoreinsatz

Q: Eurostat. EU 27 einschließlich Intra-EU-Handel.

 

 

 

WIFO-Taxonomien

Die hier verwendeten WIFO-Taxonomien gliedern die Branchen der Sachgütererzeugung aufgrund des Faktoreinsatzes, der Anforderungen an die Qualifikation des Humankapitals sowie der Intensität des Qualitätswettbewerbes.

Faktoreinsatz

Die Gliederung nach dem Faktoreinsatz (Peneder, 2001B) unterscheidet arbeits- oder kapitalintensive Branchen, marketing- oder technologieorientierte sowie die traditionellen Sachgüterbranchen, in denen keiner der Produktionsfaktoren vorrangig eingesetzt wird (Peneder, 2008). Die Zuordnung erfolgte mit einer Clusteranalyse, für den Prozess wurden Daten aus den USA über Löhne und Gehälter, Investitionen in materielle Güter sowie Ausgaben für Marketing oder Forschung und Entwicklung verwendet (Peneder, 2001B).

Humankapital

Die WIFO-Taxonomie nach den Qualifikationsanforderungen an das Humankapital sieht vier Kategorien vor (Peneder, 2001B): Branchen mit hohen Qualifikationsanforderungen, mit mittleren Qualifikationsanforderungen unterteilt in Branchen, die vorwiegend Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigen, und solche, die vorwiegend Angestellte einsetzen und Branchen mit geringen Anforderungen an die Qualifikation des eingesetzten Humankapitals (Peneder, 2008). Für die Erstellung dieser Klassifikation wurden OECD-Daten zu den Anteilen der Beschäftigten je Berufsklasse verwendet (Peneder, 2001B).

Qualitätswettbewerb

Die WIFO-Taxonomie (Aiginger, 2000) nach der Intensität des Qualitätswettbewerbes ("Revealed Quality Elasticity") unterscheidet drei Kategorien: intensiver, mittlerer oder schwacher Qualitätswettbewerb. Als Indikator für den Qualitätswettbewerb dient die Relation zwischen den relativen Außenhandelspreisen im Export und im Import (gemessen an Unit Values) und den relativen exportierten und importierten Mengen. In Branchen, die vom Qualitätswettbewerb dominiert sind, weisen diese Netto-Außenhandelspreise und die Netto-Außenhandelsmengen am häufigsten dasselbe Vorzeichen auf (Aiginger, 2000).

 

Wie die Entwicklung der Exportanteile der Branchentypen nach dem Faktoreinsatz zeigt, ist die österreichische Exportwirtschaft weiterhin vornehmlich auf traditionelle Branchensegmente[b]) spezialisiert (2011: 28,3% der Gesamtexporte)[c]). Technologieorientierte Branchen haben ein geringeres Gewicht (2011: 24,6%), wenngleich ihr Anteil zwischen 2000 und 2005 kurzfristig über jenem der traditionellen Branchen lag (Abbildung 3). Im Vergleich mit dem Durchschnitt der EU 27 zeigt sich daher weiterhin ein Strukturdefizit im Warenexport, insbesondere in Bezug auf technologieintensive Branchen. Die Technologielücke (Peneder, 2008) besteht also weiterhin (Abbildung 4). Gemessen an den absoluten Werten erzielte aber auch die Gruppe der technologieintensiven Branchen eine durchschnittliche jährliche Zuwachsrate von 5,9%, die nominelle Warenausfuhr verdoppelte sich somit zwischen 1999 und 2011 beinahe.

Gemessen an den Indikatoren zur Exportspezialisierung relativ zur EU 27 zeigt sich auch in den durch hohen Qualitätswettbewerb charakterisierten Branchen sowie in jenen mit hohen Anforderungen an das Humankapital 2011 eine Lücke (Übersicht 2: niedrigerer Exportanteil, negativer RCA-Wert)[d]). Die Handelsbilanz wies jedoch in beiden Branchentypen seit 2002 einen Überschuss auf, in der zweiten Gruppe sogar mit stetig steigender Tendenz. Die Handelsbilanz der technologieintensiven Branchen ist negativ, wenn auch wesentlich schwächer als 1999.

 

Übersicht 2: Österreichs Außenhandelsperformance im Vergleich zur EU 27 nach unterschiedlichen WIFO-Taxonomien

 

Österreich

EU 27

Österreich

2011

2010

2011

1999

Handels-
bilanz in Mio. €

RCA-Wert1)

Anteile in %

Anteile der BRIC2)
in %3)

Marktanteile am Weltexport in %

Anteile in %

Anteile der BRIC2)
in %3)

Handelsbilanz in Mio. €

RCA-Wert1)

Anteile in %

Anteile der BRIC2)
in %3)

Marktanteile am Weltexport in %

Faktoreinsatz

Traditionelle Sachgüterbranchen

3.430

0,256

28,3

2,46

1,64

21,9

2,26

1.097

0,265

29,0

0,91

1,66

Arbeitsintensiv

726

0,408

13,4

0,86

1,32

8,9

0,68

50

0,323

15,8

0,22

1,37

Kapitalintensiv

6.906

0,200

20,0

0,67

1,11

24,4

1,45

1.656

0,028

17,4

0,16

1,08

Marketingorientiert

172

0,072

13,7

0,51

1,32

12,7

0,62

866

0,069

12,1

0,17

1,16

Technologieorientiert

1.680

0,263

24,6

1,93

0,95

32,0

2,56

4.965

0,323

25,6

0,62

0,77

 

Humankapital

Niedrige Qualifikation

2.717

0,122

28,4

1,13

1,25

25,1

1,32

1.563

0,039

25,7

0,28

1,16

Mittlere Qualifikation (Arbeiter und Arbeiterinnen)

2.140

0,262

26,3

1,01

1,65

20,2

1,67

665

0,302

29,9

0,30

1,66

Mittlere Qualifikation (Angestellte)

7.117

0,307

23,7

1,32

0,86

32,2

2,13

4.801

0,226

24,0

0,62

0,83

Hohe Qualifikation

3.092

0,035

21,6

2,96

1,33

22,4

2,45

743

0,123

20,5

0,86

1,04

 

Qualitätswettbewerb

Schwacher Qualitätswettbewerb

2.110

0,085

29,2

1,12

1,20

26,8

1,64

518

0,142

28,2

0,38

1,28

Mittlerer Qualitätswettbewerb

4.392

0,065

25,2

1,45

1,07

26,9

1,51

3.449

0,066

25,8

0,38

0,90

Intensiver Qualitätswettbewerb

1.900

0,015

45,6

3,86

1,34

46,3

4,42

2.473

0,042

46,0

1,32

1,20

 

Sachgütererzeugung insgesamt

4.603

.

100,0

6,43

1,23

100,0

7,57

6.441

.

100,0

2,07

1,12

Q: Eurostat; Marktanteile: UNO; WIFO-Berechnungen. EU 27 einschließlich Intra-EU-Handel. 1) RCA-Wert: Marktanteil eines Branchentyps in Österreich am Export der EU 27 im Verhältnis zum Marktanteil der gesamten österreichischen Sachgütererzeugung am Export der EU 27. - 2) Brasilien, Russland, Indien, China. 3) Anteile der Exporte in die BRIC am Gesamtexport der Sachgütererzeugung.

 

Nach Österreichs EU-Beitritt sowie den beiden EU-Osterweiterungsrunden profitierte die österreichische Exportwirtschaft vom Prozess der europäischen Integration. Trotz oder gerade wegen dieser beachtlichen Internationalisierungserfolge ist sie weiterhin stark auf Europa fokussiert. 2011 gingen noch immer fast 70% aller österreichischen Warenexporte in die EU 27 allein 31,2% entfielen weiterhin auf Deutschland, den mit Abstand wichtigsten Exporthandelspartner Österreichs; mehr als 80% der Ausfuhr verblieben in Europa. Aiginger (2008) bezeichnet diese Entwicklung als "nahe Globalisierung", Breuss (2009) sogar als "Mini-Globalisierung", da Österreichs Exporteure ihren Aktionsradius weniger stark auf Überseeländer, insbesondere aufstrebende Schwellenländer ausdehnten als etwa jene in der Schweiz. Dennoch stieg der Anteil der Warenexporte in die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) am gesamten österreichischen Export allein in den letzten fünf Jahren von 4% auf 6,3%, vor 1999 hatte er nur 2% betragen. Allerdings liegt er noch immer unter dem Durchschnitt der EU 27 von 7,6% (2011). Dies deutet auf weitere Steigerungspotentiale hin.

 

Abbildung 4: Entwicklung der Handelsbilanz zukunftsorientierter Branchen in Österreich

Q: Eurostat.

 

Eine stärkere regionale Diversifikation und somit ein weiterer Strukturwandel zu dynamischen, wenn auch weiter entfernten Märkten sind wünschenswert. Insbesondere Branchen mit hohen Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte leisten einen hohen Beitrag zum BRIC-Export (fast 3% aller österreichischen Exporte der Sachgütererzeugung; Übersicht 2). In der Branchengruppe mit intensivem Qualitätswettbewerb betrug der Anteil der BRIC-Länder 2011 sogar 3,9%; das gesamte Exportvolumen dieser Branchengruppe ist aber deutlich höher als in der Gruppe mit hohen Qualifikationsanforderungen.

Die Gruppe der technologieorientierten Branchen schneidet gemessen am Marktanteil am Weltexport unterdurchschnittlich ab (2010: 0,95%; Übersicht 2). Auch hier weisen die Branchen mit hohen Qualifikationsanforderungen und mit Dominanz des Qualitätswettbewerbes bessere Ergebnisse auf.

Unter den 27 EU-Ländern wiesen aber überwiegend nur neue EU-Länder eine überdurchschnittliche Entwicklung der Marktanteile im Zeitraum 1999/2010 auf. In der EU 15 verzeichnete nur Belgien stärkere Marktanteilsgewinne als Österreich (Abbildung 5).

Strukturwandel innerhalb von Branchen Preissegmente

Neben der relativ günstigeren Marktanteilsentwicklung der technologieorientierten Branchen weist auch die gute Gesamtentwicklung der österreichischen Exportindustrie[e]) auf eine gute Wettbewerbsfähigkeit hin. Diese überdurchschnittliche Gesamtentwicklung trotz der aufgezeigten Strukturdefizite (Verteilung zwischen den Branchentypen) könnte auf eine Spezialisierung auf höherwertige Produktsegmente innerhalb der bestehenden Industriestruktur zurückgehen.

 

Abbildung 5: Entwicklung der Marktanteile technologieorientierter Branchen am Weltexport im internationalen Vergleich

Q: UNO, WIFO-Berechnungen. EU 27 einschließlich Intra-EU-Handel.

 

Der intrasektorale Strukturwandel, d. h. ein Upgrading der Qualität innerhalb von Branchen kann an der Spezialisierung der Exporte auf Preissegmente gemessen werden (Position auf der Qualitätsleiter; siehe Kasten "Methode zur Berechnung der Preissegmente"). Ein hoher Exportanteil der Produkte im Hochpreissegment wird als Indikator für hohe Produktqualität interpretiert.

 

Methode zur Berechnung der Preissegmente

Zur Analyse des intrasektoralen Upgradings wurden für ausgewählte Zeitpunkte (1999, 2007, 2009, 2010) Preissegmente anhand der NACE-Sechssteller berechnet. Basis waren Mengen- und Wertinformationen zum bilateralen Außenhandel aller 27 EU-Länder. Sofern beide Informationen (Mengen und Werte) verfügbar waren und einen Schwellenwert überstiegen (Exportwert: 10.000 €, Exportmengen: 2 t), wurden Export-Unit-Values (Verhältnis Wert zu Menge) errechnet. Für alle NACE-Sechssteller wurden dann das 33,3%- und das 66,7%-Quantil der Verteilung aller Unit Values aller 27 EU-Länder als Schwellenwerte für die Einteilung in drei Preissegmente (oberes, mittleres und unteres Segment) herangezogen. Somit sind diese Schranken für alle 27 EU-Länder gleich, sie wurden aber für jedes der vier Jahre neu berechnet. Anhand dieser je Jahr ermittelten Schranken wurde jeder bilaterale Exportwert (NACE-Sechssteller) einem der drei Preissegmente zugeordnet. Anschließend wurden die Werte aggregiert und als Anteile an den gesamten Exportwerten dargestellt.

 

Mehr als die Hälfte der Exporte technologieorientierter Branchen waren 2010 in Österreich dem oberen Preissegment zuzuordnen, lediglich 11% entfielen auf das untere Preissegment. Zwischen 1999 und 2010 nahm zudem das Gewicht des Hochpreissegments zu, nur 2007 wurde ein Rückgang ausgewiesen (Abbildung 6). Der Anteil des oberen Preissegments am Export technologieorientierter Branchen war 2010 zudem in Österreich höher als im Durchschnitt der EU 27, jener des unteren Preissegments niedriger. Das Hochpreissegment hatte zudem das größte Gewicht im Export der technologieorientierten Branchen, der Anteil lag somit auch deutlich über dem Durchschnitt der gesamten Exporte der Sachgütererzeugung (2010: 37,4%).

 

Abbildung 6: Qualität der Exportgüter technologieorientierter Branchen in Österreich

Q: Eurostat, WIFO-Berechnungen. EU 27 einschließlich Intra-EU-Handel.

 

 

 

Abbildung 7: Entwicklung der Qualität der Exportgüter technologieorientierter Branchen

Oberes Preissegment

Q: Eurostat, WIFO-Berechnungen. EU 27, G1 bis G4, INNO und KLEIN einschließlich Intra-EU-Handel. INNO . . . Innovation Leaders (Dänemark, Finnland, Deutschland, Schweden), KLEIN . . . kleine Volkswirtschaften (Belgien, Dänemark, Finnland, Niederlande, Schweden), G1 . . . Gruppe 1 (Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden, Großbritannien), G2 . . . Gruppe 2 (Griechenland, Spanien, Italien, Zypern, Luxemburg, Portugal), G3 . . . Gruppe 3 (Tschechien, Ungarn, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien), G4 . . . Gruppe 4 (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien).

 

Ähnlich ergibt sich für die Branchen mit hohen Qualifikationsanforderungen an die Arbeitskräfte der höchste Anteil im Hochpreissegment (2010: 45,9%), hier allerdings unter dem Durchschnitt der EU 27 (46,1%) sowie unter jenem der "Innovations Leaders" (51,3%) und der anderen kleinen Volkswirtschaften (52,5%)[f]). Auch in den Branchen mit intensivem Qualitätswettbewerb weisen die Exporte im Hochpreissegment den höchsten Anteil auf (2010: 50,8%). Somit dürfte der Export in Österreich gerade in den zukunftsorientierten Branchentypen von überdurchschnittlicher Produktqualität sein.

Neben dem Durchschnitt der EU 27 weisen auch die Gruppe der anderen kleinen Volkswirtschaften sowie die Innovation Leaders einen geringeren Anteil des Hochpreissegments am Export der technologieorientierten Branchen auf als Österreich (Abbildung 7). Im Durchschnitt der Gruppe 1 (Länder mit überdurchschnittlichem BIP pro Kopf und Spezialisierung auf wissensintensive Branchen) bleibt der Anteil des Hochpreissegments ebenfalls unter dem österreichischen Wert. Nur der Anstieg des Anteils des Hochpreissegments am Export der technologieorientierten Branchen 1999/2009 war in der Gruppe der anderen kleinen Volkswirtschaften etwas höher als in Österreich.

Schlussfolgerungen

Wie die Analyse der Entwicklung der Hauptwarenströme der Weltwirtschaft auf der Grundlage von Produkttypen zeigt, geriet die Position der Industrieländer zwischen 1999 und 2009 durch die rasche Expansion Chinas vor allem auch im Handel mit komplexen Produkten, die in komplexen Verfahren hergestellt werden, unter Druck. Die EU, die USA und Japan verloren im Handel mit Industriegütern insgesamt, insbesondere aber in dieser Produktklasse Weltmarktanteile. Die Einbußen waren teilweise drastisch und spiegeln eine tiefgreifende Strukturveränderung in der internationalen Arbeitsteilung wider.

Dieser Strukturwandel ist durch eine Verlagerung von Weltmarktanteilen zu Volkswirtschaften gekennzeichnet, die sich in einem wirtschaftlichen und technologischen Aufholprozess befinden. Innerhalb der EU gewannen vor allem die neuen EU-Länder Weltmarktanteile; zwischen den großen Wirtschaftsräumen weltweit stieg in erster Linie der Anteil Chinas, aber auch anderer BRIC-Länder. Eine Ausnahme bildet Deutschland, dessen Position sich zwischen 1999 und 2009 in allen Produktkategorien verbesserte. Insgesamt erhöht diese Entwicklung den Druck auf die einkommensstarken Volkswirtschaften, die eigenen Exporte stärker zu differenzieren bzw. deren Qualität zu erhöhen.

Die Entwicklung der österreichischen Exportwirtschaft ist weniger durch Diversifikation der geographischen Märkte oder Branchen, sondern durch Qualitätssteigerung entlang von Qualitätsleitern innerhalb der Branchen bestimmt. Der Exportsektor ist weiterhin auf traditionelle Branchensegmente spezialisiert. Die Exportanteile der technologieintensiven Branchen liegen nach wie vor unter dem EU-Durchschnitt. Andererseits zeigen die Daten eine Spezialisierung innerhalb der bestehenden Industriestruktur auf höherwertige Produktsegmente.

Die Ergebnisse von Reinstaller Unterlass (2012B, in diesem Heft) legen die Vermutung nahe, dass diese Positionierung österreichischer Unternehmen am oberen Ende der Qualitätsleiter vor allem durch die starke Ausweitung der F&E-Ausgaben in den vergangenen zehn Jahren getragen war. Dieser Umstand kann die insgesamt günstige Entwicklung der österreichischen Exportwirtschaft erklären. Mittelfristig könnte diese Strategie aber abnehmende Erträge bringen, sodass sich die Wettbewerbsfähigkeit im Export verschlechtert. Eine forcierte Diversifikation der österreichischen Wirtschaftsstruktur wie auch eine intensivere Bearbeitung von dynamischen Märkten und somit eine geographische Diversifikation könnten daher die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaftsstruktur langfristig stärken (vgl. Saviotti Frenken, 2008) und wären daher wünschenswert. 

Literaturhinweise

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Sutton, J., Trefler, D., "Deductions from the Export Basket: Capabilities, Wealth and Trade", NBER Working Papers, 2011, (16834).

 

Changes in the Export Structure in Austria and the EU Summary

In the past decade trade in manufactured goods has experienced a rise in developing economies. China especially has seen its world market share in the trade of complex industrial products rising dramatically, whereas those of some industrialised economies have fallen. In this product category world market shares of the EU 27 countries have declined less drastically than those of the USA or Japan, the result, in part, of a reallocation of market shares within the EU away from major industrialised countries such as the UK towards new member countries. These developments have put pressure on exporters in important industrialised countries to ascend the quality ladder and diversify their exports into new markets and technology-driven industries. In Austria, the emphasis was more on upgrading along the quality ladder than on diversification into new markets or into technology-driven industries. Export shares of these industries in Austria remain below the EU average.

 

 

 



[a])  Die Klassifikation entsprechend dem technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungsniveau der Volkswirtschaften geht auf Reinstaller - Unterlass (2011) zurück und wurde von Janger et al. (2011) erweitert. Gruppe 1: Länder mit überdurchschnittlichem BIP pro Kopf und Spezialisierung auf wissensintensive Branchen (Belgien, Dänemark, Deutschland, Irland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden, Großbritannien); Gruppe 2: Länder mit überdurchschnittlichem BIP pro Kopf und Spezialisierung auf weniger wissensintensive Branchen (Griechenland, Spanien, Italien, Zypern, Luxemburg, Portugal); Gruppe 3: Länder mit unterdurchschnittlichem BIP pro Kopf und Spezialisierung auf wissensintensive Branchen (Tschechien, Ungarn, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien); Gruppe 4: Länder mit unterdurchschnittlichem BIP pro Kopf und Spezialisierung auf weniger wissensintensive Branchen (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien). Eine ausführliche Diskussion der Ländergruppen findet sich in Janger (2012) in diesem Heft.

[b])  Janger (2012, in diesem Heft) bezeichnet diese Gruppe auch als "ausgewogene Branchen", da sie die vier Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital, Marketing und F&E in ähnlichem Ausmaß einsetzen.

[c])  Die Berechnungen basieren (mit Ausnahme des Weltmarktanteils) auf den Daten von Eurostat, um die Vergleichbarkeit mit der Analyse nach Preissegmenten zu gewährleisten.

[d])  Marktanteil eines Branchentyps in Österreich am Export der EU 27 im Verhältnis zum Marktanteil der gesamten österreichischen Sachgütererzeugung am Export der EU 27.

[e])  Gemäß Eurostat-Daten wuchs der österreichische Warenexport im Durchschnitt 1999/2011 um 6,2% p. a. Unter den Ländern der EU 15 erzielten nur die Niederlande und Deutschland sowie die aufholenden Länder Spanien und Griechenland höhere Zuwachsraten.

[f])  Als "Innovation Leaders" werden hier die Länder bezeichnet, die im Innovation Scoreboard der EU führend sind (Dänemark, Deutschland, Finnland, Schweden). Die Gruppe der anderen kleinen offenen Volkswirtschaften bilden Belgien, Dänemark, Finnland, die Niederlande und Schweden.