Die stabilisierende Wirkung
der Sozialpolitik in der Finanzmarktkrise
Sozialpolitische Maßnahmen leisteten in der EU einen wesentlichen Beitrag
zur Stabilisierung in der jüngsten Rezession. Automatische Stabilisatoren eines
progressiven Abgabensystems und eines gut ausgebauten Transfersystems spielten dabei
eine besondere Rolle. Diskretionäre Maßnahmen waren wichtig, blieben in ihrer BIP-
und Beschäftigungswirkung jedoch aufgrund der verbreiteten Unsicherheit und des
hohen Anteils der Abgabensenkungen am Maßnahmenvolumen verhalten. Die erwartungsstabilisierenden
Effekte des Sozialstaates sind schwierig zu quantifizieren, ihnen dürfte aber große
Bedeutung zukommen.
Der Beitrag basiert auf einer
Studie des WIFO in Zusammenarbeit mit IZA, FRDB, IDEA und NIRAS im Auftrag des Europäischen
Parlaments: Werner Eichhorst, Mathias Dolls, Paul Marx, Andreas Peichl (IZA), Stefan
Ederer, Thomas Leoni, Markus Marterbauer, Lukas Tockner (WIFO), Gaetano Basso (FRDB),
Maarten Gerard, Ingrid Vanhoren (Idea Consult), Connie Nielsen (NIRAS), The Role
of the Social Protection as an Economic Stabiliser: Lessons from the Current Crisis
(IZA Research Reports, 2010, 31, IP/A/EMPL/FWC/2008-02/C1/SC3, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/41362) • Begutachtung: Michael Wüger • Wissenschaftliche
Assistenz: Doris Gabriel • E-Mail-Adressen: Thomas.Leoni@wifo.ac.at, Markus.Marterbauer@wifo.ac.at, Lukas.Tockner@wifo.ac.at, Doris.Gabriel@wifo.ac.at
INHALT
Antizyklische Politik in der Rezession
Sozialpolitik als automatischer Stabilisator
Sozialpolitik durch fiskalpolitische Intervention
Diskretionäre sozialpolitische Maßnahmen in der
Krise
Gesamtwirtschaftliche Effekte diskretionärer
Sozialpolitik
Beschäftigungseffekte diskretionärer
Sozialpolitik
Diskretionäre Sozialpolitik und Unsicherheit
Reformbedarf bezüglich des Einsatzes
diskretionärer Sozialpolitik
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN
Übersicht 1: Diskretionäre Sozialpolitik in der EU
Übersicht 2: Gesamtwirtschaftliche Wirkungen der diskretionären sozialpolitischen
Maßnahmen
Übersicht 3: Konsumeffekte der diskretionären sozialpolitischen Maßnahmen
Übersicht 4: Beschäftigungsausweitung aufgrund der diskretionären sozialpolitischen
Maßnahmen
Übersicht 5: Auswirkungen von erhöhter Unsicherheit und Vorsichtssparen in
Deutschland
Die schwere Finanzmarkt-
und Wirtschaftskrise wurde 2009 und 2010 in ihren Wirkungen auf BIP und Beschäftigung
in der EU durch Maßnahmen der antizyklischen Wirtschaftspolitik merklich abgefedert.
Sozialpolitische Interventionen spielten dabei eine wichtige Rolle, sowohl in Form
der automatischen Stabilisatoren der öffentlichen Haushalte als auch durch diskretionäre
Anpassungen von Abgaben und Transfers sowie durch die Stabilisierung der Erwartungen
der privaten Haushalte. Unter sozialpolitischen Maßnahmen im weiteren Sinn werden
dabei alle jene Interventionen erfasst, die auf Einkommen und Beschäftigung der
Bevölkerung bzw. bestimmter sozialer Gruppen abzielen.
Der große Vorteil automatischer
Stabilisatoren besteht in ihrer kurzfristigen Wirkung: Im Bereich der Sozialausgaben
ist die Arbeitslosenunterstützung die wichtigste Komponente. Ihre stabilisierende
Wirkung ist umso größer, je höher die Ersatzrate in Relation zum Nettoeinkommen
und je länger die Bezugsdauer ist. Auch Ausgaben für Pensionen und Gesundheit wirken
als automatische Stabilisatoren. Das Abgabensystem wirkt umso stärker stabilisierend,
je höher sein Progressionsgrad ist. Innerhalb der EU unterscheiden sich die automatischen
Stabilisierungseffekte des Sozialstaates erheblich: Sie sind in Dänemark am höchsten
vor Belgien, Deutschland, Schweden und Österreich. In Süd- und Osteuropa sind sie
relativ gering. Für die EU insgesamt ergibt sich eine deutlich höhere Stabilisierungswirkung
als für die USA. Die stabilisierenden Effekte des Sozialstaates in der Krise könnten
dadurch erhöht werden, dass manche diskretionären Elemente der Politik automatisiert
werden: So machte etwa Dänemark gute Erfahrungen mit einer automatischen Ausweitung
der Mittel für Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen bei einem Anstieg der Arbeitslosenquote;
eine ähnliche Vorgangsweise wäre für die Anpassung von Höhe und Bezugsdauer von
Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung denkbar.
Die aktive diskretionäre
Fiskalpolitik spielte in der jüngsten Rezession eine wichtige Rolle, auch weil die
Geldpolitik bereits in einer frühen Phase nur mehr eingeschränkt wirkte und die
Krise außerordentlich tief war. In diesem Rahmen waren auch sozialpolitische Maßnahmen
bedeutend. Sie erreichten 2009 und 2010 in der EU ein Volumen von etwa 1,1% des
BIP und bestanden überwiegend in der Senkung von Abgaben der privaten Haushalte.
Nur Dänemark, Schweden, Belgien, Portugal und Spanien setzten ausgabenseitige Impulse,
deren Volumen größer als ½% des BIP war. Diese Maßnahmen steigerten nicht nur das
BIP im Inland, sondern auch jenes der Handelspartner. So erhöhte sich das BIP in
Österreich dank eigener diskretionärer sozialpolitischer Maßnahmen (von Senkung
der Einkommensteuer über die Ausweitung von Transfers bis zu Kurzarbeit) 2009 und
2010 um etwa 1%, dazu kam ein Effekt von +½% des BIP aufgrund von Maßnahmen anderer
EU-Länder. Für den Euro-Raum ergibt sich ein Anstieg des BIP von 0,9%. In der EU
wurden durch diskretionäre sozialpolitische Maßnahmen zur Konjunkturstützung etwa
330.000 Arbeitsplätze geschaffen. Die positiven Effekte wären bei besserer Koordination
zwischen den EU-Ländern und stärkerer Konzentration auf die temporäre Ausweitung
von Transfers an Haushalte mit hoher Konsumneigung und auf die direkte Beschäftigungsförderung
höher gewesen.
Über die Wirkung der automatischen
Stabilisatoren und der diskretionären Maßnahmen hinaus entfaltet der Sozialstaat
auch dadurch antizyklische Wirkung, dass er die Erwartungen der privaten Haushalte
stabilisiert und das Entstehen von Vorsichtssparen verhindert. Diese Wirkung ist
empirisch schwierig zu quantifizieren, dürfte in Bezug auf Wachstum und Beschäftigung
allerdings mit jener der in der jüngsten Krise implementierten diskretionären Maßnahmen
vergleichbar sein.
Der schwere Konjunktureinbruch
in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise löste eine Rückkehr zu aktiver konjunkturpolitsicher
Gegensteuerung aus. Über die unmittelbare Wirkung der automatischen Stabilisatoren
auf die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben hinaus wurde auch eine diskretionäre
Budgetpolitik eingesetzt. Sozialpolitische Maßnahmen spielten dabei eine wesentliche
Rolle.
Ab dem Frühjahr 2008 erfasste
die weltweite Finanzmarktkrise auch die Realwirtschaft: In der EU sank das BIP im
Jahr 2009 real um 4,2%. Die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich
um 7 Mio. auf 23 Mio., die Arbeitslosenquote stieg 2010 auf 9,6% der Erwerbspersonen.
Die im Sozialsystem eingebauten Stabilisierungsmechanismen und der Einsatz expansiver
Sozialpolitik trugen dazu bei, sowohl Dauer als auch Ausmaß der Rezession zu beschränken.
Dies gilt für die automatischen Stabilisatoren auf der Einnahmen- und Ausgabenseite
des öffentlichen Sektors wie auch für diskretionäre Maßnahmen der Sozialpolitik
im Rahmen der Konjunkturpakete, die in den meisten EU-Ländern implementiert wurden.
Dabei erwies sich die Wirkung der Sozialpolitik als besonders günstig, da sie tendenziell
besonders jenen sozialen Gruppen hilft, die am härtesten getroffen werden, und relativ
stark nachfragewirksam ist.
In der Rezession sinken
Einkommen und Beschäftigung. Dies löst einen Rückgang der Abgabeneinnahmen und einen
Anstieg der Transferzahlungen des Staates aus. So entsteht ein automatischer Beitrag
zur Stabilisierung von verfügbaren Einkommen und Konsumnachfrage der privaten Haushalte.
Die Wirksamkeit dieser automatischen Stabilisatoren ist umso effektiver, je höher
der Progressionsgrad des jeweiligen Steuersystems ist (van den Noord, 2000). Der Vorteil der automatischen Stabilisatoren liegt
in ihrer Wirksamkeit ohne Zeitverzögerung: Sobald das BIP zurückgeht, werden Effekte
auf das verfügbare Einkommen induziert.
Zusätzlich zu den automatischen
Stabilisatoren wurden diskretionäre Stabilisierungsmaßnahmen gesetzt. Ihre Vorteile
bestehen im potentiell umfangreichen Volumen und in ihrer öffentlichen Wahrnehmung,
die die Erwartungen stabilisieren kann. Ihr Nachteil besteht in der Verzögerung,
die sich durch den zeitlichen Aufwand von Problemdiagnose, Beschlussfassung und
Implementierung ergibt; zudem sind diskretionäre Maßnahmen bisweilen durch den politischen
Entscheidungsprozess und Partikularinteressen geprägt.
Die aktive Fiskalpolitik
wurde in den letzten Jahrzehnten im akademischen Diskurs und in der wirtschaftspolitischen
Praxis in den Hintergrund gedrängt. In der weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise
wurde die diskretionäre Stabilisierungspolitik allerdings aus mehreren Gründen intensiv
genutzt: Erstens war der Spielraum der konventionellen Geldpolitik bereits in einer
frühen Phase der Krise weitgehend ausgereizt, und die Nachfragewirkungen einer Niedrigzinspolitik
sind in einer Situation der Unterauslastung und der gedämpften Erwartungen meist
relativ gering. Zweitens war rasch offensichtlich, dass der Abschwung stark und
die Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt anhaltend sein würden. Wie empirische Untersuchungen
zeigen, beeinträchtigt eine Rezession nach einer Finanzmarktkrise Wachstum und Beschäftigung
besonders stark und lang (Reinhart – Rogoff, 2008). Aktives fiskalpolitisches Gegensteuern war deshalb gut begründet
(Blanchard – Dell'Ariccia – Mauro, 2010).
Der aktive Einsatz von
diskretionärer Stabilisierung in der aktuellen Krise wird auch anhand der Erfahrungen
in der Vergangenheit gerechtfertigt. Studien zur Fiskalpolitik während der Weltwirtschaftskrise
der 1930er-Jahre und während der "verlorenen Dekaden" Japans betonen die
Relevanz von substantieller und länger anhaltender fiskalpolitischer Intervention.
Sowohl in den USA 1937 als auch in Japan 1997 hatten demnach die verfrühten nachfragewirksamen
Konsolidierungsbemühungen einen Rückfall in die Rezession zur Folge (Fatás – Mihov, 2009, Romer,
1991, Spilimbergo et al., 2008).
Soziale Sicherungssysteme
können im Rahmen der Stabilisierungspolitik auch deshalb besondere Bedeutung haben,
weil sie die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte beeinflussen (Tichy, 1999). In der Rezession tragen sie
wesentlich zur Vermeidung von Unsicherheit und Vorsichtssparen und damit zur Stabilisierung
der Konsumausgaben bei. Im Jahr 2009 sanken die Konsumausgaben gegenüber dem Vorjahr
in der EU in Relation zur Tiefe der Rezession nur mäßig (Euro-Raum real –1,1%, EU –1,7%).
Automatische Stabilisatoren und diskretionäre Maßnahmen der Sozialpolitik dürften
wesentlich dazu beigetragen haben, die Erwartungen von privaten Haushalten und Unternehmen
zu stabilisieren und die Unsicherheit in der Gesamtwirtschaft zu vermindern.
Der Progressionsgrad von Einkommensteuer
und Sozialversicherungsbeiträgen sowie die Höhe und Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung
bestimmen die Wirksamkeit der automatischen Stabilisatoren. In Ländern mit großem
Staatsanteil ist die stabilisierende Wirkung des Sozialsystems besonders hoch.
Die Arbeitslosenunterstützung
ist die wichtigste Komponente der automatischen Stabilisatoren im Bereich der Sozialausgaben.
Ihre stabilisierende Wirkung ist umso größer, je höher die Ersatzrate in Relation
zum Nettoeinkommen und je länger die Bezugsdauer ist. Zwischen den EU-Ländern unterscheiden
sich beide Kriterien erheblich. Die soziale Absicherung ist vor allem für die unteren
Einkommensgruppen in den skandinavischen Ländern besonders günstig. In Dänemark
beträgt die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld höchstens 48 Monate, die Ersatzrate
90% des Letzteinkommens; in Schweden kann Arbeitslosengeld 14 Monate lang bezogen
werden, die Ersatzrate beträgt 70% bis 80%. Relativ hoch ist die Absicherung auch
in den Niederlanden, in Frankreich, Belgien und zum Teil in Portugal. In Deutschland
und Österreich liegt die Ersatzrate des Arbeitslosengeldes im unteren Mittelfeld
der EU-Länder[a]). Deutlich ungünstiger sind die sozialen Bedingungen
und damit die stabilisierenden Wirkungen des Systems in den angelsächsischen, manchen
südeuropäischen und den osteuropäischen Ländern.
Im Abschwung steigen neben
den Aufwendungen für Arbeitslosengeld auch die staatlichen Ausgaben für Pensionen,
Invaliditätspensionen, Krankenstände und den Gesundheitssektor (Darby – Melitz, 2008). Empirisch zeigt sich ein enger Zusammenhang
zwischen der Zahl der Frühpensionierungen und dem Konjunkturzyklus (Darby – Hart – Vecchi, 2001). Die Zugänge zur Invaliditätspension steigen in einer Rezession auch,
weil Beschäftigte mit Gesundheitsproblemen dies als Alternative zu Arbeitslosigkeit
sehen (Fahr – Frick, 2007).
Gemäß allen Untersuchungen
zur Wirksamkeit automatischer Stabilisatoren ist die Größe des Staatssektors gemessen
an der Abgaben- und der Ausgabenquote entscheidend: je höher der Staatsanteil, desto
stärker die Glättung der Einkommensentwicklung (Galí, 1994, Fatás – Mihov, 2001, Furceri, 2009). Zudem spielen
Budgetstruktur und institutionelle Faktoren eine wichtige Rolle für das unterschiedliche
Ausmaß der Stabilisatorwirkung. Das Aufkommen direkter Steuern reagiert stärker
auf Konjunkturschwankungen als jenes von Sozialversicherungsbeiträgen und Verbrauchssteuern
(Baunsgaard – Symansky, 2009) und hat deshalb eine größere Stabilisierungswirkung. Diese ist umso
höher, je stärker der Progressionsgrad der Einkommensteuern ist.
Auch Regelungen zu Mindestsicherung
und Sozialhilfe entfalten eine stabilisierende Wirkung. Zwischen den EU-Ländern
unterscheidet sich das Ausmaß der sozialen Mindestsicherung erheblich, in den meisten
Ländern liegt das Sicherungsniveau unter der Armutsschwelle (Frazer – Marlier, 2009), lediglich Dänemark, Irland und die Niederlande
bilden hier eine Ausnahme. Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit im Krisenverlauf
zeigt die asymmetrische Betroffenheit der privaten Haushalte durch die Krise. Diese
sozialpolitische Herausforderung wird durch das Phänomen der Working Poor verschärft.
Wie eine Untersuchung der OECD für 21 europäische Länder zeigt, sind beinahe 80%
der Working Poor teilzeitbeschäftigt (OECD,
2009A). Eine krisenbedingte Verschlechterung der Lage auf dem Arbeitsmarkt hat deshalb
weitreichende Folgen in Bezug auf die Armutsgefährdung, denen eine aktive Sozialpolitik
langfristig positiv entgegen wirken kann.
Die Ausgestaltung des Abgaben-
und Transfersystems bestimmt wesentlich, in welchem Ausmaß ein negativer Schock
auf die Einkommen oder die Beschäftigung das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte
schmälert und damit die Gesamtwirtschaft beeinträchtigt. Die stabilisierende Wirkung
des Sozialstaates ist in der EU deutlich höher als in den USA (Dolls – Fuest
– Peichl, 2009, Eichhorst et al., 2010).
Das Ausmaß der automatischen Stabilisierungswirkungen variiert innerhalb der EU
beträchtlich: Im Fall einer krisenbedingten Verringerung der Bruttoeinkommen ist
die stärkste Stabilisierungswirkung in Dänemark am größten vor Belgien, Deutschland,
Ungarn, Österreich und Schweden (Eichhorst
et al., 2010), am geringsten in Estland, Spanien und Griechenland. Dies wird
wesentlich durch Höhe und Progressionsgrad von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen
bestimmt.
Ebenso ist die von einem
Anstieg der Arbeitslosigkeit ausgelöste Stabilisierungswirkung in Dänemark am höchsten
vor Schweden, Deutschland, Belgien, Luxemburg und Österreich und am geringsten in
Estland, Italien und Griechenland. Bestimmt wird das Ausmaß der Wirkung der automatischen
Stabilisatoren in diesem Fall von der Höhe und der Bezugsdauer der Arbeitslosenunterstützung.
Die stabilisierende Wirkung des Sozialstaates ist meist in offenen Volkswirtschaften
(gemessen am Export- oder Importanteil) besonders groß. Zwar ist in diesen Ländern
die Importneigung hoch und die Multiplikatorwirkung expansiver fiskalpolitischer
Maßnahmen deshalb relativ gering, doch weisen sie gleichzeitig meist einen hohen
Staatsanteil am BIP auf, der eine ausgeprägte Wirkung der automatischen Stabilisatoren
mit sich bringt (Rodrik, 1998).
Die Höhe der Spar- und der
Importneigung sowie das Verhalten der Geldpolitik bestimmen die Wirksamkeit diskretionärer
budgetpolitischer Maßnahmen. Besonders hohe Beschäftigungswirkungen ergeben sich
bei direkter öffentlicher Beschäftigung und zielsicherer Subvention, etwa im Fall
von Kurzarbeit.
Die EU-Wirtschaftspolitik
rang sich erst gegen Ende 2008, mitten in der Rezession, zu aktiver geld- und budgetpolitischer
Gegensteuerung durch. Der Internationale Währungsfonds empfahl umfangreiche Konjunkturpakete,
die "timely, large, lasting, diversified, contingent, collective and sustainable"
sein sollten (Spilimbergo – Symansky – Blanchard, 2008, S. 3).
Die Wirkungen diskretionärer
Stabilisierungsmaßnahmen auf das BIP hängen von drei Faktoren ab:
·
Sparquote der
durch die Maßnahmen begünstigten Haushalte: Haushalte mit niedrigerem Einkommen
weisen eine geringe Sparneigung auf, damit ist der Multiplikatoreffekt hoch. In
einer tiefen Krise kann aufgrund der großen Unsicherheit die Sparneigung steigen,
sodass vor allem die expansiven Wirkungen von Steuersenkungen sehr beschränkt sind.
·
Internationale
Verflechtung der Volkswirtschaft: Bei hoher Importneigung wird ein signifikanter
Teil der zusätzlichen Nachfrage im Ausland wirksam. Im europäischen Kontext weist
dies auf die große Bedeutung supranationaler Koordination von fiskalpolitischen
Maßnahmen hin.
·
Verhalten der
Zentralbank: Bei akkommodierender Geldpolitik mit niedrigen Zinssätzen ist ein stärkerer
expansiver Effekt zu erwarten. Die Niedrigzinspolitik und die Ausweitung der Liquidität
durch die Notenbanken stützten die Wirkung von Konjunkturprogrammen in der Finanzmarktkrise
merklich.
Die gesamtwirtschaftlichen
Auswirkungen von Konjunkturpakete variieren auch nach dem Maßnahmentyp. Die stärksten
Effekte entstehen durch direkte Ausgaben wie etwa öffentliche Investitionen, dabei
sind jedoch Wirkungsverzögerungen zu beachten. Geringer sind die Wirkungen von Steuersenkungen
und Transfererhöhungen, weil sie zunächst nur das verfügbare Einkommen und nur indirekt
die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigern. Ein sehr wirkungsvolles Instrument
ist die diskretionäre Sozialpolitik, die besonders krisenbetroffene Haushalte mit
niedriger Sparquote begünstigt. Empirische Untersuchungen internationaler Organisationen
bestätigen die theoretisch erwarteten Multiplikatorwirkungen der Konjunkturprogramme
(Freedman et al., 2009, OECD, 2009B, Spilimbergo – Symansky
– Schindler, 2009).
Für die Beschäftigungswirkung
diskretionärer Stabilisierungspolitik ergeben sich ähnliche Multiplikatoren wie
für die BIP-Effekte. Deutlich höher als die BIP-Effekte sind die Beschäftigungswirkungen
direkter öffentlicher Beschäftigung und zielsicherer Subventionen an Unternehmen,
etwa für Kurzarbeit. Im Zuge der Konjunkturprogramme weiteten die skandinavischen
Länder die Beschäftigung in den öffentlichen Dienstleistungen aus. Kurzarbeit spielte
in vielen Ländern eine wichtige Rolle: In Belgien etwa nahmen 2009 mehr als 5% der
Beschäftigten an solchen Maßnahmen teil, in Italien und Deutschland 3%, in Österreich
1% (OECD, 2010).
Direkte Interventionen
der Beschäftigungspolitik haben kurzfristig sehr positive Wirkungen; langfristig
besteht die Gefahr, dass sie den Strukturwandel verzögern, indem gegebenenfalls
Beschäftigung zu lange in Sektoren gehalten wird, die an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig
sehen beschäftigungspolitische Interventionen allerdings häufig Maßnahmen gegen
drohende Qualifizierungsverluste vor und wirken so auch langfristig positiv. In
der jüngsten Wirtschaftskrise wurden in vielen Ländern Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen
verstärkt und die Stellenvermittlung intensiviert. Maßnahmen, die die individuelle
Produktivität erhöhen, verbessern die Arbeitsmarktchancen; bei fehlender Nachfrage
nach Arbeitskräften in der Krise sind die kurzfristigen Erfolge gering, mittelfristig
hingegen können sie hoch sein. Besonders für Jugendliche sind Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen
bei schlechter Arbeitsmarktlage wichtig, weil sie hohe langfristige Erträge versprechen.
2009 und 2010 wurden in der
EU sozialpolitische Maßnahmen im weiteren Sinn im Umfang von 1,1% des BIP gesetzt.
Besonders aktiv war die Politik in den skandinavischen Ländern, in Spanien, Deutschland
und Österreich.
In der vorliegenden Analyse
des sozialpolitischen Teils der Konjunkturpakete von EU-Ländern wird der Handlungsrahmen
der Sozialpolitik breit definiert. Sozialpolitische Maßnahmen im weiteren Sinn sind
demnach alle Maßnahmen, die das Einkommen und die Beschäftigungssituation der Bevölkerung
bzw. bestimmter Bevölkerungsgruppen verbessern sollen. Wie die Schätzung der Effekte
auf Wachstum und Beschäftigung[b]) zeigt, hat ein koordinierter Politikansatz innerhalb
der EU merkliche Vorteile gegenüber einzelstaatlichen Initiativen.
Die meisten EU-Länder beschlossen
Ende 2008 und Anfang 2009 diskretionäre konjunkturpolitische Maßnahmen, die im Laufe
des Jahres 2009 wirksam wurden[c]). Dabei spielten häufig sozialpolitische Maßnahmen
im weiteren Sinn eine wichtige Rolle (Übersicht 1). Im Euro-Raum wurden insgesamt
diskretionäre expansive Maßnahmen im Umfang von knapp 2% des BIP von 2008 gesetzt.
Auf die Sozialpolitik im weiteren Sinn entfielen davon 59%, das entspricht einem
Volumen von etwa 100 Mrd. € (1,1% des BIP). Allerdings waren die Konjunkturpakete
stark auf Abgabensenkungen zur Entlastung der privaten Haushalte ausgerichtet: Maßnahmen
im Umfang von 0,78% des BIP betrafen Einnahmensenkungen, 0,32% des BIP wurden auf
der Ausgabenseite wirksam. Lediglich Dänemark, Schweden, Belgien, Portugal und Spanien
setzten ausgabenseitige Impulse von mehr als 0,5% des BIP. Zwei Drittel der gesamten
sozialpolitischen Impulse im Euro-Raum machten die Maßnahmen in Deutschland und
Spanien aus.
Diskretionäre sozialpolitische
Maßnahmen waren in Deutschland die Erhöhung des Steuerfreibetrages sowie die Senkung
des Eingangssteuersatzes in der Einkommensteuer und der Sozialversicherungsbeiträge.
Die Transfers an private Haushalte und Unternehmen sowie die Konsumausgaben des
Staates wurden ausgeweitet. Insgesamt umfassten diese Maßnahmen rund 39 Mrd. € (1,5%
des BIP; OECD, 2009C). Die größte Bedeutung
für die Stabilisierung der Beschäftigung und die Eindämmung der Arbeitslosigkeit
hatte neben dem traditionell starken Kündigungsschutz die hohe interne Arbeitszeitflexibilität
auf Branchen- und Unternehmensebene. In der Krise wurde die Arbeitszeit durch kollektivvertragliche
Vereinbarungen, den Abbau von Mehrstunden auf Arbeitszeitkonten und den umfangreichen
Einsatz von Kurzarbeit gesenkt (Herzog-Stein
et al., 2010). Zum Höhepunkt im Frühjahr 2009 waren mehr als 1,5 Mio. Beschäftigte
in Kurzarbeit, vor allem in der von der Rezession besonders betroffenen exportorientierten
Industrie.
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Übersicht 1: Diskretionäre
Sozialpolitik in der EU |
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|||||
Maßnahmen insgesamt |
Einnahmenseitige Maßnahmen |
Ausgabenseitige Maßnahmen |
Anteile am gesamten Stimuluspaket |
||
2008 |
|||||
Mrd. € |
In % des BIP |
||||
|
|||||
Euro-Raum |
99,18 |
1,10 |
0,78 |
0,32 |
0,61 |
Belgien |
5,29 |
1,53 |
1,03 |
0,50 |
0,96 |
Deutschland |
39,07 |
1,57 |
1,24 |
0,33 |
0,53 |
Griechenland |
1,04 |
0,43 |
0,00 |
0,43 |
0,69 |
Spanien |
26,42 |
2,43 |
1,66 |
0,77 |
0,68 |
Frankreich |
5,50 |
0,28 |
0,13 |
0,15 |
0,43 |
Italien |
3,31 |
0,21 |
0,00 |
0,21 |
0,65 |
Niederlande |
7,34 |
1,23 |
1,12 |
0,11 |
0,80 |
Österreich |
4,54 |
1,61 |
1,35 |
0,26 |
0,90 |
Portugal |
1,02 |
0,61 |
0,00 |
0,61 |
0,77 |
Slowakei |
0,72 |
1,10 |
0,61 |
0,49 |
0,95 |
Finnland |
4,93 |
2,68 |
2,39 |
0,29 |
0,84 |
Tschechien |
2,98 |
2,14 |
2,01 |
0,14 |
0,66 |
Dänemark |
3,98 |
1,71 |
0,68 |
1,02 |
0,67 |
Polen |
1,18 |
0,40 |
0,31 |
0,09 |
0,22 |
Schweden |
7,35 |
2,47 |
1,73 |
0,74 |
0,88 |
Großbritannien |
12,34 |
0,76 |
0,59 |
0,17 |
0,45 |
|
|||||
Durchschnitt 16 Länder |
|
1,10 |
0,78 |
0,32 |
0,59 |
Q: OECD (2009C). |
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In Relation zum BIP hatten
auch die sozialpolitischen Maßnahmen zur Konjunkturstützung in den drei skandinavischen
Ländern, in Belgien, den Niederlanden, Österreich, der Slowakei und Tschechien großes
Gewicht. In Österreich fallen unter diese Kategorie die umfangreiche Senkung der
Einkommensteuern 2009, die Ausweitung von Sozialtransfers (Familie, Pflege, Pensionen)
im Herbst 2008 und die Förderung von Kurzarbeit. Die skandinavischen Länder weisen
nicht nur aufgrund ihres hohen Staatsanteils ausgeprägte automatische Stabilisatoren
auf, sondern ergriffen auch in der Krise umfangreiche diskretionäre Maßnahmen, die
stärker als in anderen Ländern die Staatsausgabenseite betrafen. In Dänemark hatten
private Haushalte in der Krise die Möglichkeit, Ersparnisse aus dem verpflichtenden
privaten Zusatzpensionsschema zu entnehmen; eine Einkommensteuerreform entlastete
vor allem Familien mit Kindern, zudem wurden die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik
mit steigender Arbeitslosigkeit (automatisch) erhöht.
Die expansive diskretionäre
Sozialpolitik erhöhte das BIP im Euro-Raum 2009 und 2010 um 0,9%. Alle EU-Länder
profitieren nicht nur von ihren eigenen Maßnahmen, sondern auch von den Aktivitäten
der Handelspartner. Dies bestätigt die große Bedeutung eines koordinierten Vorgehens
antizyklischer Budgetpolitik.
Das WIFO hat die Wirkung
sozialpolitischer Maßnahmen im Rahmen der Konjunkturpakete der EU-Länder mit Hilfe
des Oxford World Economic Model untersucht (Oxford
Economic Forecasting, 2005). Dieses Weltmodell ermöglicht die Schätzung nicht
nur der inländischen Effekte der Maßnahmen, sondern auch der expansiven Impulse,
die sich aus der engen wirtschaftlichen Verflechtung innerhalb der EU ergeben[d]). Hier werden nur die Wirkungen der expansiven
Maßnahmen während der Krise analysiert, nicht aber die restriktiven Maßnahmen zur
Budgetkonsolidierung, die in Griechenland, Spanien, Portugal und Irland bereits
im Jahr 2010 und in den meisten anderen EU-Ländern im Jahr 2011 wirksam wurden und
zu einem erheblichen Teil im Bereich der Sozialpolitik greifen.
In den großen EU-Ländern
waren vor allem die selbst gesetzten Maßnahmen wirksam (Übersicht 2). In Deutschland
etwa steigerten die expansiven sozialpolitischen Maßnahmen das BIP schon im Jahr
2010 um 0,3%, bis 2012 betrug der Effekt gegenüber der Basislösung ohne expansive
Sozialpolitik kumuliert +1,4%. Drei Viertel der Wirkung waren die Folge der eigenen
Maßnahmen, zu einem Viertel profitierte die deutsche Wirtschaft von Maßnahmen der
EU-Handelspartner. Der Einkommensmultiplikator der diskretionären sozialpolitischen
Maßnahmen lag bei etwa 0,9. Diese Ergebnisse sind konsistent mit den Simulationen
anderer Institute (Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose,
2010). In Spanien betrugen die Wohlstandsgewinne 1,8% des BIP, das impliziert einen
Multiplikator von etwa 0,75.
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Übersicht 2: Gesamtwirtschaftliche
Wirkungen der diskretionären sozialpolitischen Maßnahmen |
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Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
EU-koordiniert |
|
2010 |
2011 |
2012 |
2012 kumuliert |
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In % des BIP |
Multiplikator |
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|
|||||||||
Euro-Raum |
+0,20 |
+0,30 |
+0,40 |
+0,90 |
+0,84 |
||||
Deutschland |
+0,30 |
+0,30 |
+0,40 |
+0,50 |
+0,40 |
+0,60 |
+1,10 |
+1,40 |
+0,89 |
Irland |
– |
+0,10 |
– |
+0,20 |
– |
+0,40 |
– |
+0,70 |
– |
Griechenland |
+0,10 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,10 |
+0,30 |
+0,69 |
Spanien |
+0,30 |
+0,40 |
+0,50 |
+0,60 |
+0,70 |
+0,80 |
+1,50 |
+1,80 |
+0,74 |
Frankreich |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,20 |
+0,71 |
Italien |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,30 |
+1,43 |
Niederlande |
+0,10 |
+0,30 |
+0,30 |
+0,50 |
+0,30 |
+0,60 |
+0,70 |
+1,40 |
+1,14 |
Österreich |
+0,30 |
+0,40 |
+0,30 |
+0,50 |
+0,40 |
+0,60 |
+1,00 |
+1,50 |
+0,93 |
Portugal |
+0,10 |
+0,20 |
+0,20 |
+0,30 |
+0,10 |
+0,40 |
+0,40 |
+0,90 |
+1,46 |
Slowakei |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,20 |
+0,00 |
+0,40 |
+0,36 |
Finnland |
+0,70 |
+0,90 |
+0,60 |
+0,90 |
+0,70 |
+1,20 |
+2,00 |
+3,00 |
+1,12 |
Bulgarien |
– |
+0,00 |
– |
+0,00 |
– |
+0,10 |
– |
+0,10 |
– |
Tschechien |
+0,10 |
+0,20 |
+0,20 |
+0,60 |
+0,10 |
+0,30 |
+0,40 |
+1,10 |
+0,51 |
Dänemark |
+0,50 |
+0,50 |
+0,60 |
+0,70 |
+0,60 |
+0,90 |
+1,70 |
+2,10 |
+1,23 |
Ungarn |
– |
+0,20 |
– |
+0,50 |
– |
+0,20 |
– |
+0,90 |
– |
Polen |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,20 |
+0,10 |
+0,20 |
+0,10 |
+0,50 |
+1,24 |
Rumänien |
– |
+0,00 |
– |
+0,00 |
– |
+0,00 |
– |
+0,00 |
– |
Schweden |
+0,20 |
+0,30 |
+0,50 |
+0,70 |
+0,70 |
+1,00 |
+1,40 |
+2,00 |
+0,81 |
Großbritannien |
+0,00 |
+0,10 |
+0,10 |
+0,20 |
+0,20 |
+0,30 |
+0,30 |
+0,60 |
+0,79 |
Q: Oxford Economic Forecasting,
WIFO-Berechnungen. |
|||||||||
|
Einige kleinere Länder
setzten umfangreiche eigene Maßnahmen, sie profitierten aber als offene Volkswirtschaften
in erheblichem Ausmaß von den Konjunkturpaketen der Nachbarländer. So wird das BIP
in Finnland 2012 aufgrund der expansiven Sozialpolitik um 3% höher sein als im Basisszenario;
ein Drittel des Effekts entfällt dabei auf Maßnahmen anderer Länder, ähnlich in
Schweden und Dänemark. In Österreich erhöhen sozialpolitische Konjunkturmaßnahmen
das BIP im Jahr 2012 um 1,5%, zu einem Drittel aufgrund von Aktivitäten der Handelspartner;
der Multiplikator beträgt etwa 0,9. Vergleichbare Simulationen mit dem WIFO-Makromodell
liefern ähnliche Ergebnisse (Breuss – Kaniovski – Schratzenstaller, 2009).
Einige EU-Länder setzten
in der Krise kaum diskretionäre Maßnahmen. Sie profitieren dennoch von den expansiven
Maßnahmen ihrer Handelspartner. Das gilt für Frankreich und Italien, aber auch Irland
oder Ungarn. Für den gesamten Euro-Raum betragen die kumulierten Wachstumseffekte
diskretionärer Sozialpolitik im Jahr 2012 0,9%.
Sozialpolitische Maßnahmen
erhöhen das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Sie wirken deshalb über
einen Anstieg der Konsumnachfrage auf das BIP. In einigen Ländern unterstützten
die Konjunkturpakete die Binnennachfrage in erheblichem Ausmaß (Übersicht 3). Im
Durchschnitt des Euro-Raumes wird die Konsumnachfrage der privaten Haushalte im
Jahr 2012 um 0,6% höher sein als ohne die sozialpolitischen Maßnahmen. In den skandinavischen
Ländern beträgt der Anstieg 2½% bis 3%, in Österreich 1,7%.
|
||||||
Übersicht 3: Konsumeffekte
der diskretionären sozialpolitischen Maßnahmen |
||||||
|
|
|
|
|||
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
|
2010 |
2011 |
2012 |
||||
Veränderung der Konsumausgaben der
privaten Haushalte in % gegenüber der Basislösung ohne expansive Sozialpolitik
|
||||||
|
||||||
Euro-Raum |
+0,40 |
+0,50 |
+0,60 |
|||
Belgien |
+1,20 |
+1,20 |
+1,30 |
+1,40 |
+1,30 |
+1,40 |
Deutschland |
+0,60 |
+0,70 |
+0,80 |
+0,80 |
+0,70 |
+0,80 |
Irland |
– |
+0,00 |
– |
+0,10 |
– |
+0,10 |
Griechenland |
+0,10 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,00 |
+0,10 |
Spanien |
+0,70 |
+0,80 |
+1,40 |
+1,40 |
+1,70 |
+1,80 |
Frankreich |
+0,00 |
+0,00 |
–0,10 |
–0,10 |
–0,10 |
–0,10 |
Italien |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
Niederlande |
+0,40 |
+0,40 |
+0,70 |
+0,80 |
+0,90 |
+1,10 |
Österreich |
+1,00 |
+1,10 |
+1,40 |
+1,50 |
+1,60 |
+1,70 |
Portugal |
+0,30 |
+0,40 |
+0,50 |
+0,60 |
+0,50 |
+0,60 |
Slowakei |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,00 |
+0,10 |
Finnland |
+1,40 |
+1,70 |
+2,00 |
+2,60 |
+2,20 |
+2,90 |
Bulgarien |
– |
+0,00 |
– |
+0,00 |
– |
+0,00 |
Tschechien |
+0,40 |
+0,40 |
+0,50 |
+0,80 |
+0,10 |
+0,40 |
Dänemark |
+1,20 |
+1,10 |
+2,00 |
+2,00 |
+2,20 |
+2,40 |
Ungarn |
– |
+0,00 |
– |
+0,40 |
– |
+0,40 |
Polen |
+0,00 |
+0,00 |
+0,10 |
+0,20 |
+0,10 |
+0,30 |
Rumänien |
– |
+0,00 |
– |
–0,10 |
– |
–0,20 |
Schweden |
+0,70 |
+0,70 |
+1,50 |
+1,70 |
+2,20 |
+2,70 |
Großbritannien |
+0,10 |
+0,10 |
+0,20 |
+0,20 |
+0,30 |
+0,40 |
Q: Oxford Economic Forecasting,
WIFO-Berechnungen. |
||||||
|
Maßnahmen der diskretionären
Sozialpolitik schufen oder sicherten in der jüngsten Wirtschaftskrise etwa 330.000
Arbeitsplätze.
Die expansiven Wirkungen
der sozialpolitischen Komponente von Konjunkturpaketen auf das BIP ziehen auch merkliche
Beschäftigungseffekte nach sich (Übersicht 4). Die Schätzung mit dem makroökonomischen
Modell berücksichtigt dabei nur die durch den Anstieg des BIP induzierten Beschäftigungseffekte.
Die Wirkung besonders effizienter beschäftigungspolitischer Maßnahmen wie der Ausweitung
der Stellen in den öffentlichen Dienstleistungen oder der Arbeitszeitverkürzung
etwa durch die Förderung von Kurzarbeit wird damit nicht vollständig erfasst.
Sozialpolitische Maßnahmen
schufen in der EU im Jahr 2010 112.000 zusätzliche Arbeitsplätze, bis 2012 erhöht
sich dieser Wert auf etwa 330.000. Die einzelstaatlichen sozialpolitischen Maßnahmen
generieren dabei in den jeweiligen Ländern selbst Beschäftigungseffekte von insgesamt
190.000 zusätzlichen Stellen, 140.000 zusätzliche Arbeitsplätze ergeben sich aufgrund
der Maßnahmen der EU-Handelspartner.
In Relation zu den eingesetzten
Mitteln sind die Beschäftigungsgewinne allerdings gering. Dies hat mehrere Gründe:
Erstens bestehen in einer Rezession in den Unternehmen hohe Produktivitätspolster,
zusätzliche Beschäftigung entsteht also mit erheblicher Verzögerung. Zweitens ist
die Unsicherheit in einer tiefen Wirtschaftskrise besonders ausgeprägt, die Nachfrage
nach dauerhaften Konsumgütern oder Investitionsgütern deshalb besonders niedrig.
Drittens war der Anteil von Abgabensenkungen an den gesamten Maßnahmen besonders
hoch. Steuersenkungen weisen wegen der relativ hohen marginalen Sparneigung der
Begünstigten (die in der Krise sogar noch gestiegen ist) geringe Nachfragewirksamkeit
und verhaltene Beschäftigungswirkungen auf.
Übersicht 4: Beschäftigungsausweitung
aufgrund der diskretionären sozialpolitischen Maßnahmen |
||||||
|
||||||
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
Einzelstaatlich |
EU-koordiniert |
|
2010 |
2011 |
2012 |
||||
In 1.000 |
||||||
|
||||||
Euro-Raum |
+85.251 |
+152.298 |
+218.604 |
|||
Belgien |
+3.399 |
+4.240 |
+4.132 |
+6.355 |
+4.844 |
+8.912 |
Deutschland |
+21.410 |
+27.060 |
+47.550 |
+67.000 |
+59.790 |
+91.950 |
Irland |
+0 |
+783 |
±0 |
+1.451 |
±0 |
+2.649 |
Griechenland |
+1.560 |
+2.199 |
+687 |
+2.216 |
±0 |
+2.853 |
Spanien |
+20.910 |
+24.980 |
+29.380 |
+34.250 |
+43.480 |
+52.440 |
Frankreich |
–869 |
+2.070 |
–1.489 |
+3.970 |
–1.959 |
+5.910 |
Italien |
+870 |
+4.620 |
+1.300 |
+7.950 |
+1.470 |
+13.060 |
Niederlande |
+1.451 |
+2.637 |
+4.323 |
+8.008 |
+6.102 |
+11.770 |
Österreich |
+4.432 |
+5.287 |
+4.475 |
+6.158 |
+5.565 |
+8.069 |
Portugal |
+2.694 |
+3.630 |
+4.047 |
+7.070 |
+4.580 |
+9.757 |
Slowakei |
±0 |
+443 |
±0 |
+939 |
±0 |
+1.295 |
Finnland |
+5.307 |
+7.302 |
+4.847 |
+6.931 |
+6.117 |
+9.939 |
Bulgarien |
±0 |
+191 |
±0 |
+381 |
±0 |
+308 |
Tschechien |
+1.653 |
+3.074 |
+2.945 |
+9.235 |
+2.330 |
+4.549 |
Dänemark |
+4.581 |
+5.012 |
+6.121 |
+7.690 |
+7.738 |
+10.975 |
Ungarn |
+0 |
+1.461 |
±0 |
+6.406 |
±0 |
+2.303 |
Polen |
+1.230 |
+3.480 |
+2.830 |
+14.260 |
+4.660 |
+17.610 |
Rumänien |
±0 |
+646 |
±0 |
+603 |
±0 |
–2.215 |
Schweden |
+3.724 |
+5.372 |
+9.150 |
+13.424 |
+15.826 |
+23.264 |
Großbritannien |
+3.849 |
+7.560 |
+17.100 |
+32.730 |
+30.260 |
+54.990 |
|
||||||
Insgesamt |
+76.201 |
+112.047 |
+137.398 |
+237.027 |
+190.803 |
+330.388 |
Q: Oxford Economic Forecasting,
WIFO-Berechnungen. |
||||||
|
Das Sozialsystem trägt wesentlich
zur Stabilisierung der Erwartungen vor allem der privaten Haushalte bei. Diskretionäre
sozialpolitische Maßnahmen können damit die Konsumnachfrage über den Konjunkturzyklus
glätten und den für die Konjunktur bedenklichen Anstieg des Vorsichtssparens in
der Rezession verhindern.
Das Sozialsystem wirkt
über automatische Stabilisatoren und diskretionäre Maßnahmen konjunkturstabilisierend.
Darüber hinaus trägt es dazu bei, die Unsicherheit auf individueller und gesamtgesellschaftlicher
Ebene zu verringern. Diskretionäre sozialpolitische Maßnahmen in einer Krise federn
Einkommensverluste ab. Dadurch werden die Erwartungen stabilisiert, die Sparneigung
gedämpft und das Konsumverhalten geglättet.
Die gesamtwirtschaftlich
positiven Effekte der Verringerung von Unsicherheit und der Stabilisierung der Erwartungen
sind nicht direkt quantifizierbar. Allerdings gibt es Indikatoren, die für eine
Schätzung dieser Wirkungen herangezogen werden können. Auf steigende Unsicherheit
reagieren Haushalte in der Regel mit einer Ausweitung des Sparens ("Vorsichtssparen").
Der Sparanteil am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte kann daher auch als
Maß für die vorherrschende Unsicherheit interpretiert werden. In der aktuellen Krise
nahm das Sparen in vielen EU-Ländern, aber auch in den USA zu. Der Anstieg der Sparquote
war hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen: auf den markanten Anstieg der
Arbeitslosigkeit und die Probleme auf dem Häuser- und Wohnungsmarkt einiger Länder.
Der Internationale Währungsfonds ermittelte für schwere Finanzmarktkrisen der Vergangenheit
einen durchschnittlichen Anstieg der Sparquote um 5 Prozentpunkte innerhalb von
zwei Jahren (IMF, 2009A, 2009B).
Dieses Vorsichtssparen
konnte in Deutschland und Österreich in der aktuellen Krise begrenzt werden. Der
starke Einbruch des Welthandels traf beide Länder wegen der Exportorientierung ihrer
Wirtschaft empfindlich. Dennoch veränderte sich das Sparverhalten nicht markant:
Zwischen 2007 und 2010 stieg der Sparanteil am verfügbaren Einkommen in Deutschland
lediglich von 10,8% auf 11,5%, in Österreich sank er sogar von 11,6% auf 10,6%.
Das Volumen diskretionärer sozialpolitischer Maßnahmen war in Deutschland relativ
hoch; insbesondere die unmittelbar beschäftigungssicherende Kurzarbeit dämpfte zusammen
mit anderen Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung den Beschäftigungsrückgang während
der Krise erheblich. Dies könnte wesentlich zur Vermeidung des Anstiegs der Arbeitslosigkeit
und damit von krisenbedingter Unsicherheit beigetragen und die Erwartungen der privaten
Haushalte stabilisiert haben.
Für die Analyse der gesamtwirtschaftlichen
Effekte dieses schwachen Anstiegs der Sparquote in Deutschland wird die Zunahme
des Sparanteils am verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte einerseits dem aktuellen
EU-Durchschnitt gleichgesetzt (Szenario 1), andererseits dem vom IWF ermittelten
langfristigen Durchschnitt (Szenario 2)[e]). Demnach dämpft ein Anstieg der Sparquote die
Konsumnachfrage markant (Szenario 1 –3%,
Szenario 2 –5½%). Die Folge sind erhebliche
BIP-Wachstumseinbußen (2011 –0,9% bis
–1,6% gegenüber der Basislösung ohne Ausweitung des
Sparens) und eine beträchtliche Zunahme der Arbeitslosigkeit (+100.000 bis +180.000).
Diese Resultate belegen die große Bedeutung der sozialen Sicherungssysteme und innovativer
sozialpolitischer Maßnahmen für die Gesamtwirtschaft.
|
||||
Übersicht 5: Auswirkungen
von erhöhter Unsicherheit und Vorsichtssparen in Deutschland |
||||
|
||||
EU-Durchschnittsszenario |
IWF-Szenario |
EU-Durchschnittsszenario |
IWF-Szenario |
|
2010 |
2011 |
|||
|
||||
BIP in % |
–0,6 |
–1,1 |
–0,9 |
–1,6 |
Konsum in % |
–2,1 |
–4,0 |
–2,9 |
–5,5 |
Arbeitslosigkeit in 1.000 |
+44,5 |
+80,3 |
+105,0 |
+179,4 |
Q: Oxford Economic Forecasting,
WIFO-Berechnungen. |
||||
|
Diskretionäre Sozialpolitik
könnte in stärkerem Ausmaß automatisiert werden, zudem sollte sie besonders Haushalte
mit hoher Konsumneigung begünstigen und die Beschäftigung direkt stabilisieren.
Ein besonderes Problem
diskretionärer fiskalpolitischer Maßnahmen ist ihre verzögerte Wirkung. Dies hat
sich auch in der jüngsten Rezession gezeigt: Ab dem Frühjahr 2008 sank das reale
BIP, und die Arbeitslosigkeit stieg, doch wurden erst gegen Jahresende 2008 Maßnahmen
der diskretionären Gegensteuerung politisch beschlossen, die ab Anfang 2009 schrittweise
umgesetzt wurden und ihre volle Wirkung erst gegen Ende 2009 entfalteten. Umgekehrt
ist es auch von Bedeutung, dass Konjunkturbelebungsmaßnahmen nach einer adäquaten
Dauer wieder auslaufen, um nicht den Strukturwandel zu hemmen. Der Internationale
Währungsfonds schlägt deshalb vor, diskretionäre Stabilisierungsmaßnahmen zu automatisieren
(Blanchard – Dell'Ariccia – Mauro, 2010). So könnte die Mittelvergabe in bestimmten
Bereichen an die Entwicklung von relevanten ökonomischen Indikatoren gebunden werden.
In Dänemark berücksichtigt die aktive Arbeitsmarktpolitik dies bereits: Steigt die
Arbeitslosenquote, so werden die Mittel für Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen
automatisch aufgestockt. Eine ähnliche Vorgangsweise wäre für die Anpassung der
Höhe und Bezugsdauer von Arbeitslosengeld oder in der Mindestsicherung denkbar.
Verschiedene Politikinstrumente
weisen sehr unterschiedliche Wachstums- und Beschäftigungswirkungen auf. Im Rahmen
der Konjunkturpakete der EU-Länder entfällt der überwiegende Teil auf Steuersenkungen.
Deren Nachfrage- und Beschäftigungswirkungen sind vor allem in einer Phase von Unsicherheit
relativ gering. Zielgerichtete Maßnahmen, die direkt private Haushalte mit hoher
Konsumneigung begünstigen oder mittels Förderungen die Beschäftigung in Krisenbranchen
aufrechterhalten, sind besonders wirksam.
Der Sozialstaat entfaltet
antizyklische Wirkung, indem er die Erwartungen der privaten Haushalte stabilisiert
und in einer Rezession das Entstehen von Vorsichtssparen verhindert. Die privaten
Haushalte vertrauen auf die soziale Absicherungsfunktion des Sozialsystems und erhöhen
in der Krise ihre Sparneigung nicht. Diese Erwartungsstabilisierung ist empirisch
schwierig zu quantifizieren, dürfte in ihrer Wachstums- und Beschäftigungswirkung
aber mit jener der implementierten diskretionären Maßnahmen vergleichbar sein.
In der Finanzmarkt- und
Wirtschaftskrise war erneut das Ausmaß diskretionärer budget- und besonders sozialpolitischer
Eingriffe vor allem in jenen Ländern hoch, in denen auch die automatischen Stabilisatoren
in den öffentlichen Haushalten stark reagieren. Das sind gleichzeitig jene Länder,
die traditionell eine offene, außenhandelsorientierte Wirtschaftsstruktur aufweisen
und deshalb ein umfassendes soziales Sicherungssystem aufgebaut haben.
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|
The Stabilising Effect of Social Policies in the Financial Crisis – Summary |
Social policy measures
and the social security systems in the EU stabilised GDP and employment noticeably
during the recent financial and economic crisis. In terms of their size automatic
stabilisers were particularly important. Discretionary social policy measures
aiming at the stabilisation of the economy had positive but modest effects. The
welfare state's stabilising influence on expectations, though difficult to quantify,
is also assumed to have played an important role. The major advantage of automatic stabilisers consists in their immediate effectiveness. Among social expenditures unemployment benefits are the most important component. Pensions and health care expenditures also work as automatic stabilisers. The stabilisation effect of the tax system increases with its progressivity. Within the EU the welfare states differ widely with respect to their automatic stabilisation effects: the latter are particularly strong in Denmark, followed by Belgium, Germany, Sweden and Austria. In Southern and Eastern Europe, by contrast, they are relatively weak. Discretionary social policy measures in the EU amounted to about 1.1 percent of GDP both in 2009 and 2010. They largely consisted of tax reductions for private households. Only Denmark, Sweden, Belgium, Portugal and Spain implemented discretionary social policy measures exceeding 0.5 percent of GDP on the expenditure side of the budget. These measures raised the GDP both of the respective countries and of their trade partners. In Austria, GDP increased by about 1 percent owing to domestic discretionary policy measures. This is complemented by an effect equivalent to 0.5 percent of GDP caused by the discretionary social policies of other EU countries. For the euro area an increase of GDP by 0.9 percent is derived from model estimations. Discretionary social policy measures to support demand helped to create 330,000 jobs in the EU. However, the impact of particularly effective employment policy measures such as the reduction of working hours by introducing short-time working schemes, is not fully reflected in the model simulations. In Germany alone more than 1.5 million employees were in short-time working schemes at their peak in spring 2009. The positive effects of discretionary social policies would be larger, if the coordination between EU member countries were improved and policy makers focused more on a temporary increase of transfers to households with a high propensity to consume as well as direct employment promotion. Discretionary social policies could partly be made automatic by linking particular expenditures to the evolution of relevant economic indicators. Here, Denmark, where funds for training and qualification measures are automatically increased in case of a rising unemployment rate, serves as an example. The welfare state also produces anti-cyclical effects by stabilising private households' expectations. Empirically these expansionary effects are difficult to quantify. Indeed, they are likely to be similar in size to those of the discretionary measures that were implemented during the recent crisis. |
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[a]) Neben der Ersatzrate unmittelbar zu Beginn der Arbeitslosigkeit spielt auch die Frage der Absicherung im Falle von langfristiger Arbeitslosigkeit eine Rolle, also die Ersatzrate bei Langzeitarbeitslosigkeit. Diesbezüglich schneidet Österreich im europäischen Vergleich gut ab (Eichhorst et al., 2010).
[b]) Die Analyse umfasst auch Maßnahmen, die schon vor der jüngsten Wirtschaftskrise und vielleicht vor einem anderen Hintergrund geplant waren, aber in der Krise schlagend wurden (wie z. B. die Steuerreform in Österreich).
[c]) In Großbritannien und Spanien war die Fiskalpolitik angesichts des Einbruchs im Immobiliensektor bereits 2008 expansiv.
[d]) Die fiskalpolitischen Impulse wurden quartalsweise im Modell implementiert. Eine Milliarde an zusätzlichen Transfers im Jahr 2009 wurde als je 250 Mio. zusätzlichen Staatskonsums pro Quartal verbucht. Die Konjunkturpakete werden im Rahmen der vorliegenden Simulationen vollständig erst Ende des Jahres 2010 wirksam. Die expansiven Effekte entfalten sich zeitverzögert ab 2010 und erreichen ihren Höhepunkt erst 2012. Die quartalsweise Implementierung wurde gewählt, um die Komplexität der Analyse zu beschränken. Im Rahmen der Simulationen mit dem Oxford World Economic Model wurde eine akkommodierende Geldpolitik angenommen.
[e]) Der Anstieg wird im Modell schrittweise pro Quartal in den Jahren 2008 und 2009 implementiert, 2010 und 2011 verharrt die Sparquote auf dem höheren Niveau.