WIFO

Angelina Keil

Wirtschaftschronik

 

IV. Quartal 2003

 

Abgeschlossen am 31. Dezember 2003. • E-Mail Adresse: Angelina.Keil@wifo.ac.at

 

INHALT

Ausland

Österreich

 

 

Ausland

Die Entscheidung des Ecofin-Rates über die Aussetzung des Defizitverfahrens gegen Deutschland und Frankreich lässt Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes aufkommen. Einige Wochen später scheitern die Verhandlungen der 25 Staats- und Regierungschefs der erweiterten Union über eine Europäische Verfassung. Dennoch erreicht der Euro gegenüber dem Dollar den höchsten Wert seit seiner Einführung.

 

AFTA-Freihandelsabkommen

8. Oktober:  Die Asean-Staaten beschließen anlässlich ihres Gipfeltreffens in Bali die Schaffung eines gemeinsamen Marktes. Das Freihandelsabkommen der "Asian Free Trade Area" (AFTA) soll um die Liberalisierung der Dienstleistungen und die Harmonisierung von Investitionsregeln ergänzt werden. Bis 2010 sollen die Zölle für den gesamten Handelsverkehr beseitigt werden. Kapital- und Personenverkehr bleiben weiterhin ausgenommen. Wie Singapur beginnt nun auch Thailand bilaterale Freihandelsgespräche mit Indien.

9. Vertragskonferenz der Klimakonvention

12. Oktober:  Die Beschlüsse anlässlich der 9. Vertragskonferenz der Klimakonvention in Mailand ermöglichen den Industrieländern die Nutzung von "Senken", d. h. den Ausgleich von Treibhausgasemissionen durch Aufforstungen in Entwicklungsländern. Über einen "Climate Change Fund" sollen die am wenigsten entwickelten Länder Zugang zu neuen Umwelttechnologien erhalten.

Niederlande: Lohnstopp

16. Oktober:  Zwischen der niederländischen Regierung, den Arbeitgebern und den Gewerkschaften wird ein zweijähriger Lohnstopp vereinbart: Um der schlechten Wirtschaftslage entgegenzuwirken, werden Löhne und Sozialleistungen 2004 und 2005 nicht erhöht werden.

Europäischer Rat

16.-17. Oktober:  Der Europäische Rat befasst sich anlässlich seiner Tagung in Brüssel mit der Wachstumsinitiative. Diese umfasst eine Forcierung der Investitionen in Schlüsselvorhaben wie den Ausbau der TEN-Netze sowie die Schaffung der Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen, einen effizienteren Binnenmarkt und höhere Anreize für Forschung und Innovation.

Irak: Wiederaufbau

24. Oktober:  Anlässlich einer "internationalen Geberkonferenz" in Madrid für den Wiederaufbau des Irak werden Mittel von 33 Mrd. $ zugesagt. 20 Mrd. $ tragen die USA bei, 13 Mrd. $ werden in Form von Kreditzusagen Japans, Spaniens, der EU sowie der Weltbank aufgebracht.

EZB-Präsident

1. November:  Jean-Claude Trichet wird für eine Amtszeit von 8 Jahren als Präsident der Europäischen Zentralbank bestellt. Er folgt Wim Duisenberg, der dieses Amt seit Juni 1998 innehatte.

Nobelpreis

10. November:  Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2003 (http://www.nobel.se/economics/laureates/2003/index.html) ergeht an Robert F. Engle und Clive W. J. Granger für die methodische Weiterentwicklung der Zeitreihenanalyse.

Ecofin - Defizitverfahren Deutschland, Frankreich

25. November:  Der Rat der EU-Finanzminister (Ecofin) stimmt mit Zweidrittelmehrheit gegen die Fortsetzung des "verschärften Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit" (Sanktionen) gegen Deutschland und Frankreich. Gleichzeitig werden die Zielvorgaben der Kommission für den öffentlichen Finanzierungssaldo herabgesetzt. Deutschland soll sein "Strukturdefizit" - den um Konjunkturschwankungen bereinigten Haushaltssaldo - im Jahr 2004 um 0,6% des BIP und 2005 um 0,5% senken, für Frankreich lauten die Prozentsätze 0,8% und 0,6%.

USA: Stahlzölle

4. Dezember:  Die USA heben die vor 21 Monaten verhängten Zollzuschläge von bis zu 30% auf Stahlimporte auf. Dies gilt als Reaktion auf die Verurteilung dieser Zuschläge durch die WTO. Die EU nimmt Abstand von den Ausgleichs- und Retorsionsmaßnahmen, die ab 15. Dezember wirksam geworden wären.

Europäische Verfassung

12.-13. Dezember:  Die Verhandlungen der 25 Staats- und Regierungschefs der erweiterten EU zur europäischen Verfassung anlässlich des Europäischen Rates in Brüssel scheitern: Spanien und Polen lehnen den Vorschlag des Konvents ab, wonach für Beschlüsse statt der im Vertrag von Nizza festgeschriebenen qualifizierten Mehrheit eine doppelte Mehrheit (Mehrheit der Mitgliedstaaten und 60% der Bevölkerung) erforderlich wäre[a]).

Deutschland: Reformpaket

19. Dezember:  Bundesrat und Bundestag verabschieden ein von der deutschen Bundesregierung und der Opposition erarbeitetes Reformpaket. Es umfasst eine Steuerreform, die zum Teil bereits 2004 in Kraft tritt und den Spitzensteuersatz von 48,5% auf 45% sowie den Eingangssteuersatz von 19,9% auf 16% senkt. 2005 folgt eine weitere Herabsetzung auf 42% bzw. 15%. Die Steuerausfälle werden nur zu 25% über öffentliche Verschuldung finanziert, Erlöse aus Privatisierungen und Subventionsabbau sollen Einsparungen bringen. So werden die Pendlerpauschale und die Eigenheimzulage gekürzt. Nach einer Übergangsfrist wird die Arbeitslosenhilfe für Langzeitarbeitslose auf das Niveau der Sozialhilfe gekürzt, und Bezieher von Arbeitslosengeld müssen ohne Mindestlohnvorschriften jede Stelle annehmen. Künftig eingestellte Mitarbeiter genießen den gesetzlichen Kündigungsschutz erst in Betrieben ab 10 Mitarbeitern. Gemeinden erhalten einen größeren Teil des Steueraufkommens. Die Verringerung der Zahl der geschützten Handwerksberufe bringt Erleichterungen in der Handwerksordnung.

Österreich

Mit einem "Konjunkturpaket", das eine Neuorganisation der Forschungsförderung sowie die Verlängerung von Steueranreizen für Investitionen vorsieht, will die Bundesregierung Wachstumsimpulse setzen. Die im Zuge der Neuorganisation der Österreichischen Bundesbahnen geplanten Änderungen des Dienstrechtes veranlassen die Mitarbeiter der Bahn zu einem dreitägigen Streik.

 

Verfassungsgerichtshof: Hauptverbandsreform

10. Oktober:  Der Verfassungsgerichtshof erklärt die Änderung von Zusammensetzung und Aufgaben des Verwaltungsrates des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie die Unvereinbarkeitsregelung, mit der Präsident Hans Sallmutter abgelöst wurde, als verfassungswidrig (http://www.vfgh.gv.at/vfgh/volltext.html).

ÖBB-Streik

12.-14. November:  Die Bediensteten der Österreichischen Bundesbahnen streiken. Sie richten sich damit gegen die Reformvorhaben der Regierung, die neben einer Umstrukturierung auch Veränderungen des Dienstrechtes vorsehen.

Privatisierung : Böhler-Uddeholm

21. November:  Die ÖIAG verkauft ihren Anteil von 25% an Böhler-Uddeholm zu einem Preis von 48,50 € je Aktie. Aus dieser Privatisierung entstehen Einnahmen von 133,4 Mio. €.

EU-Erweiterung

3. Dezember:  Mit zwei Stimmenthaltungen ratifiziert der Nationalrat den EU-Beitrittsvertrag der 10 Kandidatenländer (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta, Zypern).

"Konjunkturpaket"

Das Wachstums- und Standortgesetz ("Konjunkturpaket") wird vom Nationalrat angenommen. Es sieht eine Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung vor, die jährlich 125 Mio. € aus Mitteln des EPR-Fonds (50 Mio. €) und der Oesterreichischen Nationalbank (75 Mio. €) ausschütten wird. Ab 2004 wird der Forschungsfreibetrag von 25% auf Basis der OECD-Definition für Forschungs- und Entwicklungsausgaben berechnet, die Forschungsprämie wird von 5% auf 8% angehoben. Vorzeitige Abschreibung und Investitionszuwachsprämie werden um ein Jahr verlängert.

ÖBB-Reform

4. Dezember:  Die Regierungsparteien beschließen im Nationalrat die ÖBB-Reform. Ab 2004 werden die ÖBB schrittweise in fünf Kapitalgesellschaften aufgeteilt. Unter der ÖBB Holding AG werden die "ÖBB-Infrastruktur Bau AG" (einschließlich SCHIG und HL-AG), die "ÖBB-Infrastruktur Betriebs AG", die "ÖBB-Personenverkehr AG" und die "Rail Cargo Austria AG" angesiedelt. Neben der Holding wird die ÖBB-Dienstleistungs GmbHAls u. a. für das Personalmanagement zuständig sein. Als Reaktion auf den drei Tage dauernden Streik im November soll über das Dienstrecht der ÖBB-Bediensteten erst im Frühjahr 2004 entschieden werden.

Verfassungsgerichtshof: Pensionsordnung ÖBB

9. Dezember:  Der Verfassungsgerichtshof entscheidet, dass das Eingreifen in die Pensionsordnung der ÖBB-Bediensteten aufgrund von "öffentlichen Interessen" legitim ist. Somit werden auch künftig notwendige Eingriffe in das Pensionssystem der Beamten zum Zweck der Harmonisierung der Pensionssysteme möglich sein.

Transitvertrag

31. Dezember:  Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der Europäischen Union über eine neue Regelung zum Transitverkehr läuft der Transitvertrag in modifizierter Form weiter (Lkw ab der Euroklasse 3 benötigen keine Ökopunkte).

 



[a])  Keil, A., "Wirtschaftschronik. IV. Quartal 2000", WIFO-Monatsberichte, 2001, 74(1), S. 23-25, http://publikationen.wifo.ac.at/pls/wifosite/wifosite.wifo_search.get_abstract_type?p_language=1&pubid=19593.