WIFO

Norbert Knoll et al.

Der österreichische Forschungs- und Technologiebericht 2003

 

Mit dem "Forschungs- und Technologiebericht 2003" liegt eine aktualisierte Bestandsaufnahme zur technologischen Leistungsfähigkeit Österreichs vor. Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene wird der Bereich der Forschung und technologischen Entwicklung als prioritär zur Aufrechterhaltung der Wachstumsperspektiven eingeschätzt. Im internationalen Vergleich hat Österreich zwar gemessen an der Forschungs- und Entwicklungsquote in den letzten Jahren aufgeholt, doch bestehen nach wie vor Strukturmängel, die dem Erreichen eines der Wirtschaftskraft des Landes entsprechenden Niveaus entgegen wirken. Verbesserungen in der österreichischen Forschungs- und Technologiepolitik schlagen sich in institutionellen Neuerungen und einer Ausweitung der für Forschung und Entwicklung erforderlichen Ressourcen nieder.

 

Der vorliegende Beitrag fasst Ergebnisse des "Österreichischen Forschungs- und Technologieberichts 2003" zusammen. Wesentliche Grundlagen dieses Berichts wurden im Rahmen des Programms "tip - technologie information politikberatung" von Gernot Hutschenreiter, Norbert Knoll, Hannes Leo, Michael Peneder (WIFO), Bernhard Dachs, Katy Whitelegg (ARC Seibersdorf Research), Helmut Gassler, Nikolaus Gretzmacher, Wolfgang Polt, Andreas Schibany, Helene Schiffbänker, Gerhard Streicher (Joanneum Research) und Jörg Mahlich (Technopolis Austria) erarbeitet (http://www.tip.ac.at). • Begutachtung: Hannes Leo, Leonhard Jörg • Wissenschaftliche Assistenz: Dagmar Guttmann, Sonja Patsios • E-Mail-Adresse: Norbert.Knoll@wifo.ac.at

 

INHALT

Forschung und Entwicklung im internationalen Vergleich

Entwicklungen in der österreichischen Forschungs- und Technologiepolitik

Ausblick

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Steigerung der Forschungsquote im "Szenario 2,5%" 3

Übersicht 2: Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung, Finanzierungsanteile der Sektoren und Forschungsquote  3

Übersicht 3: Zahl der Forscher 4

Abbildung 1: Entwicklung der Forschungsquote im internationalen Vergleich. 2

 

 

Anlässlich des Lissabon-Gipfels des Europäischen Rates im März 2000 und der Ratstagung in Barcelona im März 2002 nahm die Europäische Kommission Weichenstellungen für die Forschungs- und Technologiepolitik vor, die für Österreich besonderen Handlungsbedarf schaffen. Vor dem Hintergrund eines deutlichen und weiter wachsenden Rückstands der Forschungsaktivitäten in der EU gegenüber den USA wurden ambitionierte Ziele vereinbart: Die EU soll bis 2010 zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" umgestaltet werden, der dauerhaftes Wachstum, Vollbeschäftigung und einen größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen vermag. Darüber hinaus wurden u. a. folgende "Barcelona-Ziele" formuliert:

·          Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen in der EU deutlich erhöht werden, sodass die Forschungsquote (Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Prozent des BIP) im EU-Durchschnitt von derzeit rund 1,9% auf 3% im Jahre 2010 steigt.

·          Der Anteil des privaten Sektors an der Finanzierung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben soll dabei von derzeit rund 56% auf etwa zwei Drittel angehoben werden.

Die österreichische Forschungs- und Technologiepolitik leitete Ende der neunziger Jahre einen Aufholprozess ein, der somit vor neuen Herausforderungen steht. Der Forschungs- und Technologiebericht 2003 legt einerseits Befunde zur internationalen Positionierung Österreichs vor; andererseits werden Änderungen der politischen Rahmenbedingungen und institutionelle Reformen der letzten Jahre vorgestellt.

Forschung und Entwicklung im internationalen Vergleich

Die zwei Barcelona-Ziele bilden mittlerweile die Basis für eine langfristige Ausrichtung der österreichischen Forschungs- und Technologiepolitik und nehmen breiten Raum in der öffentlichen technologiepolitischen Diskussion ein. Dass dies ambitionierte Ziele sind, zeigt die Entwicklung der Forschungsquote in den neunziger Jahren: Der Rückstand der EU gegenüber Japan und den USA nimmt weiter zu (Abbildung 1). Österreich hat in den letzten Jahren zum EU-Durchschnitt von rund 1,9% aufgeschlossen; mit dem 3%-Ziel ergibt sich nun neuerlich ein beträchtlicher Finanzierungsaufwand.

 

Abbildung 1: Entwicklung der Forschungsquote im internationalen Vergleich

Forschungs- und Entwicklungsausgaben in % des BIP

 Q: WIFO-Berechnungen, OECD.

 

Erhebliche Anstrengungen sind zudem kurzfristig erforderlich, um den von der österreichischen Bundesregierung für 2005 angepeilten Zwischenschritt einer Forschungs- und Entwicklungsquote von 2,5% ("Szenario 2,5%") zu realisieren. Eine einfache Szenarienrechnung[a]) zeigt, wie stark die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen insgesamt gesteigert werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen (Übersicht 1).

 

Übersicht 1: Steigerung der Forschungsquote im "Szenario 2,5%"

 

 

 

 

 

 

 

Referenzpfad der Forschungs- und Entwicklungsausgaben

Forschungs- und Entwicklungsausgaben im "Szenario 2,5%"

 

Absolut

Forschungs- und Entwicklungsquote

Veränderung gegen das Vorjahr

Abweichung vom Referenzpfad

 

Mio. €

Mio. €

In % des BIP

Mio. €

Mio. €

 

 

 

 

 

 

2002

4.217

4.217

1,95

±0

±0

2003

4.342

4.645

2,09

+428

+303

2004

4.501

5.117

2,22

+472

+616

2005

4.681

5.637

2,35

+520

+956

2006

4.850

6.210

2,50

+573

+1.360

 

 

 

 

 

 

Insgesamt

 

 

 

 

+3.234

Q: WIFO-Berechnungen, Statistik Austria.

 

Der Referenzpfad wird durch die Ausgaben bei konstanter Forschungsquote von 1,95% des BIP bestimmt. Aufgrund des zu erwartenden Wachstums des Bruttoinlandsproduktes müssen schon zur Aufrechterhaltung der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsquote die nominellen Forschungsausgaben laufend steigen - um die Quote zu steigern, ist dementsprechend ein überproportionales Wachstum der Forschungs- und Entwicklungsausgaben nötig. 2006 müssten im vorliegenden Szenario insgesamt rund 6,2 Mrd. € für Forschung und Entwicklung aufgewandt werden; dies entspricht einer Steigerung um rund 2 Mrd. € gegenüber 2002.

Eine schrittweise Annäherung an dieses Ziel macht eine laufende Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen gegenüber dem Vorjahr erforderlich (Übersicht 1). Im Jahr 2003 müsste unter den gegebenen Annahmen um rund 428 Mio. € mehr für Forschung und Entwicklung aufgewandt werden als 2002, um den Pfad der Zielerreichung einzuhalten. Dieser Zusatzaufwand erhöht sich unter den getroffenen Annahmen laufend. Kumuliert erreichen die zusätzlichen Mittel bis 2006 3.234,4 Mio. €. Unter der Annahme konstanter Finanzierungsanteile entfallen nahezu 1,3 Mrd. € davon auf den öffentlichen Sektor.

Gemäß einer neueren Szenarienrechnung des WIFO auf Basis der Globalschätzung 2003 von Statistik Austria und unter Berücksichtigung der "Konjunkturpakete"[b]) ist die Finanzierungslücke zur Anhebung der Forschungsquote auf 2,5% bis 2006 geringer: Der öffentliche Beitrag müsste in den Jahren 2004 bis 2006 um insgesamt 385 Mio. € ausgeweitet werden, um die Förderlücke zu schließen.

Für die Erreichbarkeit der österreichischen Ziele verdienen - abseits des finanziellen Mittelbedarfs - zwei weitere Aspekte besondere Beachtung: die Struktur der Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und die Verfügbarkeit von Forschungspersonal.

 

Übersicht 2: Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung, Finanzierungsanteile der Sektoren und Forschungsquote

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung

 

Insgesamt

Finanzierungsanteile der Sektoren

Forschungsquote

 

 

Bund

Länder

Unternehmen

Ausland

Sonstige

 

Mio. €

In %

In % des BIP

 

 

 

 

 

 

 

 

1993

2.303

41,6

5,6

49,0

2,6

1,2

1,47

1994

2.551

42,2

6,2

46,2

4,2

1,2

1,54

1995

2.701

40,4

5,7

45,7

7,0

1,2

1,57

1996

2.884

37,0

5,5

44,8

11,6

1,1

1,62

1997

3.122

34,5

5,4

43,3

15,3

1,5

1,71

1998

3.400

32,3

4,2

41,7

20,1

1,7

1,79

1999

3.672

32,7

5,6

40,5

19,6

1,6

1,86

2000

3.842

31,9

6,5

40,5

19,5

1,6

1,86

2001

4.088

33,0

6,9

39,9

18,7

1,6

1,93

2002

4.225

33,3

6,4

40,3

18,5

1,6

1,95

2003

4.343

32,4

6,7

40,8

18,5

1,6

1,96

Q: Statistik Austria, Globalschätzung 2003.

 

In den letzten Jahren lieferte der öffentliche Sektor wesentliche Impulse zur Steigerung der Forschungsquote, sein Finanzierungsbeitrag erhöhte sich seit 1998 wesentlich stärker als der des Unternehmenssektors (Übersicht 2). Damit unterscheidet sich die Entwicklung von den neunziger Jahren, die durch hohes Wachstum der unternehmens- und auslandsfinanzierten Forschung und Entwicklung gekennzeichnet waren. 2002 und 2003 wiesen diese beiden Sektoren eine geringere Dynamik auf als in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Ein Hebeleffekt der öffentlichen Finanzierung im Sinne einer Stimulierung der privaten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen ist bisher nicht zu erkennen, wäre allerdings erforderlich, um die langfristigen Barcelona-Ziele zu erreichen. Allerdings wird die Mittelaufbringung durch den öffentlichen Sektor durch die anhaltenden Konsolidierungsbemühungen erschwert; zudem zeigen internationale Vergleiche, dass Länder mit hoher Forschungsquote - anders als Österreich - meist auch überdurchschnittliche Beiträge aus dem Unternehmenssektor aufweisen.

Die Verfügbarkeit von geeignetem Forschungspersonal ist für das Erreichen der Barcelona-Ziele zumindest ebenso bedeutend wie die der finanziellen Mittel, zumal Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten arbeitsintensiv sind und die Qualifizierung der Arbeitskräfte längere Zeit beansprucht. Der Anteil des Unternehmenssektors am Forschungspersonal liegt in Österreich mit rund 64,4% deutlich über dem EU-Durchschnitt. Gemessen an der Zahl der Forscher bleibt Österreich etwa gegenüber Finnland und Schweden, die bereits jetzt eine Forschungsquote über 3% aufweisen, deutlich zurück (Übersicht 3). Ein Rückstand besteht gegenüber der Mehrzahl der EU-Länder. Mit der geplanten merklichen Ausweitung der Forschungsaktivitäten wäre somit auch eine Lücke bezüglich des verfügbaren Forschungspersonals zu schließen.

 

Übersicht 3: Zahl der Forscher

1999

 

Insgesamt

Unternehmen

Staat

Universitäten

 

Vollzeitäquivalente

Anteile in %

 

 

 

 

 

Irland

8.217

64,4

3,7

32,0

Griechenland

14.828

15,6

13,5

70,6

Portugal

15.752

12,7

21,9

52,3

Dänemark

18.438

46,5

21,2

31,0

Österreich

20.222

64,4

4,8

30,7

Finnland

25.398

41,6

16,2

40,9

Belgien

30.219

54,5

4,0

40,4

Schweden

39.921

57,2

6,1

36,6

Niederlande

40.623

47,7

19,8

31,4

Spanien

61.568

24,7

19,4

55,0

Italien

64.886

40,4

21,1

38,5

Frankreich

160.424

47,0

15,7

35,4

Großbritannien

164.040

56,2

9,1

30,3

Deutschland

255.260

58,8

15,0

26,2

 

 

 

 

 

EU1)

919.796

50,0

14,2

34,3

 

 

 

 

 

Japan

658.910

65,8

4,7

27,1

USA

1,219.407

83,3

3,8

11,2

Q: Europäische Kommission. - 1) Ohne Luxemburg.

 

Der Forschungs- und Technologiebericht 2003 beleuchtet durch internationale Vergleiche die Positionierung Österreichs vor dem Hintergrund der geltenden forschungs- und technologiepolitischen Ziele. Ein von der Europäischen Kommission initiierter Benchmarking-Prozess etwa, der eine systematische, quantitative Untersuchung der Leistungsfähigkeit und Politik in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation erlaub, liefert u. a. die folgenden Ergebnisse:

·          Das Niveau der Forschungsausgaben übersteigt in Österreich trotz der Verbesserungen in den letzten Jahren nur leicht den EU-Durchschnitt. Zu einem erheblichen Teil lässt sich die für ein Industrieland vergleichsweise niedrige Forschungsquote durch die Industriestruktur erklären (geringer Anteil von Hochtechnologiebranchen, niedrige Zahl großer, forschungsintensiver Unternehmen). Der relativ kleine Anteil privat finanzierter Forschung und Entwicklung bildet ein weiteres Strukturdefizit.

·          Das Defizit an qualifizierten Humanressourcen wird sowohl für die EU als Ganzes als auch für Österreich im Vergleich mit den USA und Japan augenscheinlich. In beiden Fällen ist der Anteil der Forscher am gesamten Arbeitskräftepotential relativ niedrig. Allerdings entsprechen die Pro-Kopf-Aufwendungen für wissenschaftliches Personal in Österreich etwa jenen in den USA und liegen im europäischen Spitzenfeld. Problematisch ist demnach der Mangel an Personal und nicht die Qualität oder Quantität der jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen bzw. die wissenschaftliche Produktivität.

·          Eine Verschärfung des Problems mangelnder Humanressourcen ist unabhängig von Forschungsquotenzielen zu erwarten. Sowohl in der EU als auch in Österreich sinken die Studieneintritte und -abschlüsse in den technisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen. Engpässe im Prozess der Steigerung der Wissens- oder Technologieintensität der österreichischen Wirtschaft sind absehbar. In Österreich bleibt der Anteil des Forschungspersonals an der Gesamtbeschäftigung weit unter dem EU-Durchschnitt, der Anteil von Frauen in der Forschung und Entwicklung ist der niedrigste in der EU.

·          Der im internationalen Vergleich besonders hohe und bislang steigende Anteil auslandsfinanzierter Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist vorwiegend auf Unternehmen und nicht auf Rückflüsse aus der Teilnahme an europäischen Forschungsprogrammen zurückzuführen. Dies untermauert einerseits eine hohe Attraktivität Österreichs als Forschungsstandort für multinationale Unternehmen; andererseits macht die Konzentration auf einige große Unternehmen die Innovationskraft des Landes von im Ausland getroffenen Standortentscheidungen abhängig.

·          In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre entwickelten sich die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Österreich sowohl auf der Inputseite (Ausgaben, Humanressourcen) als auch auf der Outputseite (z. B. Anteil forschungs- und wissensintensiver Produkte und Dienstleistungen, Patente) wenig dynamisch. Die meisten Indikatoren entsprechen etwa dem EU-Durchschnitt, der Rückstand gegenüber vergleichbaren kleinen offenen Volkswirtschaften mit hohem Pro-Kopf-Einkommen bleibt groß.

Entwicklungen in der österreichischen Forschungs- und Technologiepolitik

2000 bis 2002 wurden einige wesentliche Änderungen der institutionellen Rahmenbedingungen der österreichischen Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik vorgenommen. So wurde der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) als Beratungsorgan der Bundesregierung eingerichtet; im Dezember 2000 wurde ein Offensivprogramm für Forschung und Entwicklung im Umfang von 508,7 Mio. € beschlossen. Insgesamt erhielten Forschung und Innovation einen höheren Stellenwert, wie entsprechende Zielsetzungen - merkliche Anhebung der Forschungsquote, Bereitstellung einer zweiten Tranche von Sondermitteln für Forschung, Technologie und Innovation (600 Mio. €), Sicherstellung der Planungs- und Finanzierungssicherheit für die außeruniversitäre Forschung - im Regierungsübereinkommen zeigen.

Dem Rat für Forschung und Technologieentwicklung kommen gemäß dem Regierungsübereinkommen vom Jänner 2000 im Zuge der Novellierung des Forschungs- und Technologieförderungsgesetzes (FTFG) sowohl die Beratung der Bundesregierung als auch strategische Funktionen zu. Laut FTFG hat der Rat insbesondere folgende Aufgaben:

·          Beratung der Bundesregierung in allen Fragen der Forschung, Technologie und Innovation,

·          Erarbeitung und Überprüfung der Umsetzung von langfristigen Strategien zu Forschung und Technologieentwicklung,

·          Ausarbeitung von Schwerpunktrichtlinien für nationale FTE-Programme und für die Förderungspolitik der einschlägigen Einrichtungen des Bundes,

·          Empfehlungen für eine Stärkung der Position Österreichs in internationalen Forschungs- und Technologiekooperationen,

·          autonome Erstellung von Vorschlägen für nationale FTE-Programme,

·          Vorschläge zur Verbesserung der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft sowie

·          Vorschläge für ein Monitoring aller FTE-orientierten Einrichtungen mit Beteiligung des Bundes.

Die Gründung des Rates war primär mit dem Bedarf an einer kohärenten Strategieentwicklung motiviert, die bei gegebener Kompetenzverteilung der Technologieagenden auf Ministerebene nur mit Einschränkungen gegeben ist. So liegen die Sachbereiche Wissenschaft, Forschung, Technologie und Innovation bei drei Ministerien - Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Forschungs- und technologiepolitisch relevante Aktivitäten dienen darüber hinaus in anderen Ministerien meist der Verwirklichung der im Kompetenzbereich liegenden Politikziele (etwa Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen).

Eine wichtige Rolle für die österreichische Forschungs- und Technologiepolitik spielt auch das Bundesministerium für Finanzen - weniger durch einen thematischen Bezug der Agenden als vielmehr aufgrund der Verfügbarkeit technologiepolitisch relevanter Instrumente. Einzelne Maßnahmen des Finanzministeriums haben technologiepolitischen Charakter zumal etwa Garantiemaßnahmen und Steuerbegünstigungen Anreize für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Unternehmenssektor setzen. Das finanzielle Volumen steuerlicher Maßnahmen ist beträchtlich: Durch Begünstigungen im Rahmen des Forschungsfreibetrags I (FFB-I, ab 2000 in neuer Form) und des Forschungsfreibetrags II (FFB-II, ab 2002) verbleiben nach Schätzungen des Finanzministeriums jährlich rund 130 bzw. 120 Mio. € bei forschenden Unternehmen.

Seinem gesetzlichen Auftrag folgend treibt der Rat die Strategieentwicklung voran. Bereits ab Mitte 2001 wurden erste Strategiepapiere vorgelegt; im Dezember 2002 wurde ein umfangreicher Forschungs- und Innovationsplan veröffentlicht. Die Strategiepapiere enthalten weitreichende Maßnahmenpakete, um das zentrale Ziel - die Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsquote auf 2,5% des BIP bis 2005 - zu erreichen. Insbesondere thematisiert der Rat die Frage nach der Hebelwirkung öffentlicher Forschungs- und Entwicklungsausgaben und verankert sie als wichtiges Kriterium für die Mittelallokation der öffentlichen Hand.

Eine engere Verknüpfung von Formulierung und Umsetzung einer kohärenten Strategie des Bundes zu Forschung und technologischer Entwicklung ergab sich durch den Vergabemodus für die im Dezember 2000 beschlossenen Sondermittel des Offensivprogramms. Die Vergabe von insgesamt 508,7 Mio. € sollte - unter Annahme einer gleichmäßigen Verteilung der Ausgaben über die Periode von drei Jahren - die Forschungsausgaben des Bundes gegenüber 1999 und 2000 pro Jahr um rund 14% steigern. Eine Besonderheit der Initiative ergibt sich durch die Gestaltung des Vergabeprozesses:

·          Die drei Fachressorts (Verkehrsministerium, Wissenschaftsministerium, Wirtschaftsministerium) entwickelten förderungswürdige Programme im Wettbewerb miteinander und hatten keine direkte Entscheidungskompetenz in der Programmauswahl.

·          Die inhaltliche Bewertung der einzelnen Initiativen auf Förderungswürdigkeit übernahm der RFT in Form einer Empfehlung zur Sondermittelvergabe an den Finanzminister. Dieser stellte die Mittel aufgrund einer parlamentarischen Ermächtigung den Fachressorts zur Verfügung.

Die vom Rat in sechs Sitzungen erarbeiteten Empfehlungen zur Sondermittelvergabe ermöglichten in den Jahren 2001 und 2002 Zahlungen von jeweils rund 125 Mio. €, d. h. etwa 10% der gesamten jährlichen Forschungsausgaben des Bundes. Die Sondermittel erhöhten somit einerseits die öffentlichen Forschungsbudgets beträchtlich; andererseits waren mit dem Vergabemodus Lenkungseffekte verbunden. Vom Rat formulierte Strategieelemente bildeten wesentliche Bewertungskriterien für die eingereichten Projekte. Darüber hinaus spiegelt sich in einzelnen Auflagen eine koordinierende Funktion des Rates bei Überschneidungen bzw. mangelnder Vernetzung zueinander komplementärer Initiativen[c]). Freilich beschränkt sich der Wirkungskreis des Rates auf einen geringen Teil der insgesamt für Forschung und technologische Entwicklung eingesetzten Mittel.

Aus den Sondermitteln wurde über weite Strecken die Weiterführung bestehender Programme abgesichert. Deutlich ausgeweitet wurden insbesondere die bestehenden Programme von FFF und FWF, den zwei für die österreichische Forschungsförderung zentralen Einrichtungen. Bereits in der ersten Vergabesitzung vom Jänner 2001 empfahl der Rat eine Erhöhung der Dotierung der beiden Fonds um 40 Mio. € für 2001, weitere Empfehlungen zur Anhebung der Dotierung um rund 54,5 Mio. € folgten für das Jahr 2002. Vom Volumen her vergleichbar sind auch die finanziellen Beiträge zur Weiterführung bzw. Ausweitung der Kompetenzzentren-Programme Kplus und Kind/Knet (rund 79 Mio. €).

In einigen Fällen wie z. B. bezüglich der Fonds vertrat der Rat die Auffassung, dass - um Kontinuität der Mittelverfügbarkeit zu wahren - eine Verwendung regulärer Budgets oder die Umschichtung innerhalb einzelner Ressorts einer Nutzung von (punktuell verfügbaren) Sondermitteln vorzuziehen wäre[d]). In (finanziell) kleinerem Umfang dienen Sondermittel der Überbrückungsfinanzierung oder der Vorbereitung einer Initiative (z. B. Mittel für die Innovationsagentur).

Auf neue Programme entfällt trotz dieser Einschränkungen insgesamt ein wesentlicher Anteil der Sondermittel. Für zahlreiche Initiativen wurde so zumindest die Finanzierung der ersten Phase gesichert (z. B. Aeronautik, FIT IT, GEN-AU, Technologie-Transfer). Insbesondere für längerfristige Programme - etwa die im Februar 2002 zur Finanzierung aus Sondermitteln empfohlene NANO-Initiative - werden in Zukunft weitere Mittel in signifikanter Höhe erforderlich sein.

Ausblick

Österreich holte in den neunziger Jahren im internationalen Vergleich gemessen an einigen Forschungs- und Technologieindikatoren auf. Aus Benchmarking-Aktivitäten mit vergleichbaren Ländern folgt allerdings, dass eine überdurchschnittliche Position noch lange nicht erreicht ist.

Die Wirtschaftspolitik formulierte in den letzten Jahren nicht nur ambitionierte Zielsetzungen, sondern stellte auch die Weichen hinsichtlich Strategieentwicklung und Einsatz neuer forschungs- und technologiepolitischer Instrumente. Einen wesentlichen Beitrag zu einer ressortübergreifenden Strategieentwicklung leistet der Anfang 2001 gegründete Rat für Forschung und Technologieentwicklung. Auch auf operativer Ebene wurden Verbesserungen des institutionellen Gefüges erreicht - etwa durch Verschmelzung einzelner Fördereinrichtungen zur Austria Wirtschaftsservice GmbH (AWS). Das Instrumentarium der heimischen Forschungs- und Technologiepolitik erreicht mittlerweile eine recht hohe Diversität, sodass ein ausgesprochen breit ausdifferenziertes Fördersystem zur Verfügung steht.

Eine Umsetzung der Barcelona-Ziele stellt die österreichische Forschungs- und Technologiepolitik allerdings vor einige Herausforderungen. Die Behebung der im Forschungs- und Technologiebericht 2003 aufgezeigten Strukturschwächen erfordert nicht nur beträchtliche Mittel der öffentlichen Hand und des privaten Unternehmenssektors, sondern lässt auch einen Engpass an Humanressourcen erwarten. Auch neuere Szenariorechnungen, die die Maßnahmen des "Konjunkturpaketes" von 2003 berücksichtigen, verweisen auf einen zusätzlichen Bedarf an öffentlichen Mitteln von rund 380 Mio. € in der Periode 2004/2006, um die Forschungs- und Entwicklungsquote auf 2,5% des BIP zu erhöhen. Fraglich ist, in welchem Ausmaß die beabsichtigte Steigerung der Effizienz des Fördersystems und Optimierung des Instrumentenmix eine Reduktion der erforderlichen öffentlichen Gelder ermöglichen.

The Austrian Research and Technology Report 2003 - Summary

Against the background of rather ambitious international goals in the field of technology policy, the "Research and Technology Report of 2003" analyses recent trends in the Austrian innovation system and compares the situation in Austria with that in other EU countries. The report includes evaluations of the overall funding and composition of research and development (R&D) in Austria and summarises results from benchmarking activities in the EU. A separate chapter concentrates on Austria's position within the emerging European Research Area. In addition, recent developments in the field of technology policy such as institutional reforms, policy strategies and current utilisation of policy instruments are discussed in detail.

During the past few years, technology policy has moved up on the policy agenda both in Europe in general and in Austria in particular, and ambitious targets have been set. For example, the European Union aims at increasing overall R&D spending as a percentage of GDP to 3 percent by 2010. Starting out from (currently estimated) 1.96 percent - which is slightly above the European average - the Austrian government intends to reach 2.5 percent by 2005. As a matter of fact, resources allocated to R&D have to be increased significantly both in the public sector and private business sector. The R&D expenditure gap is partly the result of the structure of Austrian industries which cannot be changed instantaneously: in addition to funding requirements addressed by several scenarios, a particular challenge to overcome will be the availability of qualified research personnel.

Recent reforms include institutional reorganisation. To this end, the government set up the Council for Research and Technological Development (Rat für Forschung und Technologieentwicklung) in 2001. Though limited in its scope, the Council has since proved that its activities contribute substantially to improving the development and implementation of coherent technology policy strategies. So far, an extension of federal funding for R&D, following the recent announcement of additional measures, signals a serious effort to put stated policy objectives into actual practice. Nevertheless, further steps will have to follow in order to close the gaps.

 

 

 



[a])  Die hier vorgelegte Szenarienrechnung beruht auf folgenden zentralen Annahmen: Für die gesamtwirtschaftlichen Forschungsausgaben wurden Daten von Statistik Austria (Globalschätzung für 2002) verwendet, das nominelle Wachstum des Bruttoinlandsproduktes entspricht den Schätzungen der mittelfristigen Prognose des WIFO vom März 2003, die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen werden mit konstanten jährlichen Wachstumsraten gesteigert.

[b])  Die jüngste in diesem Szenario berücksichtigte Änderung betrifft das "Konjunkturpaket III", das die Bundesregierung im Rahmen des Wachstums- und Standortgesetzes im November 2003 vorstellte. Es umfasst eine erhebliche Ausweitung des öffentlichen Fördervolumens durch Mittelaufstockung der direkten Förderungen um 100 Mio. € für 2004, die Anhebung des Forschungsfreibetrags von 15% auf 25% sowie die Erhöhung der Forschungsprämie von 5% auf 8%.

[c])  Der Rat formuliert etwa Auflagen zur Entwicklung von Gesamtkonzepten für verschiedene IKT-Initiativen, für die Unterstützung von High-Tech-Gründungen, für forschungs- und entwicklungsbezogene Internationalisierungsaktivitäten, für den Technologietransfer sowie für die Abstimmung einzelner Maßnahmen der Frauenförderung.

[d])  In der Empfehlung vom 20. November 2001 stellte der Rat fest: "Sowohl hinsichtlich des FFF als auch des FWF wird empfohlen, ab dem Jahr 2003 die gesamte Bundesbudgetdotierung aus den Normalbudgets sicherzustellen." Ähnlich sind eine am 15. Jänner 2001 erteilte Auflage zur Ergänzung einer Sondermitteldotierung aus internen Budgetumschichtungen des Wirtschaftsministeriums sowie die Empfehlung von Folgefinanzierungen aus ordentlichen Budgets für den österreichischen Beitritt zur ESRF ("European Synchroton Radiation Facility") zu verstehen.