WIFO-Konjunkturtest

Methodenbeschreibung des WIFO-Konjunkturtests

Die frühzeitige Kenntnis des Konjunkturverlaufes – speziell der Konjunkturwendepunkte – ist eine wichtige Grundlage wirtschaftspolitischer und unternehmerischer Entscheidungen. Zur zeitnahen Bestimmung der Entwicklung sind hochwertige gleichlaufende oder – besser noch – vorlaufende Konjunkturindikatoren erforderlich (Frühindikatoren). Für Österreich liefert der WIFO-Konjunkturtest ein solches System von Frühindikatoren.

Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung österreichischer Unternehmen zu ihrer wirtschaftlichen Lage und deren Entwicklung in den nächsten Monaten. Ziel ist es, mit möglichst geringem Aufwand für die Befragten die aktuelle und bevorstehende Entwicklung der österreichischen Wirtschaft zu erfassen. Die Ergebnisse werden zwölfmal pro Jahr jeweils vor dem Ende des Erhebungsmonats veröffentlicht. Sie liegen damit wesentlich früher vor als Daten der amtlichen Konjunkturstatistik. So sind die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests für einen bestimmten Monat rund zwei Monate vor der Veröffentlichung des vorläufigen Wertes und rund drei Monate vor der Publikation des ersten Wertes des Produktionsindex verfügbar.

Heute nehmen pro Monat rund 1.700 Unternehmen mit mehr als 200.000 Beschäftigten freiwillig am WIFO-Konjunkturtest teil. An dieser Stelle sei den Unternehmen gedankt: ohne ihre Mitwirkung wäre der WIFO-Konjunkturtest nicht möglich.

Geschichte

Konjunkturbefragungen wie der WIFO-Konjunkturtest werden heute in vielen Ländern durchgeführt. In Österreich führte das WIFO den Konjunkturtest schon 1954 ein. Unmittelbares Vorbild war der Konjunkturtest des ifo in München, der seit 1949 fixer Bestandteil der deutschen Wirtschaftsforschung und Grundlage des seit 1971 publizierten ifo-Geschäftsklimaindex ist. Der WIFO-Konjunkturtest wurde 1963 umgestellt und vereinfacht. Statt monatlich wurde er nunmehr quartalsweise erhoben, und das Fragenprogramm wurde eingeschränkt. In dieser Form wurde der WIFO-Konjunkturtest mit kleineren Änderungen bis 1996 durchgeführt.

Seit 1996 nimmt das WIFO am "Joint Harmonised EU Programme of Business und Consumer Surveys" der Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission teil, welches Konjunkturbefragungen in der gesamten EU und teilweise darüber hinaus koordiniert. Dies erforderte Modifikationen, die den WIFO-Konjunkturtest erheblich veränderten:

  • Das Fragenprogramm wurde erweitert. Auch in Österreich wird seit 1996 der europaweit harmonisierte Fragenkatalog eingesetzt.
  • Die Frequenz der Befragung wurde von einem vierteljährlichen (wieder) auf einen monatlichen Rhythmus umgestellt. Seither wird, wie im harmonisierten Programm vorgesehen, jeden dritten Monat (Jänner, April, Juli und Oktober) eine Befragung mit zum Teil erheblich erweitertem Fragenumfang durchgeführt ("Quartalsbefragungen").

Der WIFO-Konjunkturtest wurde auf weitere Sektoren ausgedehnt. Neben der Sachgütererzeugung und der Bauwirtschaft wird seit 1996 auch ein wichtiger Teil des Dienstleistungssektors erfasst. Der Einzelhandel ist ebenfalls Teil des Joint Harmonised EU Programme of Business and Consumer Surveys. In Österreich erhebt diesen die KMU Forschung Austria (KMFA) im Auftrag des WIFO als Bestandteil ihrer eigenständigen monatlichen Befragung im Einzelhandel.

Das Befragungskonzept

Die Kernidee des WIFO-Konjunkturtests und vergleichbarer Konjunkturbefragungen besteht darin, durch Fragen, die von den Unternehmen möglichst schnell und einfach zu beantworten sind, zuverlässige und theoretisch fundierte Indikatoren zum Konjunkturverlauf zu erhalten. Die Einfachheit des Erhebungsdesigns hält die Belastung der teilnehmenden Unternehmen gering: Ein Fragebogen sollte von einer geübten Person in weniger als fünf Minuten beantwortet werden können.

Der WIFO-Konjunkturtest ist weitgehend qualitativ, d. h. es werden (außer in zwei Quartalsfragen sowie der Beschäftigtenzahl) keine numerischen Angaben erfragt. Für die Antworten werden drei qualitative Optionen angeboten (z. B. gut – befriedigend – schlecht oder besser – gleich – schlechter). Die Fragebögen enthalten keine Definitionen, sondern verwenden gut bekannte Konzepte wie "Zahl der Beschäftigten", ohne genau zu definieren was unter "Beschäftigte" zu verstehen ist (Vollzeit- oder Teilzeitstellen, Zeitarbeit). Dieses Konzept durchdringt den gesamten WIFO-Konjunkturtest und erlaubt – anders als die amtliche Statistik, die notwendigerweise quantitative Daten erhebt – nicht nur eine schnelle Beantwortung, sondern auch eine schnelle Berechnung der Indikatoren und somit zeitnahe Analysen der Wirtschaftsentwicklung.

Die Indizes des WIFO-Konjunkturtests

Die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests werden u. a. als monatliche Indizes veröffentlicht und auf https://www.wifo.ac.at/publikationen/wifo-konjunkturtest aufrufbar sein. Sie sind für die einzelnen Sektoren und Subsektoren sowie für die Gesamtwirtschaft verfügbar. Die Indizes fassen die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests in wenigen Zahlen zusammen. Die Vorgangsweise bei der Indexbildung steht in der Tradition anderer bekannter und zuverlässiger Indikatoren wie des ifo-Geschäftsklimaindex oder der Vertrauensindikatoren der Europäischen Kommission, die aus den europaweit harmonisierten Konjunkturbefragungen (u. a. auch aus dem WIFO-Konjunkturtest) ermittelt werden.

Das Konzept des WIFO unterscheidet sich von den Konzepten der genannten Indikatoren des ifo und der Europäischen Kommission in einigen Elementen. Der Geschäftsklimaindex des ifo wird aus zwei Fragen gebildet, die gleichförmig über alle Branchen hinweg gestellt werden. Die Salden der Geschäftslage und der Geschäftslageerwartungen werden im ifo-Geschäftsklimaindex (geometrisch) gemittelt, daneben aber auch getrennt analysiert und dargestellt. Die Europäische Kommission errechnet Vertrauensindikatoren (Confidence Indicators) auf der Sektorebene (Sachgütererzeugung, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen) aus jeweils zwei bis drei Einzelindikatoren, die für die EU insgesamt gute Gleich- und Vorlaufeigenschaften aufweisen.

Das WIFO verfolgt eine Kombination beider Ansätze: Im Gegensatz zum Vertrauensindikator der EU und in Anlehnung an das Konzept des ifo wird zwischen Erwartungen und Einschätzungen unterschieden, aber im Gegensatz zum Konzept des ifo-Geschäftsklimaindex auf eine möglichst große Zahl an Einzelindikatoren zur Indexbildung zurückgegriffen. Durch die Aggregation unterschiedlicher Indikatoren werden reihenspezifische Fehler unterdrückt, allerdings werden dadurch unter Umständen auch die Vorlaufeigenschaften nivelliert.

Die Indizes des WIFO-Konjunkturtests werden monatlich auf Sektorebene für die Sachgütererzeugung, die Bauwirtschaft und die Dienstleistungen ermittelt. Aus diesen Sektorindizes werden die "gesamtwirtschaftlichen Indizes" errechnet, wobei die einzelnen Sektorindizes anhand der Bruttowertschöpfung des jeweiligen Sektors gewichtet werden.

Da die im WIFO-Konjunkturtest verwendeten Fragebögen an die spezifischen Gegebenheiten der erhobenen Sektoren (Sachgütererzeugung, Bauwirtschaft, Dienstleistungssektor, Einzelhandel) angepasst sind, unterscheiden sich auch die Fragen, die in die Indizes eingehen. Dadurch wird zwar die Vergleichbarkeit zwischen den Sektoren etwas eingeschränkt, allerdings wird durch die Nutzung aller für den jeweiligen Sektor zur Verfügung stehenden Fragen die größtmögliche Informationsmenge verarbeitet.

Der WIFO-Konjunkturklimaindex

Der zusammenfassende WIFO-Konjunkturklimaindex aggregiert als arithmetisches Mittel zwei Teilindizes, die getrennt ausgewiesen werden:

Der Index der aktuellen Lagebeurteilungen basiert auf den monatlichen Erhebungen zur aktuellen Lage und zur Entwicklung in den letzten drei Monaten. Er ist als gleichlaufender Index konzipiert, der allein durch die frühe Verfügbarkeit (rund 2 Monate vor den aktuellen Daten der amtlichen Statistik) einen mittelbaren Vorlauf gegenüber der offiziellen Konjunkturstatistik aufweist. Er wird aus der Einschätzung der Unternehmen zu folgenden Größen ermittelt:

  • Sachgütererzeugung: Auftragsbestände, Auslandsauftragsbestände, Fertigwarenlager, Entwicklung der Produktion in den letzten drei Monaten,
  • Bauwirtschaft: Auftragsbestände, Entwicklung der Bautätigkeit in den letzten drei Monaten,
  • Dienstleistungen: Auftragsbestände, Entwicklung der Geschäftslage in den letzten drei Monaten, Entwicklung der Nachfrage in den letzten drei Monaten, Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in den letzten drei Monaten,
  • Einzelhandel: Entwicklung der Geschäftslage in den letzten drei Monaten, Lagerbestände derzeit.

Der Index der unternehmerischen Erwartungen fasst jene monatlichen Fragen zusammen, die sich auf die Entwicklung in den Folgemonaten der Erhebung beziehen. Er ist als vorlaufender Indikator konzipiert und basiert auf der Einschätzung der Unternehmen zu folgenden Größen:

  • Sachgütererzeugung: Entwicklung der Produktion in den nächsten drei Monaten, Entwicklung der eigenen Geschäftslage für die kommenden sechs Monaten, Entwicklung des Beschäftigtenstandes in den kommenden drei Monaten.
  • Bauwirtschaft: Entwicklung des Beschäftigtenstandes in den kommenden drei Monaten, Entwicklung der Baupreise in den kommenden drei Monaten,
  • Dienstleistungen: Entwicklung der Nachfrage in den kommenden drei Monaten, Entwicklung des Beschäftigtenstandes in den kommenden drei Monaten, Entwicklung der eigenen Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten,
  • Einzelhandel: Bestellungen bei Vorlieferanten in den kommenden drei Monaten, Entwicklung des Beschäftigtenstandes in den kommenden drei Monaten, Entwicklung der eigenen Geschäftslage in den kommenden drei Monaten.

Saldenberechnung

Unsere Produktion wird in den nächsten 3 Monaten . . .
steigen
etwa gleich bleiben
sinken

Im Zuge der Auswertung werden "Salden" ermittelt, d. h. vom Anteil der positiven Antworten auf eine Frage wird der Anteil der negativen Antworten abgezogen. Antworten von 1.000 Unternehmen der Sachgütererzeugung auf die – oben dargestellte – Frage zu ihren Produktionserwartungen 300 Unternehmen, diese werden "steigen", 500 gehen davon aus, dass die Produktionstätigkeit "etwa gleich bleiben" wird, und 200 glauben, ihre Produktion werde "fallen", so ergibt dies einen Saldo von +10 Prozentpunkten (30% – 20% = 10 Prozentpunkte). In der Praxis zeigen die so ermittelten Salden eine hohe Korrelation mit den tatsächlichen Wachstumsraten des von Statistik Austria ermittelten Produktionsindex.

Es bestehen jedoch Ausnahmen vom Auswertungskonzept der Salden. In erster Linie betrifft dies Fragen, die nicht dem allgemeinen dreistufigen Fragenkonzept des Konjunkturtests folgen (z. B. die Kapazitätsauslastung), aber auch die Auftragsbestände werden nicht mehr nach dem Saldenkonzept ausgewiesen, da dies bei der Verwendung der Konjunkturtest-Ergebnisse häufig für Verwirrung gesorgt hat:

  • Auftragsbestände: Anteil der Unternehmen mit ausreichenden oder mehr als ausreichenden Auftragsbeständen,
  • Kapazitätsauslastung: arithmetisches Mittel der Kapazitätsauslastungen in Prozent,
  • gesicherte Produktionsdauer: arithmetisches Mittel der gesicherten Produktionsdauer in Monaten,
  • Primäre Behinderung der Produktions-, Bau- bzw. Geschäftstätigkeit: Anteil der Unternehmen, die eine spezifische Behinderung melden,
  • Index der unternehmerischen Unsicherheit: 0 bis 100 Indexpunkte, 0 = geringste messbare Unsicherheit, 100 = höchste messbare Unsicherheit.

Saisonbereinigung

Eine weitere Eigenheit sind "Saisoneffekte". Dies sind Muster in den Ergebnissen des WIFO-Konjunkturtests, die in einem jährlichen Rhythmus auftreten. So gehen die Produktionserwartungen der Unternehmen jedes Jahr im Herbst zurück und erholen sich gegen Jahresende wieder. Da dies keine konjunkturbedingten Schwankungen sind, werden sie mittels Verfahren zur Saisonbereinigung "herausgerechnet". Das WIFO verwendet für den WIFO-Konjunkturtest das Berechnungsverfahren "Dainties".

 

Publikationen

Bestimmung einer Konjunkturampel für Österreich auf Basis des WIFO-Konjunkturtests (Traffic-light Indications for the State of the Austrian Economy Based on the WIFO Business Cycle Survey)
WIFO-Monatsberichte, 2015, 88(3), S.175-183
Online seit: 26.03.2015 0:00
 
Der WIFO-Konjunkturtest ist ein wichtiges System von Frühindikatoren für die österreichische Konjunktur. Mit einem Markov-Regime-Switching-Modell kann der Konjunkturverlauf anhand dieser Indikatoren frühzeitig in Auf- und Abschwungregime klassifiziert werden. Die Regimewahrscheinlichkeiten können in Form einer Konjunkturampel dargestellt werden und bieten zusätzliche Information zur Interpretation der Konjunkturtestergebnisse.
Werner Hölzl, Gerhard Schwarz
Der WIFO-Konjunkturtest: Methodik und Prognoseeigenschaften (The "WIFO-Konjunkturtest": Methodology and Forecast Characteristics of the WIFO Business Cycle Survey)
WIFO-Monatsberichte, 2014, 87(12), S.835-850
Online seit: 19.12.2014 0:00
 
Der WIFO-Konjunkturtest wird vom WIFO seit 1954 durchgeführt. Heute nehmen rund 1.600 Unternehmen mit mehr als 200.000 Beschäftigten am WIFO-Konjunkturtest teil. Aus den Ergebnissen dieser Unternehmensbefragung werden Frühindikatoren für die österreichische Konjunktur ermittelt. Die gesamtwirtschaftlichen Indizes des WIFO-Konjunkturtests liefern, wie die Analyse zeigt, ein zuverlässiges Instrument für die Konjunkturbeobachtung. Sie zeichnen sich durch erheblichen Vorlauf zur offiziellen Statistik aus und zeigen Änderungen des Konjunkturverlaufes früh und deutlich an.

Methodenbeschreibung der WIFO-Investitionsbefragung

Die WIFO-Investitionsbefragung ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit im Rahmen des WIFO-Konjunkturtests. So wie dieser verfolgt die Investitionsbefragung vor allem das Ziel, über relevante ökonomische Daten zu verfügen, schon bevor diese von den statistischen Ämtern zur Verfügung gestellt werden können.

Geschichte

Die WIFO-Investitionsbefragung löste im Herbst 2021 den WIFO-Investitionstest ab, der  seit 1964 als eigenständige Erhebung durchgeführt wurde und seit 1996 Teil des "Joint Harmonised EU Programme of Business und Consumer Surveys" der Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen der Europäischen Kommission war. Die WIFO-Investitionsbefragung erfasst nun die Unternehmen der Sachgütererzeugung und der Dienstleistungsbereiche.

Das Befragungskonzept

Im Rahmen der WIFO-Investitionsbefragung werden von den Unternehmen "qualitative" Items (ordinalskalierte Variablen, d. h. „sinkt“ – „bleibt gleich“ – „wächst“) über ihre Investitionstätigkeit der letzten zwei Jahre sowie die Investitionspläne für das laufende und das kommende Jahr gemeldet. Aus den so gewonnenen Daten ergibt sich ein grobes Bild der Investitionsentwicklung (Salden aus den Meldungen einer Ausweitung bzw. Reduktion der Investitionen). Daneben werden weitere Faktoren wie Investitionsziele und -motive erfasst.

Die Verwendung der Ergebnisse

Zur Information der Öffentlichkeit über die zu erwartende Investitionstätigkeit der österreichischen Wirtschaft werden die Ergebnisse der WIFO-Investitionsbefragung zweimal jährlich in den WIFO-Monatsberichten veröffentlicht und den teilnehmenden Unternehmen selbstverständlich kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Investitionsbefragung ist aber auch aufgrund der zeitnahen Publikation der Ergebnisse für die mikroökonometrische Forschung von hohem Wert.