Österreichs Föderalismus weist eine stark zentralistische Struktur auf, insbesondere bezüglich der Verteilung der Besteuerungsrechte
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Über 90% der Steuererträge werden in Form gemeinschaftlicher Bundesabgaben eingehoben
und auf der Basis von im Finanzausgleichsgesetz fixierten Schlüsseln als Ertragsanteile verteilt. Dieses Finanzierungsschema
verletzt in besonderem Maße das Prinzip der institutionellen Kongruenz. Die Studie untersucht vor diesem Hintergrund die Vor-
und Nachteile einer umfassenden Steuerautonomie der Bundesländer und diskutiert Reformoptionen. Auf der Basis eines ausführlichen
Überblicks über die theoretische und empirische Literatur entwickelt die Studie einen Kriterienkatalog und prüft Optionen
höherer Ländersteuerautonomie. Anhand regional differenzierter Daten der Steuerstatistiken wird simuliert, welche statischen
Aufkommenseffekte die Ausweitung der Steuerautonomie im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und
der motorbezogenen Versicherungssteuer auf das länderspezifische Steueraufkommen hätte. Eine höhere Steuerautonomie der Länder
weist demnach im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer und der motorbezogenen Versicherungssteuer nicht nur theoretische Vorzüge
auf, sondern kann auch ohne große Verwerfungen in das Finanzausgleichssystem integriert werden, wenn sie durch geeignete horizontale
Finanzausgleichsmechanismen ergänzt wird. Im Bereich der Körperschaftsteuer würde eine Länderautonomie dagegen mit relativ
starken Friktionen gegenüber dem gegenwärtigen System einhergehen.
Forschungsbereich:Makroökonomie und öffentliche Finanzen – Regionalökonomie und räumliche Analyse
Sprache:Deutsch
Comprehensive Tax Autonomy of Austria's Bundesländer
Federalism in Austria is heavily centralised, especially regarding the assignment of tax competences between the federal level,
the Länder and the municipal level. Over 90 percent of total tax revenues are levied in the form of "joint taxes". These are
shared between governmental levels according to allocation formulas codified in the Finanzausgleichsgesetz (fiscal equalisation
law). This revenue sharing system strongly violates the principle of institutional congruence. Against this background, the
study investigates pros and cons of substantial tax autonomy of Austria's Länder governments. Based on a comprehensive review
of relevant theoretical and empirical approaches, the study develops a list of criteria to check feasible options for higher
Länder tax autonomy. Using regional tax statistics data, we simulate static revenue effects of higher tax autonomy concerning
wage taxes and personal income taxation, corporate income taxation, and motor vehicle insurance taxes at the Länder level.
It can be shown that, apart from the theoretical benefits, autonomy for wage and personal income and motor vehicle insurance
taxation could be implemented without major tensions, provided that it is complemented by a suitable horizontal fiscal equalisation
scheme. Länder autonomy regarding the corporate income tax would lead to substantial frictions as compared to the current
system.
Die regionalen Aufkommenswirkungen einer Ausweitung der Steuerautonomie der österreichischen Bundesländer in Bezug auf Lohn-
und Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und motorbezogene Versicherungssteuer werden basierend auf der derzeitigen regionalen
Verteilung der Bemessungsgrundlagen mit statischen Steueraufkommenssimulationen geschätzt. Die Ergebnisse reagieren relativ
sensibel auf unterschiedliche regionale Verteilungen der Bemessungsgrundlage. Grundsätzlich kann das Auseinanderfallen von
Wohnort und Ort der wirtschaftlichen Aktivität großen Einfluss auf den Effekt der Veränderung der Steuerautonomie haben.
In Anbetracht der kontroversen theoretischen Argumente für und wider eine Steuerautonomie der österreichischen Bundesländer
sind die empirischen Erfahrungen anderer föderativer Staaten interessant. In Europa zeichnet sich der Föderalismus der Schweiz
durch hohe Autonomie der Kantone in der Besteuerung der persönlichen Einkommen, Vermögen und Unternehmensgewinne und in der
Bereitstellung öffentlicher Leistungen aus. Ein intensiver Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen wird durch das neugeordnete
Finanzausgleichssystem (NFA) gedämpft. Trotz Kritik im Detail sind die Erfahrungen der Schweiz mit der Steuerautonomie der
Kantone positiv. Das System des Steuerföderalismus wird als wesentlicher Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg und die hohe
Effizienz des Staatssektors gesehen. Allerdings werden durch die Fiskalkonkurrenz mobile und wohlhabende Steuerpflichtige
und Unternehmen bevorzugt. Auch besteht eine Tendenz zur Segregation: Reiche und ärmere Steuerpflichtige konzentrieren sich
in bestimmten Kantonen und Gemeinden. Die etablierten direktdemokratischen Elemente leisten einen wesentlichen Beitrag zur
Funktionsfähigkeit des Steuerwettbewerbs. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Kontrolle des (wettbewerblichen) Verhaltens
der Kantonsregierungen und tragen dazu bei, dass die Steuerkonkurrenz keinen ruinösen Charakter annimmt. Letztlich ist abzuwägen,
welchen Faktoren bei einer möglichen Neukonzeption des österreichischen Fiskalföderalismus höheres Gewicht eingeräumt werden
soll. Wenngleich direkte Demokratie kein unverzichtbarer Bestandteil einer Steuerautonomie ist, ist sie doch ein wichtiges
Element zur Kanalisierung des Wettbewerbs.
Eine Reihe von Argumenten spricht für eine Stärkung der Steuerautonomie der österreichischen Bundesländer. Diese kann unterschiedliche
Steuern betreffen und unterschiedliche Formen annehmen, die jeweils mit unterschiedlichen Verteilungswirkungen, aber auch
möglichen unerwünschten Effekten einhergehen können. Zur Beurteilung der Eignung einzelner Optionen als ländereigene Steuern
werden eine Reihe von Kriterien herausgearbeitet, die für eine erste grobe Einschätzung hilfreich sind, aber jedenfalls durch
vertiefte Analysen zu ergänzen wären.
Das vorliegende Schwerpunktheft der WIFO-Monatsberichte befasst sich mit Optionen und potentiellen Effekten einer Ausweitung
der Steuerautonomie der Bundesländer.
Auftraggeber: Verbindungsstelle der Österreichischen Bundesländer
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Abgeschlossen: 2015
Österreichs Föderalismus weist eine stark zentralistische Struktur auf, insbesondere bezüglich der Verteilung der Besteuerungsrechte
zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Über 90% der gesamten Steuererträge werden in Form von gemeinschaftlichen Bundesabgaben
eingehoben und über die im Finanzausgleichsgesetz fixierten Verteilungsschlüssel als Ertragsanteile auf Bund, Länder und Gemeinden
verteilt. Dieses Finanzierungsschema verletzt in besonderem Maße das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz. Die Forschungsarbeit
untersucht vor diesem Hintergrund die Vor- und Nachteile einer umfassenden Steuerautonomie der österreichischen Bundesländer
und diskutiert mögliche Reformoptionen. Auf der Basis eines ausführlichen theoretischen und empirischen Literaturüberblicks
zu Frage der Steuerautonomie entwickelt die Studie mögliche Optionen und schätzt deren statische Aufkommenswirkungen für die
Bundesländer.