Der Prozess der europäischen Integration ist nach einer Periode erheblicher Erfolge ins Stocken geraten. Nicht nur die Finalität
der EU ist umstritten, auch die Einigung auf kleinere Reformen oder einzelne Verordnungen fällt zunehmend schwer. Manches
ist auf die Verunsicherung durch die rasche Aufeinanderfolge von exogenen Krisen zu erklären; die neuere Integrationstheorie
führt die Probleme jedoch zunehmend auf die Schwierigkeiten einer "integration among unequals" zurück: Die Heterogenität der
EU reiche über die Unterschiede in Geographie und Wirtschaftsstruktur im engeren Sinn hinaus; die Mitgliedsländer unterschieden
sich durch ihre Wirtschaftsmodelle, durch unterschiedliche Formen des "welfare capitalism", durch unterschiedliche Wachstumstreiber,
Sozialpartnerbeziehungen und Formen der Unternehmensführung. Anhand der Umfragen des Eurobarometer lässt sich zeigen, dass
die Heterogenität noch weit darüber hinausgeht: Die Bevölkerung der einzelnen Länder hat unterschiedliche Wertehierarchien
und Problemsichten, und unterschiedliche Bevölkerungsschichten fühlen sich von Globalisierung und Integration unterschiedlich
betroffen. Es zeigt sich nicht nur ein ausgeprägtes Nordwest-Südost-Gefälle, sondern auch ein sozioprofessionelles wie ein
soziologisches Gefälle: Die akademisch gebildete Gruppe steht der EU positiv gegenüber, Arbeitslose und Personen mit Finanzproblemen
distanziert. Die fortlaufenden Querelen der Regierungen, bis zu bewussten Regelverstößen und Austrittsdrohungen, dürften demzufolge
weniger deren Machtpolitik und Profilierungssucht zur Ursache haben als vielmehr die unterschiedlichen Werthaltungen, Probleme
und Prioritäten der Bevölkerung.
Forschungsbereich:Makroökonomie und öffentliche Finanzen
Sprache:Deutsch
Intergration among Unequals. Country- and Layer-specific Attitudes Towards the EU and Its Goals
The process of European integration has stalled after a period of considerable success. Not only is the finality of the EU
controversial, but agreement on smaller reforms or individual regulations is increasingly difficult. The heterogeneity of
the EU extends beyond the differences in geography and economic structure in the narrower sense; the member countries differ
in their economic models, in their forms of welfare capitalism, in growth drivers, in social partner relationships and in
forms of corporate governance. The Eurobarometer surveys show that the heterogeneity goes far beyond this: the population
of the individual countries has different value hierarchies and views of problems, and different strata of the population
feel differently affected by globalisation and integration. There is not only a pronounced northwest-southeast divide, but
also socio-professional and sociological differences: the academically educated group has a positive attitude toward the EU,
while the unemployed and people with financial problems are distanced. Consequently, the ongoing quarrels between governments,
including deliberate breaches of regulations and threats of resignation, are likely to be caused less by their power politics
and profiling addiction than by the population's differing values, problems and priorities.