Die vielfach diskutierte "digitale Beschleunigung" hat nach manchen Schätzungen das Potential, bis zur Hälfte der bestehenden
Arbeitsplätze obsolet zu machen. Die heftige publizistische und öffentliche Reaktion übersieht, dass andere Schätzungen bloß
auf ein Zehntel kommen; überdies geht es um Bruttofreisetzungen: die gleichzeitig arbeitsplatzschaffende Wirkung einer eventuellen
digitalen Beschleunigung wird somit nicht berücksichtigt. Wie historische Erfahrungen zeigen, schafft der technische Fortschritt
per Saldo eher Arbeitsplätze als sie zu vernichten. Auch ist bisher eine Verstärkung des technischen Fortschrittes durch digitale
Beschleunigung und technologisch verursachte Freisetzungen nicht zu verzeichnen. Die derzeit relativ hohe Arbeitslosigkeit
hat neben schwacher Nachfrage Immigration, einen Anstieg der Erwerbsbeteiligung und Rationalisierungen zur Ursache. Die vorliegenden
Studien differieren nicht bloß über das Ausmaß der potentiellen digitalisierungsbedingten Freisetzungen, es besteht auch keineswegs
Einigkeit darüber, ob primär ungelernte Tätigkeiten davon betroffen sein würden. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit massiver
technologisch bedingter Nettofreisetzungen auf absehbare Zeit nicht sehr groß sein dürfte, sollte die Wirtschaftspolitik bereits
jetzt reagieren. An erster Stelle sollte die Schlechterstellung der Arbeit relativ zu anderen Produktionsfaktoren im Abgabensystem
korrigiert werden, was zugleich auch den Rationalisierungsdruck mindern würde. Zweitens gilt es, durch Aus- und Weiterbildung
sowie durch Umschulungen die entsprechenden digitalen Qualifikationen bereitzustellen und drittens die Regulierungen entsprechend
anzupassen. Viertens muss durch geeignete Nachfragepolitik ein Klima geschaffen werden, in dem der Übergang zwischen den Arbeitsplätzen
erleichtert wird. Fünftens muss durch entsprechende Wettbewerbs- und Verteilungspolitik dafür gesorgt werden, dass die Automatisierungsgewinne
nicht einigen wenigen Unternehmen oder Personen zufallen.
Keywords:Technischer Fortschritt, Digitalisierung, Technologisch bedingte Arbeitslosigkeit
Forschungsbereich:Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit
Sprache:Deutsch
Is the Working Society Running Out of Jobs?
The widely-debated "digital acceleration" has, in the view of some analysts, the potential of making up to half of the existing
jobs obsolete. The fervid reaction of the media and the public at large overlooks that other estimates expect "only" one job
out of ten to become redundant. In addition, such estimates refer to gross job losses that do not consider any job-creating
effects of a purported digital acceleration. Yet, historical evidence suggests that technical progress raises on balance the
number of jobs rather than reducing it. Besides, there is no evidence so far that digital acceleration and technology-induced
labour shedding have speeded up technical progress. The current high unemployment has its roots, apart from sluggish demand,
in immigration, rising labour force participation and rationalisation of production. The studies at hand differ not only with
regard to the scope of potential job losses due to digitalisation, but also on the perception whether such losses will primarily
affect unskilled workers. Even if the danger of a massive technology-induced discharge of labour (in net terms) appears small
for the foreseeable future, economic policy should take appropriate action as from now. First and foremost, the disproportionally
high tax burden on labour in relation to other production factors needs to be corrected, which would also ease the pressure
towards rationalisation. Second, the education and training system as well as vocational redeployment measures ought to provide
the qualifications required for the digital era and, third, the regulatory framework should be adjusted accordingly. Fourth,
aggregate demand management must create overall economic conditions that facilitate transition from one job to another. Finally,
competition policy and the design of income (re )distribution need to ensure that the benefits from industrial automation
will not be enjoyed by a handful of companies and persons only.