Wirtschaftspolitik: Internationale Antworten auf die Corona-Krise

27.03.2020

WIFO-Ökonom Atanas Pekanov liefert eine erste Analyse der unterschiedlichen Maßnahmenpakete

Die Weltwirtschaft leidet in den letzten Wochen unter einem der größten Schocks der Nachkriegszeit. WIFO-Ökonom Atanas Pekanov wirft einen ersten internationalen Blick auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmenpakete in der Corona-Krise.

Die derzeitige Krise ist eine Kombination aus Angebots- und Nachfrageschock. Es wurden Lieferketten unterbrochen und die Beschäftigung von Millionen Menschen temporär eingestellt. Weiters schrumpft der Konsum der Haushalte, und Unternehmen revidieren aufgrund der hohen Unsicherheit ihre Investitionspläne. Durch den Rückgang der Ausgaben von Haushalten und Unternehmen können auch in nicht direkt von behördlichen Schließungsmaßnahmen oder fehlenden Lieferungen von Vorleistungen betroffenen Branchen Verluste auftreten. Die massive Einschränkung der wirtschaftlichen Aktivität wird auch solide Unternehmen unter Druck setzen, wenn sie wegen mangelnder Umsätze in Liquiditätsengpässe geraten. Diese Problematik wird von der schrumpfenden Nachfrage nach Gütern und Leistungen nur verstärkt.

Vorrangiges Ziel der Wirtschaftspolitik ist es in dieser Zeit, eine V-förmige Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen. Nach der jetzigen Phase des deutlichen Einbruchs soll sich nach der Normalisierung der Situation die Wirtschaft möglichst rasch wieder erholen. Die Wirtschaft soll also möglichst schonend "eingefroren" werden, um die Verbreitung der Krankheit zu beschränken, ohne dabei einen zu großen wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Die Maßnahmen dafür unterteilen sich in zwei Kategorien: Liquiditätshilfe für die Unternehmen in Form von Krediten, Steuerstundungen bzw. ‑herabsetzungen sowie nicht-rückzahlbare Unterstützungszahlungen einerseits und Unterstützung für Haushalte, die gegenwärtig unter Einkommensverlusten und großer Unsicherheit leiden, andererseits. Hinzu kommen zusätzliche Mittel für das Gesundheitssystem, sowie direkte Unterstützungen und Hilfe für spezifische, stark betroffene Branchen.

Europäische Länder agieren entschlossen, aber unkoordiniert

Die europäischen Länder haben die wirtschaftlichen Gefahren erkannt, rechtzeitig kommuniziert und teilweise schon umgesetzt. Sie wollen alles tun, um die Volkswirtschaft gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise zu schützen, "koste es, was es wolle". In Österreich beträgt das Hilfspaket zurzeit 38 Mrd. € (etwa 9,5% des BIP) und beinhaltet Mittel für Kurzarbeit (0,4 Mrd. €), einen Härtefallfonds für Ein-Personen-Unternehmen und KMU, zusätzliche Gesundheitsausgaben sowie Unterstützung der Unternehmen durch Steuerstundungen und Steuerherabsetzungen (10 Mrd. €). Zudem werden ein Notfallfonds von 15 Mrd. € für besonders betroffene Branchen sowie 9 Mrd. € für Kreditgarantien bereitgestellt.

Deutschland kündigte bereits am 13. März 2020 ein umfangreiches Maßnahmenpaket an – eine "Bazooka" zur Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus. Dieses beinhaltete ein unbegrenztes Kreditprogramm für Unternehmen und ein Hilfspaket für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Dieses erste Paket wurde dann für die lahmgelegte deutsche Wirtschaft zu einem wesentlich größeren Rettungsschirm ausgedehnt. Über das aktuell endgültige Rettungspaket, welches ein Gesamtvolumen von 1,2 Bio. € (35% des BIP) hat, wurde am 23. März 2020 im Deutschen Bundestag abgestimmt. Darunter fallen 122,5 Mrd. € für zusätzliche Staatsausgaben, u. a. Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Solo-Selbständige (50 Mrd. €), eine Lockerung der Bedingungen für Kurzarbeitsgeld (10 Mrd. €) und weitere Mittel für das Gesundheitssystem. Es sind weiters Steuerausfälle von 33,5 Mrd. € eingeplant. Für die Liquiditätshilfe für Unternehmen wird ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds für alle Unternehmen eingerichtet (davon 400 Mrd. € Garantien zur Absicherung von Unternehmensverbindlichkeiten, 100 Mrd. € für direkte vorübergehende Unternehmensbeteiligungen und 100 Mrd. € Kreditaufnahme zur Refinanzierung Corona-bedingter Sonderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau – KfW). Zudem wird der Garantierahmen für die KfW auf höchstens 449 Mrd. € erweitert.

In Frankreich betragen die bisher angekündigten Maßnahmen rund 45 Mrd. € (1,9% des BIP) und beinhalten einen Fonds für kleine Unternehmen, die Stundung der Körperschaftsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber und zwei Monate staatliche Zahlungen an entlassene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ("chomage partiel"). Die zugesagten Liquiditätsmaßnahmen betragen zurzeit etwa 300 Mrd. € (12,4% des BIP).

Spanien hat bisher ein Fiskalpaket von 17 Mrd. € (1,4% des BIP), mit Unterstützung von Mieterinnen und Mietern, Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen für Unternehmen und Arbeitsmarktmaßnahmen, angekündigt; die Details müssen allerdings erst konkretisiert werden. Dazu kommen 8% des BIP in Form von Kredithilfen und Garantien (100 Mrd. €).

In Italien betrugen die ersten Maßnahmen 25 Mrd. € (1,4% des BIP), einschließlich 10 Mrd. € zur Unterstützung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Familien und 3,5 Mrd. € für das Gesundheitssystem. Die bisher versprochene Liquiditätshilfe beträgt bis zu 350 Mrd. € (19,6% des BIP). Das Ausmaß, das die Krise dort angenommen hat, wird wahrscheinlich weitere Maßnahmen erfordern.

Im Vereinigten Königreich hat Finanzminister Rishi Sunak am 20. März 2020 еinen "Plan for People's Jobs and Incomes" angekündigt, mit der Zusage, dass die britische Regierung 80% der Löhne und Gehälter der einbehaltenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übernehmen wird. Darüber hinaus wurden mehrere weitere Maßnahmen versprochen (Unterstützung von Mieterinnen und Mietern, Stundung der Mehrwertsteuer, zusätzliche Mittel für das Sozialsystem), um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Insgesamt umfasst das Hilfspaket 350 Mrd. £ (knapp 16% des BIP), wobei 20 Mrd. £ auf Steuersenkungen sowie nicht-rückzahlbare Darlehen für KMU und 330 Mrd. £ auf Kreditgarantien entfallen.

In Dänemark hat die Regierung ähnlich wie in Österreich und Deutschland ein Kurzarbeitsmodell eingeführt, bei der die Regierung 75% der Gehälter der Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer übernimmt, unter der Bedingung, dass die Unternehmen keine Arbeiterinnen bzw. Arbeiter kündigen; das Gesamtvolumen der erforderlichen Ausgaben könnte bis zu 13% des BIP erreichen.

Eine Reihe von EU-Ländern haben somit in den letzten Wochen sehr schnell und effizient reagiert, um den Wirtschaftsschock möglichst zu begrenzen. Österreich hat auch im internationalen Vergleich ein ambitioniertes Hilfspaket auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Turbulenzen abzufangen.

In den USA wurde in den letzten Wochen heftig über eine angemessene Reaktion diskutiert. Nach mehreren Debatten hat der Senat der Vereinigten Staaten schließlich einem Gesamtpaket von 2 Bio. $ (rund 1,85 Bio. €) zugestimmt. Dies beinhaltet die Erweiterung der Unterstützungszahlungen von 231 Mrd. € für Arbeitslose, 324 Mrd. € für Kredite an Kleinunternehmerinnen bzw. -unternehmer, 462 Mrd. € für andere Unternehmenskredite, einschließlich für das leidende Unternehmen Boeing, und Steuerstundungen von 204 Mrd. €. Weitere 138 Mrd. € sind als Hilfe für die einzelnen Bundesstaaten geplant, sowie 108 Mrd. € für das Gesundheitssystem, Krankenhäuser und die Pflege. Einer der am heftigsten diskutierten Punkte betraf die Frage, ob alle Bürgerinnen und Bürger Direktzahlungen erhalten sollen oder eine Arbeitslosenunterstützung, bei der die Hauptverlierer der Krise mehr im Fokus stehen würden. Letztendlich werden 278 Mrd. € an Direktzahlungen an die Bevölkerung geleistet. Konkret erhalten Personen mit einem Jahresgehalt unter 75.000 $ einen Scheck von 1.200 $, hinzu kommen 500 $ für jedes Kind.

Europäische und internationale Antwort

Die ersten Maßnahmen der einzelnen Regierungen waren rasch und vielversprechend. Der Internationale Währungsfonds kündigte auch an, die außerordentlichen fiskalischen Maßnahmen zu unterstützen, die viele Länder bereits ergriffen haben, um die Gesundheitssysteme zu stärken und die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Unternehmen zu schützen. Auf EU-Ebene hat sich die Europäische Kommission bereit erklärt, außerordentliche fiskalische Maßnahmen zu ergreifen. So wurde die Notfallklausel im Fiskalpakt aktiviert, sodass für dieses Jahr die Defizitregeln außer Kraft gesetzt sind. Auch wurden die Regeln für Staatshilfen gelockert, um die massiven Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen zu ermöglichen. Im Rahmen einer "Investitionsinitiative zur Bewältigung der Corona-Krise" sollen zudem 37 Mrd. € nicht verwendete sowie noch nicht zugewiesene Strukturfondsmittel aus dem EU-Budget umgelenkt werden. Durch die Erweiterung des Anwendungsbereiches des Europäischen Solidaritätsfonds können darüber hinaus bis zu 800 Mio. € für 2020 an von der Corona-Krise betroffene Mitgliedsländer ausgeschüttet werden. Weitere 179 Mio. € können aus dem Europäischen Globalisierungsfonds für die Unterstützung krisenbedingt Arbeitsloser verwendet werden. Auf diese Weise stehen insgesamt bis zu 38 Mrd. € zur Verfügung.

Die Europäische Zentralbank hat ein neues Pandemie-Notfallprogramm zum Ankauf von Staatsanleihen (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) angekündigt. Dieses Programm hilft den Druck auf die Finanzmärkte zu vermindern und gewährleistet, dass Regierungen und Unternehmen Kredite bekommen, damit sie die jetzt erforderlichen stabilisierenden Maßnahmen umsetzen können. Die Maßnahmen haben gleich zur Dämpfung der Renditen auf Staatsanleihen im Euro-Raum geführt und somit die günstigen Finanzierungskonditionen auch für Unternehmen zunächst gesichert.

Allerdings wird befürchtet, dass die Maßnahmen der Regierungen und der Zentralbanken nicht ausreichen werden, um die Nachfrage anzukurbeln und die wirtschaftlichen Turbulenzen ausreichend abzufedern. Es wird deshalb momentan diskutiert, wie bestehende oder neue europäische Institutionen oder Instrumente den Fiskalimpuls weiter stärken könnten, damit nicht die gesamte Last auf die nationalen Budgets fällt. So könnten etwa weitere Finanzierungen an einzelne Länder durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) geleistet werden. Allerdings ist die ESM-Finanzierung an Reformkonditionalitäten geknüpft, welche in der aktuellen Krise nicht angemessen betrachtet werden. Dazu wurde auch die Diskussion wiederbelebt, ob dem Euro-Raum nicht ein Instrument zur gemeinsamen Verschuldung zur Verfügung stehen sollte, damit alle Länder die notwendigen Ausgaben unter möglichst rentablen Konditionen in den nächsten Monaten tätigen können. So hat laut Medienberichten EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine einmalige Coronabond-Ausgabe als mögliche Option erörtert, und neun EU-Staatschefs haben in einem offenen Brief am Mittwoch, dem 25. März 2020, offiziell gefordert, dass der EU-Rat diese Option diskutiert. Allerdings sind die Erfolgsaussichten dafür derzeit eher begrenzt.

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Atanas Pekanov, MSc

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen
© NASA/Unsplash
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