Tourismus: Empfindliche Verluste für das gesamte Jahr 2021

12.04.2021

Nach Totalausfall der Wintersaison drohen –49% im Vergleich zum Vorkrisenniveau

Die Ergebnisse der Tourismusanalyse des WIFO für die ersten vier Monate des Winters 2020/21 (November 2020 bis Februar 2021) zeigen einen Totalausfall (Ankünfte –95,1%, Nächtigungen sowie Einnahmen – nominell wie real – jeweils –93,5%). Für die gesamte Wintersaison werden Einbußen von über 90% erwartet. Der Ausblick für das weitere Jahr 2021 bleibt mit –49% im Vergleich zum Vorkrisenniveau 2019 düster.

Wurde der mit Anfang November 2020 verhängte Lockdown1) in der zweiten Februarwoche 2021 für den Handel sowie die Schulen aufgehoben, blieben Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe weitgehend geschlossen. Die Inanspruchnahme von Unterkünften ist ausschließlich Geschäftsreisenden und Kurgästen vorbehalten.

In absoluten Größen wurden in heimischen Beherbergungsbetrieben von November 2020 bis Februar 2021 nur rund 0,7 Mio. Ankünfte und etwa 3,5 Mio. Übernachtungen gezählt, die Umsätze im Gesamtreiseverkehr (einschließlich Tagesreisen und Aufwendungen im Zuge von Verwandten- und Bekanntenbesuchen) beliefen sich ersten Schätzungen des WIFO zufolge auf nominell 0,76 Mrd. € (ohne Berücksichtigungen von Zahlungen der öffentlichen Hand im Rahmen der COVID-19-Hilfsmaßnahmen). Berücksichtigt man für einen korrekten Vorjahresvergleich den Kalendereffekt aufgrund des Schalttages im Februar – 2020 hatte der Monat 29 Tage, 2021 nur 28 Tage –, betrug der Nachfrageeinbruch im gesamten Analysezeitraum bei Ankünften unverändert 95,1%, bei Übernachtungen 93,4% und bei den Einnahmen 93,3% (nominell) bzw. 93,4% (real)2).

Auf regionaler Ebene erfolgte keine Bereinigung der tatsächlichen Ist-Werte um den Schalttageffekt – die im Folgenden beschriebenen Werte zur aktuellen Analyseperiode sind daher geringfügig überschätzt. In Bezug auf die Tourismuseinnahmen ist zudem festzuhalten, dass im bisherigen Verlauf des Winters 2020/21 nicht nur die Aufwendungen der Übernachtungsgäste fehlen, sondern auch der Tagestourismus infolge der Lockdowns und der Absage von Veranstaltungen massiv einbrach. Hierzu liegen jedoch keine statistischen Informationen vor, sodass für die Abschätzung des Umsatzes im Gesamtreiseverkehr dem Tagestourismus dieselbe Dynamik wie dem Nächtigungstourismus unterstellt wurde.

Insgesamt kam die Nachfrage von November 2020 bis Februar 2021 in Wien (–94,4%) und Westösterreich (Salzburg, Tirol, Vorarlberg; Durchschnitt –97,4%) so gut wie vollständig zum Erliegen (Nächtigungen wie nominelle Umsätze gleichermaßen), während in Niederösterreich zumindest rund 37% des mengenmäßigen und monetären Niveaus von 2019/20 erreicht wurde. Obwohl in den Unterkünften ein Betretungsverbot für Urlaubszwecke besteht, wurden in Niederösterreich durch den nach wie vor aufrechten Betrieb in Kuranstalten, der Beherbergung von Arbeitskräften (vor allem im Baugewerbe) sowie Sportveranstaltungen nennenswerte Umsätze erzielt. Auch in Oberösterreich und dem Burgenland konnte in der Analyseperiode trotz Lockdown zumindest rund ein Viertel bzw. gut ein Fünftel des bereits stark reduzierten Nächtigungs- bzw. Umsatzniveaus des Vorjahres erzielt werden.

Der Februar stellt in einem normalen Winter mit etwa einem Viertel der Saisonnächtigungen den wichtigsten Wintermonat dar. In der bereits von COVID-19 betroffenen Saison 2019/20 erhöhte sich sein Gewicht durch den Lockdown-bedingten Nachfrageausfall im März und April 2020 auf rund ein Drittel (auf unbereinigter Basis einschließlich Schalttag- und Ostereffekt). Die laufende Saison war bisher so gut wie durchgehend von geschlossenen Beherbergungsbetrieben geprägt, mit einer Wiedereröffnung ist zum derzeitigen Wissensstand nicht vor Mitte Mai zu rechnen. Urlaubende Übernachtungsgäste dürften daher im Winter 2020/21 die Ausnahme darstellen, vielmehr beschränkt sich die insgesamt sehr geringe Nachfrage auf Geschäftsreisende und Kurgäste. Mit nur rund 184.900 Ankünften und 912.800 Übernachtungen lag das Ergebnis im Februar 2021 um 96,0% bzw. 95,5% unter dem jeweils (unbereinigten) Vergleichswert 2020 (schalttagbereinigt: Ankünfte –95,9%, Nächtigungen –95,2%).

Einer aktuellen Schätzung des WIFO zufolge, in der die Öffnung der Beherbergungsbetriebe sowie die Aufhebung der Reisebeschränkungen gegen Österreich auf wichtigen Quellmärkten erst nach dem Ende der laufenden Wintersaison unterstellt wird, dürfte der Februar in der diesjährigen Saison nur etwa 17½% der Winternächtigungen 2020/21 ausmachen. Für den gesamten Zeitraum von November 2020 bis April 2021 wird lediglich mit rund 4,9 Mio. Nächtigungen gerechnet, was weniger als einem Zehntel des Volumens der Saison 2019/20 entspricht (–92%; einschließlich Schalttag- und Ostereffekt). Die wintersportorientierten Bundesländer Westösterreichs sowie die Städtedestination Wien dürften damit im Vorjahresvergleich so gut wie die gesamte Saisonnachfrage verloren haben (Nächtigungen: Durchschnitt –97% bzw. –91½%), während die Beherbergung von Kurgästen und Arbeitskräften in Niederösterreich zumindest rund das halbe Nächtigungsvolumen des Winters 2019/20 erbracht haben dürfte.

Für die internationale Nächtigungsnachfrage ist von November 2020 bis April 2021 bundesweit ein Totalausfall zu erwarten (–97% gegenüber Winter 2019/20), nur in Nieder- und Oberösterreich dürfte das Minus geringer ausfallen (Durchschnitt –74%). Der in seiner Bedeutung 2020/21 markant gestiegene Binnentourismus (Marktanteil rund 71%, Normalsaison 2018/19 22,7%) dürfte im gesamten Winterhalbjahr österreichweit schätzungsweise gut 73% des Nächtigungsvolumens von 2019/20 eingebüßt haben (Westösterreich –85%, Wien und Mischregionen (Burgenland, Kärnten, Steiermark) jeweils –75%, Nieder- und Oberösterreich Durchschnitt –52%).

Ausblick Kalenderjahr 2021

Unter der Annahme, dass die Aufhebung des touristischen Betretungsverbotes für Beherbergungsbetriebe in der zweiten Maihälfte erfolgt und die Reisewarnung der wichtigsten Auslandsmärkte Mitte Juni aufgehoben werden, erwartet das WIFO für das Kalenderjahr 2021 Nächtigungseinbußen im Vergleich zum Jahr 2020 von rund 20%. Gegenüber dem bisherigen Höchstwert im Jahr 2019, dem letzten Jahr ohne Beeinträchtigung durch die COVID-19-Pandemie, bedeutet dies einen Rückgang von 49%. Die Erholung ab dem Frühsommer sollte wie schon letztes Jahr auch 2021 zunächst vom Binnentourismus ausgehen: Mit einem Nächtigungsanteil von rund 36½% 2021 dürfte der Urlaub im Inland weiter an Relevanz gewinnen (2020: 32,3%, 2019: 26,2%): Die Nachfrageverluste in diesem Segment sollten somit gegenüber 2020 deutlich schwächer ausfallen als bei internationalen Österreich-Gästen (–10% zu –25%); im Vergleich zu 2019 beläuft sich das erwartete Nächtigungsminus bei inländischen Reisenden auf etwa 29%, bei ausländischen Gästen aber auf rund 56%.

Auf regionaler Ebene hat Wien im Jahr 2021, wie schon im vergangenen Jahr, die relativ höchsten Verluste zu erwarten, im Vergleich zu 2019 könnten die Nächtigungen um insgesamt 58½% zurückgehen. Die stärkere Abhängigkeit von Fernmärkten, die auch im laufenden Jahr kaum nachfragewirksam werden dürften, der Ausfall von Konferenzen und anderen Veranstaltungen sowie die wahrscheinlich nachhaltige Verringerung bei Geschäftsreisen treffen Städtedestinationen in besonders hohem Maße. Gleichzeitig spielt der Binnentourismus eine sehr geringe Rolle.

Positiver sind die Erwartungen für den Tourismus in ländlichen Regionen, der sich schon im vergangenen Sommer günstig entwickelt hat. Dennoch werden der Ausfall der Wintersaison 2020/21 und das verzögerte Anlaufen der Sommersaison 2021 zu empfindlichen Verlusten für das gesamte Jahr 2021 führen: Salzburg, Tirol und Vorarlberg dürften im Durchschnitt nicht einmal das halbe Jahresvolumen 2019 erreichen (–55%), während die Lücke in den übrigen Regionen jeweils rund ein Drittel betragen könnte; letzteren kommt hier die deutlich stärkere Gewichtung des Binnentourismus zugute.

Diese Einschätzung geht allerdings davon aus, dass es bis zum Beginn der Sommerhauptsaison gelungen sein wird, das Infektionsgeschehen durch Impfungen nachhaltig einzudämmen und es auch im Herbst 2021 zu keinem weiteren erheblichen Aufflammen der Pandemie kommen wird. Es wird also die Annahme getroffen, dass es spätestens ab dem Sommer möglich sein wird, mit dem Virus SARS-CoV-2 zu leben bzw. auch unter Pandemiebedingungen Urlaub zu machen. Das Interesse, wieder zu verreisen, dürfte ein Jahr nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie in Europa sehr hoch sein – darauf deuten die sehr positive Buchungslage für den Sommer und die schon jetzt eingehenden zahlreichen Anfragen von Gästen bei österreichischen Beherbergungsbetrieben hin.



1)  Zweiter Lockdown: Teil-Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen von 20 bis 6 Uhr von 3. bis 16. November 2020, Voll-Lockdown von 17. November bis 23. Dezember 2020; dritter Lockdown: 26. Dezember 2020 bis 7. Februar 2021 (Schulen, Handel) bzw. bis voraussichtlich 25. April 2021 (Beherbergung, Gastronomie).

2)  Für die Ermittlung von Kalendereffekten, wie z. B. die Berücksichtigung eines Schaltjahres oder die Lage der Osterwoche, wurde das Programm JDemetra+ verwendet. Als Datenbasis wurde auf Monatsdaten ab Jänner 1996 zurückgegriffen; die Bereinigung erfolgte für Ankünfte, Übernachtungen und Umsätze im Gesamtreiseverkehr (jeweils für Österreich insgesamt).
 

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Mag. Dr. Oliver Fritz, MSc

Forschungsgruppe: Regionalökonomie und räumliche Analyse
© Charlie Storey/Unsplash
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