Der schwelende Konflikt um das heimische Sozialversicherungssystem bleibe zu sehr an der Oberfläche, kritisiert
WIFO-Chef Christoph Badelt. Dass es sinnvoll sei, die Zahl der derzeit 21 Sozialversicherungsträger - wie von der Bundesregierung
zuletzt angekündigt - zu reduzieren, sei weitgehend unbestritten. Die wahren Effizienzprobleme im System seien
damit aber nicht gelöst, so Badelt.
Brisante Fragen gibt es auch abseits der Organisationsstruktur genug: Die Leistungen verschiedener Krankenversicherungsträger
sollten vereinheitlicht, das Investitionsverhaltens der Träger aufeinander abgestimmt werden. Außerdem müssten der ambulante
und der stationäre Bereich der Gesundheitsversorgung besser miteinander vernetzt werden. Derzeit, so Badelt, habe Österreich
pro 1.000 Einwohner um 60 Prozent mehr Spitalbetten als der Durchschnitt der OECD-Länder. Auch die unklare Kompetenzlage
zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen im Gesundheitswesen muss bereinigt werden, so der WIFO-Leiter. Überlegungen
zur Trägerstruktur sollten erst am Ende einer Reform stehen. Die Idee einer Zusammenlegung ist weder neu noch sonderlich
originell. Das wird ohnedies passieren müssen, so Badelt.
Selbstverwaltung aus Reformüberlegungen nicht ausklammern
Auch die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger solle man zur Diskussion stellen. Bislang blieb dieses Thema aus Reformüberlegungen
immer explizit ausgeklammert. Die Selbstverwaltung muss nicht in allen Bereichen der Sozialversicherung sinnvoll sein.
Dort, wo sowohl die Höhe der Beiträge als auch die Leistungen der Versicherung gesetzlich vorgeschrieben seien etwa
in der Pensionsversicherung -, stelle sich die Frage, worin genau die Selbstverwaltung überhaupt bestehe, so Badelt. Bestimmte
Sachfragen und Reformen sind ohne Selbstverwaltung vielleicht schneller zu klären.
Badelt sieht nun die Regierung am Zug: Noch wissen wir nicht, wie die Regierung vorgehen will. Das sollte sich in den
kommenden Wochen und Monaten ändern.