Die Corona-Krise hat Systemrisiken und die Verwundbarkeit des Wirtschaftssystems, die mit den komplex vernetzten globalen
derzeitigen Strukturen einhergehen, offengelegt. Diese Verwundbarkeit besteht nicht nur gegenüber Pandemie-Ereignissen, sondern
trifft auch auf andere mögliche Störungen, wie etwa die absehbare Klimakrise, zu. Insofern gilt es nun einerseits, das, durch
die nunmehr reale Erfahrung der Coronavirus-Pandemie, erhöhte Bewusstsein für die Verwundbarkeit unseres Wirtschaftssystems
auch in Hinblick auf eine Vermeidung von Klimarisiken zu nutzen. Andererseits sind auch die staatlichen Maßnahmen zur Bewältigung
der Corona-Krise so zu setzen, dass sie auch zur Abmilderung des Klimawandels beitragen und unser Wirtschaftssystem weniger
verletzlich machen.
Die Corona-Krise verbessert die Klimasituation nicht
Es wird vielfach darauf hingewiesen, dass durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Coronavirus
die Schadstoff- und Treibhausgasemissionen sinken und damit die Corona-Krise einen Beitrag zum Klimaschutz liefert. Allerdings
bleiben Treibhausgase sehr lange in der Atmosphäre, und die klimaverändernde Wirkung wird allein durch die Konzentration der
Treibhausgase bestimmt. Daher wird sich zwar die unmittelbare Treibhausgasbilanz während des Lockdowns verbessern, aber auf
die globale Erwärmung haben solche nur kurzfristigen Einsparungen praktisch keine Auswirkungen. Um tatsächlich eine Trendwende
zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen in Österreich und weltweit mit strukturell wirksamen Maßnahmen dauerhaft gesenkt
werden. Wie stark sich die Corona-Krise in den Emissionsbilanzen niederschlägt, hängt auch davon ab, ob infolge einer Wiederbelebung
der Wirtschaft Nachholeffekte wirksam werden, die den erwarteten Rückgang kompensieren oder sogar übersteigen. Der Nettoeffekt
wird schließlich auch dadurch beeinflusst, welche Maßnahmen Staaten zur Konjunkturbelebung setzen und ob bereits begonnene
bzw. vereinbarte Maßnahmen zur Emissionsreduktion aufgrund des wirtschaftlichen Drucks verzögert oder infrage gestellt werden.
Für die Gesamtwirtschaft zeigt Abbildung 1, dass der einmalige Rückgang der Emissionen während der Finanzkrise und die nachfolgende
Politik nicht für strukturelle Reformen genutzt werden konnten, die den damals leicht fallenden Emissionstrend
verstärkt oder den Emissionsanstieg der späteren Jahre verhindert hätten. Vielmehr waren bereits 2010 die Emissionen wieder
auf dem Niveau des mittelfristigen Trends.
Handlungsmöglichkeiten für die Wirtschaftspolitik in der Corona-Krise
Mit Fokus auf die Wirtschaftspolitik und die spezifische österreichische Situation lässt sich eine Reaktion auf die Corona-Krise,
die die Robustheit einer Volkswirtschaft bzw. Gesellschaft stärkt, in folgende vier Bereiche untergliedern:
1. Soforthilfsmaßnahmen zur Erhaltung der Liquidität der Unternehmen und zur
Stützung der Beschäftigung sowie gesundheitspolitische Maßnahmen.
Aus Nachhaltigkeitsperspektive bieten diese Soforthilfsmaßnahmen grundsätzlich nur begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten. Dennoch
ist auch bei diesen Soforthilfsmaßnahmen darauf zu achten, dass sie langfristigen Zielen, wie etwa dem Klimaschutz, zumindest
nicht zuwiderlaufen.
2. Konjunkturstabilisierende Maßnahmen zur Abfederung des Wirtschaftseinbruchs
in Folge des Lockdown bzw. zur Unterstützung des "Wiederhochfahrens" der
Wirtschaft nach teilweiser oder vollständiger Aufhebung der Corona-bedingten
Einschränkungen im wirtschaftlichen und sozialen Leben.
Solche Konjunkturpakete, die zusätzliche Ausgaben ebenso wie Steuersenkungen umfassen können, bieten grundsätzlich eine Reihe
von Ansatzpunkten zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Volkswirtschaften. Einerseits geht es um eine Entwicklung in Richtung
kohlenstofffreier Wirtschaft und Gesellschaft, andererseits um die Stärkung der Innovationskraft der heimischen Unternehmen
sowie eine Verringerung der Verwundbarkeit der Wirtschaft durch die Abhängigkeit von globalen Supply-Chains. Die Notwendigkeit
der Stärkung von Innovation und Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft gilt insbesondere für alle Infrastrukturentscheidungen in
den Bereichen Gebäude, Mobilität und Energiebereitstellung, aber auch für die Industrie. Hierbei ist entscheidend darauf zu
achten, dass die kurzfristige Mittelverwendung zur Setzung von Wirtschaftsimpulsen in hohem Ausmaß die langfristigen Auswirkungen
auf den Klimawandel und die Krisenfestigkeit von Wirtschaft und der Gesellschaft bestimmt.
3. Maßnahmen, die zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit einer Volkswirtschaft bzw.
Gesellschaft erforderlich wären und insbesondere in Hinblick auf den Klimaschutz
teilweise vor Ausbruch der Krise bereits geplant waren.
In Österreich betrifft dies aus Klimasicht einerseits die im Regierungsprogramm vorgesehenen zusätzlichen Ausgaben für die
Erreichung der Klimaziele (z. B. Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr). Andererseits geht es um die ab 2021 geplante
Ökologisierung des Steuersystems. Hier wäre einerseits wichtig, bereits geplante Maßnahmen soweit wie möglich in ein etwaiges
Konjunkturpaket zu integrieren. Aus Klimaperspektive bieten sich insbesondere die vorgesehenen Investitionen in den öffentlichen
Nahverkehr, die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sowie die Nutzung erneuerbarer Energien an. Andererseits wäre
es wichtig, weiterhin an den beschlossenen Maßnahmen zur Ökologisierung des Abgabensystems festzuhalten, auch wenn sie bestimmte
Branchen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind, besonders belasten (wie etwa die Flugabgabe die Luftfahrtunternehmen
oder die NoVA die Automobilindustrie). Ebenso sollte an dem Vorhaben einer Ökologisierung des Pendlerpauschales 2021 sowie
der Einführung einer CO2-Bepreisung ab Beginn 2022 festgehalten werden. Ein CO2-Preis kann begleitend zu einem Konjunkturpaket, das zu einer nachhaltigen Entwicklung hin zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft
beitragen will, zusätzliche Impulse geben.
4. Konsolidierungsmaßnahmen, um die infolge der Corona-Krise zu erwartende
deutlich steigende Staatsverschuldung wieder abzubauen.
Umweltsteuern werden im Vergleich zu anderen Abgabenkategorien als relativ wachstumsfreundlich eingeschätzt und können beträchtliche
ökologische Lenkungseffekte auslösen. Es spricht daher einiges dafür, auch Ökosteuererhöhungen heranzuziehen, wenn zusätzliche
Einnahmen zur Budgetkonsolidierung erzielt werden sollen. Allerdings sollten Erhöhungen von Ökosteuern ökologisch systematisch
sein und die zusätzlichen Einnahmen nur temporär zur Budgetkonsolidierung verwendet werden, mit einer bindenden Selbstverpflichtung
der Regierung, die Einnahmen längerfristig in ein umfassendes Abgabenreformkonzept einzubinden, das auch ein Recycling der
Einnahmen für Haushalte und Unternehmen vorsieht. Hier sollte jedenfalls die offensichtliche Querverbindung zu bereits vor
der Krise geplanten Vorhaben genutzt werden: bereits geplante Maßnahmen zur Ökologisierung des Abgabensystems (Ökologisierung
von NoVA und Pendlerpauschale, Erhöhung der Flugabgabe, Einführung einer CO2-Bepreisung) könnten kurzfristig in ein Konsolidierungspaket integriert werden.
Die EU-Ebene
Auch die EU-Ebene kann einen bedeutenden Beitrag zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der europäischen Gesellschaften leisten.
Derzeit laufen auf EU-Ebene mehrere Reformprozesse, die entsprechend genutzt werden können. Insbesondere der europäische "Green
Deal", die Reform der Fiskalregeln sowie der Mittelfristige Finanzrahmen für den Zeitraum 2021 bis 2027 könnten Maßnahmen
zur Förderung der Krisenfestigkeit auf der nationalen Ebene unterstützen. Auch könnte der europäische Green Deal einen wichtigen
Beitrag zum Erholungsprozess der europäischen Volkswirtschaften nach Überwindung der Corona-Krise leisten. Schließlich könnten
"Green Finance"-Aspekte einen Beitrag auf EU-Ebene liefern, z. B. durch die Forcierung von weiteren "Green Bonds" durch die
Europäische Investitionsbank (EIB). Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte in ihren Ankaufsstrategien etwa durch eine Bevorzugung
von Green Bonds der Klimawandel-Vorbeugung eine höhere Bedeutung geben.
Literaturhinweise
Meyer, L., Steininger, K. W., "Das Treibhausgas-Budget für Österreich", Scientific Report, Graz, 2017, (72).
Umweltbundesamt, Austria National Inventory Report, Wien, 2019.