New Work in Niederösterreichs Industrie

03.02.2023

39 Good-Practice-Ansätze für neues Arbeiten

Im Auftrag der Metalltechnischen Industrie (MTI) der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ) erstellten die WIFO-Ökonominnen Julia Bock-Schappelwein und Agnes Kügler eine Studie zu neuen Strategien, um Arbeitskräfte zu gewinnen und auf Auftragsschwankungen zu reagieren.

Auftragsschwankungen, Lieferkettenprobleme sowie ein Mangel an Fachkräften und Arbeitskräften generell stellen Niederösterreichs Industrie aktuell vor verstärkte Herausforderungen. Das Gewinnen von Mitarbeiter:innen erhält damit ebenso zusätzliche Bedeutung wie neue Wege beim Binden der Beschäftigten und im täglichen Arbeitseinsatz.

In der breit angelegten WIFO-Studie wurden mögliche Strategien analysiert und 39 Good-Practice-Ansätze aufgezeigt. "Als Schwerpunkte für gelungene New-Work-Ansätze haben sich vier Themenblöcke herauskristallisiert: die Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung, Qualifizierung und Arbeitskultur", so die Studienautorinnen Julia Bock-Schappelwein und Agnes Kügler bei der Präsentation der Studie in der Firma dormakaba in Herzogenburg.

Arbeitszeitgestaltung

In Bezug auf die Arbeitszeitgestaltung bei Schichtbetrieb in der Produktion zeigt sich insbesondere ein Trend zur Flexibilisierung und Kombination verschiedener Schichtmodelle (3-Tage, 4-Tage oder 5-Tage) sowie einer Integration von Teilzeitkräften in die Schichtplanung. Eine interessante Alternative ist auch das sogenannte "Tagesportionsprinzip", bei dem Einheiten selbst festlegen, in welcher Weise sie ihre für den jeweiligen Tag gestellten Aufgaben erledigen.

Arbeitsplatzgestaltung

Bei der Arbeitsplatzgestaltung lassen sich am Beispiel des Co-Working-Space in der Industrie – also der gemeinsamen Nutzung von Produktionseinrichtungen etwa in Bereichen wie Labor, Instandhaltung, Werkzeugbau oder auch von Schulungsräumen durch mehrere Unternehmen – neue Wege in der Ausgestaltung betrieblicher Infrastruktur aufzeigen, die die Attraktivität der einzelnen Unternehmen als Arbeitgeber:in steigern. Gleiches gilt etwa für gemeinsame Nutzungen von Einrichtungen wie Kantinen oder Schulungsräumen.

Qualifizierung

Neben der Lehre setzt die Studie in Sachen Aus- und Weiterbildung auf einen möglichst breiten Einsatz von Mitarbeiter:innen und damit auf zusätzliche Qualifikationen für diverse Spezialist:innen. Die Kombination von Fachwissen (Spezialisierung) und breiterer Qualifikation (berufsübergreifendes Wissen) in einer Person vergrößert die Tätigkeitsbereiche und damit die Möglichkeit, flexibel auf Auftragsschwankungen zu reagieren.

Arbeitskultur

Als erfolgsversprechend beim Gewinnen von neuen Arbeitskräften haben sich Prämiensysteme für Mitglieder der aktuellen Belegschaft erwiesen, die – quasi als Botschafter des Unternehmens – neue Mitarbeiter:innen werben. Weiters unter dem Überbegriff Arbeitskultur angeregt werden etwa kriterienbasierte bzw. erfolgsabhängige Entlohnungssysteme, Angebote zur Gesundheitsförderung bzw. Unterstützungsservices in Krisensituationen und Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung.

"Keine Patentrezepte"

Eine begleitende Unternehmensbefragung zeigt überdies, dass Betriebe, die angeben, aktuell keine Probleme bei der Suche bzw. beim Halten von Arbeitskräften zu haben, dies insbesondere auf die Lehrausbildung im eigenen Betrieb zurückführen. "Es zeigt sich einmal mehr, dass die Lehrausbildung eine echte und weitreichende Zukunftsinvestition für unsere Unternehmen ist", so MTI-NÖ-Obmann Veit Schmid-Schmidsfelden. "Dazu gehört aber auch, dass der Lehrausbildung als Erstausbildung gezielte Weiterbildungsmaßnahmen folgen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben und in der Qualifikation möglichst breit aufgestellt zu sein."

Klar sei aber, dass es beim personalpolitischen Reagieren auf Auftragsschwankungen wie auch beim Rekrutieren und Halten von Fachkräften und Arbeitskräften generell kein allgemeingültiges Patentrezept gebe, unterstreicht Elfriede Hell vom Arbeitskreis "New Work" der WKNÖ-Fachgruppe Metalltechnische Industrie. "Im Detail muss jedes Unternehmen den für ihn am besten passenden Weg selbst finden. Schließlich sind Unternehmen von den jeweiligen Anforderungen und Bedingungen her höchst unterschiedlich. Mit den vorliegenden Studienergebnissen liefern wir ihnen aber Gedankenanregungen und Möglichkeiten, die sie für sich nutzen und die ihnen neue Wege öffnen können."

 

Publikationen

"New Work" in der Industrie. Handlungsempfehlungen zur flexiblen Produktion (New Work in Manufacturing. Recommendations for a Flexible Production)
Studien, November 2022, 60 Seiten
Auftraggeber: Wirtschaftskammer Niederösterreich
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 02.02.2023 0:00
 
Das WIFO untersuchte im Auftrag der Fachgruppe Metalltechnische Industrie der Wirtschaftskammer Niederösterreich Best-Practice-Ansätze und -Lösungen, die die Mitgliedsbetriebe der Fachgruppe darin unterstützen sollen, flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren zu können und die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken. Der Schwerpunkt lag hierbei auf der Identifikation von Instrumenten zur Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung, zur Qualifizierung und zur Stärkung der Arbeitskultur im Betrieb. Die Best-Practice-Ansätze und -Lösungen wurden mithilfe einer Matrix, die nach Betriebsgröße unterscheidet, anschaulich dargestellt.
Rückfragen an

Mag. Julia Bock-Schappelwein

Forschungsgruppe: Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit

Mag. Dr. Agnes Kügler, MSc

Forschungsgruppe: Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie
Elfriede Hell (Arbeitskreis "New Work", MTI NÖ), Veit Schmid-Schmidsfelden (Obmann MTI NÖ) und die WIFO-Ökonominnen Julia Bock-Schappelwein und Agnes Kügler. © Andreas Kraus
Elfriede Hell (Arbeitskreis "New Work", MTI NÖ), Veit Schmid-Schmidsfelden (Obmann MTI NÖ) und die WIFO-Ökonominnen Julia Bock-Schappelwein und Agnes Kügler. © Andreas Kraus