Konjunktureinbruch verringert Treibhausgasausstoß in Österreich um 9,9%

17.07.2020

Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität um 7,0% reduziert klimaschädliche Emissionen

Die Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie werden heuer in Österreich zu einem Rückgang des BIP von 7,0% führen. Damit wird eine Abnahme der Emissionen von Treibhausgasen im Umfang von 9,9% einhergehen. Dieses Ergebnis beruht auf einem jüngst am WIFO entwickelten Modell, dessen primärer Zweck die Beurteilung der Klimaverträglichkeit wirtschaftspolitischer Maßnahmen ist.

Die genannte Abnahme der Klimabelastung ist die direkte Folge der Veränderung der Wertschöpfung, die in fast allen Branchen zurückgehen wird. Am stärksten davon werden Beherbergung und Gastronomie und sonstige Dienstleistungen mit –24,5%, die Herstellung von Waren einschließlich Bergbau mit –13% und der Verkehr mit –10% gegenüber 2019 betroffen sein. Die Emissionen nehmen jedoch nicht im gleichen Maße ab. Da die Freisetzung einiger Treibhausgase von der Wirtschaftskrise nicht beeinflusst werden wird, ist der errechnete Rückgang von 9,9% etwas geringer als die Abnahme der Kohlendioxidemission, die mit dem Verbrennen fossiler Energieträger und industriellen Prozesse einhergeht.

Ungewissheit besteht über den tatsächlichen Rückgang des BIP, das im Fall neuerlicher Einschränkungen stärker zurückgehen dürfte. Das Verhalten der Haushalte hat ebenfalls einen großen Einfluss und ist nur schwer einzuschätzen. Vor allem über die Reisetätigkeit in den kommenden Wochen herrscht derzeit große Ungewissheit. Eine starke Nutzung von Pkw könnte die mit dem Transport in Verbindung stehenden Emissionen ansteigen lassen.

Der Ausstoß von Treibhausgasen hängt auch von Faktoren ab, die nicht unmittelbar auf die Wirtschaftsentwicklung zurückzuführen sind, etwa die Zahl der Tage an denen geheizt werden muss oder Gebäude gekühlt werden. Daher ist der genannte Rückgang der Emissionen nicht als Prognose der Treibhausgasinventur für das Jahr 2020 zu verstehen.

In der aktuellsten Treibhausgasinventur hat das Umweltbundesamt (2020) festgestellt, dass 2018 in Österreichs 79 Mio. t an Treibhausgasen emittiert wurden. Das waren um 0,7% mehr als 1990. In Österreich entstehen nahezu 70% der Emissionen von Treibhausgasen im Zuge der Energieerzeugung. Im Mai veröffentlichte Daten von Eurostat zeigen einen durch vermehrten Energieeinsatz bedingten Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen von 2,8% im Jahr 2019 gegenüber 2018. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Emissionen 2019 etwas höher waren als 2018.

Da die österreichische Wirtschaft nach wie vor eng mit der Verwendung fossiler Rohstoffe verwoben ist, wird der für 2021 erwartete Aufschwung von 4,3% wieder zu einer Zunahme der Treibhausgasemissionen führen. Vor zehn Jahren kam es zu einer Zunahme der Emissionen von 5,5% nachdem 2009 ein Rückgang von 7,6% gegenüber 2008 verzeichnet worden war.

Das Modell des WIFO kann genutzt werden, um Entscheidungsträgerinnen und -träger dabei zu unterstützen, jene Maßnahmen zu identifizieren, die Österreich auf einen Pfad der Wirtschaftsentwicklung ausrichten, der eine Entkopplung von fossilen Rohstoffen und Energieträgern ermöglicht. Im Jahr 1990 wurden pro Million BIP 317 t Treibhausgase emittiert, 2018 waren es um ein Drittel weniger, nämlich 211 t. Die Transformation ist also bereits ansatzweise eingeleitet. Die Abkopplung und völlige Vermeidung von fossilen Materialien erfordern jedoch noch weitere Anstrengungen.

Methodische Hinweise kurzgefasst

Die Angaben zur erwarteten Emissionssenkung beziehen sich auf Treibhausgasemissionen, die vom UNFCCC im April 2020 veröffentlicht wurden (Submission 2020 v2), und zwar "Total CO2 equivalent emissions without land use, land-use change and forestry". Dabei werden Gutschriften von Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Waldwachstum ausgeklammert. Auch die Emissionen vom internationalen Flug- und Schiffverkehrs sowie von der Verfeuerung der Biomasse gehen nicht in die Berechnungen ein.

Literaturhinweise

Eurostat, Im Jahr 2019 sind die CO2-Emissionen aus energetischer Nutzung in der EU gesunken, Pressemitteilung, 2020, (78/2020).

IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), 2020, 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories. Task Force on national Greenhouse Gas Inventories, https://www.ipcc-nggip.iges.or.jp/public/2006gl/ (abgerufen am 26. 4. 2020).

Umweltbundesamt, Austria's Annual Greenhouse Gas Inventory 1990 – 2018, Wien, 2020.

Umweltbundesamt, Austria's National Inventory Report 2020, Wien, 2020.

UNFCC (United Nations Framework Convention on Climate Change), National Inventory Submissions 2020, https://unfccc.int/ghg-inventories-annex-i-parties/2020 (abgerufen am 13. 7. 2020).
 

Publikationen

Auswirkungen des COVID-19-bedingten Konjunktureinbruchs auf die Emissionen von Treibhausgasen in Österreich. Ergebnisse einer ersten Einschätzung (Effects of the COVID-19-related Economic Slump on Greenhouse Gas Emissions in Austria. Results of a First Assessment)
WIFO Working Papers, 2020, (600), 31 Seiten
Online seit: 10.05.2020 0:00
In der vorliegenden Analyse werden die Auswirkungen der Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung von COVID-19 auf die Treibhausgasemissionen in Österreich untersucht. Dazu wurde ein neues Modell, ALICE, entwickelt, das die kurz- bis mittelfristigen Auswirkungen von Produktions- und Konsumänderungen im Hinblick auf Wertschöpfung und Emissionen quantifiziert. Die Ergebnisse zeigen die direkten Konsequenzen wie auch die Folgewirkungen aufgrund der Verflechtungen der Wirtschaft. Die hier vorgestellte Analyse orientiert sich an der vom WIFO im April 2020 veröffentlichten Prognose, die für 2020 einen Rückgang der realen Bruttowertschöpfung um 5¼% prognostiziert. Demgemäß ist in Österreich ein Rückgang der Treibhausgasemissionen entsprechend der Abgrenzung der Treibhausgasinventur im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 7,1% zu erwarten. Ungewissheit über den tatsächlichen Rückgang der Emissionen besteht durch die endgültigen Produktionsauswirkungen und das Verhalten der Haushalte.
WIFO-Monatsberichte, 2020, 93(4), S.239-265
Online seit: 04.05.2020 13:30
 
Die COVID-19-Pandemie und die gesundheitspolitischen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung legen weite Teile der Weltwirtschaft vorübergehend lahm. Die schwerste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkrieges ist für die österreichische Volkswirtschaft damit 2020 unvermeidbar. Das reale BIP wird zumindest um 5,2%, die Beschäftigung um 1,7% zurückgehen und die Arbeitslosenquote auf 8,7% steigen. Die fiskalischen Maßnahmen zur Abfederung der Rezession und die Steuerausfälle haben 2020 einen Anstieg des Budgetdefizits auf 7,4% und der Staatsverschuldung auf 80,2% des nominellen BIP zur Folge. Unter der Voraussetzung, dass die Pandemie unter Kontrolle bleibt, sollte sich die Wirtschaft ab der zweiten Jahreshälfte 2020 schrittweise erholen. 2021 ergäbe sich dann ein Wachstum von 3,5%, die Arbeitslosenquote sollte auf 7,9% zurückgehen. Mittelfristig wird sich das Wirtschaftswachstum dem Trendwachstum (+1,1% p. a.) annähern, welches durch die Verringerung von Investitionstätigkeit und Beschäftigungswachstum infolge der COVID-19-Pandemie verringert wird. Die Arbeitslosenquote wird im Durchschnitt der Periode 2022 bis 2024 7½% betragen. 2021 dürfte die öffentliche Verschuldung einen Höchstwert von 80,5% des BIP erreichen, zum Ende des Projektionszeitraumes wird sie auf 78,5% geschätzt. In einem pessimistischeren Szenario wird für die Weltwirtschaft eine schwächere Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2020 unterstellt. Die österreichische Wirtschaft würde dann 2020 um 7,5% schrumpfen, die Arbeitslosenquote auf 9,1% und das Budgetdefizit auf 10,0% steigen.
WIFO-Konjunkturprognose, 2020, 35 Seiten
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 26.06.2020 10:30
 
Die zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie getroffenen Maßnahmen führen in Österreich zu einer Rezession. Mit –7,0% (gegenüber dem Vorjahr) sinkt die Wirtschaftsleistung 2020 deutlich stärker als in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09. Der Tiefpunkt scheint bereits durchschritten zu sein, die Rezession wird somit kurz sein. Dennoch wird die Wirtschaftsleistung am Ende des Prognosezeitraumes (Ende 2021) das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht haben.
Heimische Konjunktur auf Talfahrt – Unternehmenserwartungen bessern sich (Domestic Economy on the Decline – Corporate Expectations Improve)
WIFO-Monatsberichte, 2020, 93(6), S.423-430
Online seit: 02.07.2020 17:00
 
Österreichs Wirtschaftsleistung sank im I. Quartal 2020 wegen der zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie getroffenen Maßnahmen stark und auf breiter Basis. Wenngleich die Unternehmen die aktuelle Lage weiterhin ungünstig beurteilen, verbesserten sich die Erwartungsindikatoren.
The measures taken to limit the spread of the COVID-19 virus, which at the same time severely restrict economic activity in many countries, have consequences not only on unemployment, trade, production, income and value added, but also on the environment. This analysis examines the effects on greenhouse gas emissions in Austria. For this purpose, a new, lean and very flexible model, ALICE, was developed, which quantifies the short to medium-term effects of changes in production and consumption with regard to output, value added and greenhouse gas emissions. In order to determine the consequences as precisely as possible, 74 economic activities and households are distinguished. The model results show not only the direct consequences, but also the consequences resulting from the interdependence of the economic system. The scenario presented here is based on the forecast published by WIFO in late June 2020, which forecasts a decline in gross domestic product by 7 percent in 2020. The sector-specific declines in value added and expected changes in household consumption behaviour are the input parameters for the model that calculates the associated greenhouse gas emissions. Greenhouse gas emission – as defined by the Austrian inventory – is estimated to decline by 9.9 percent. This decline is due to the change of economic activities. Factors that also affect the level of emissions, such as ambient temperatures, changes in land use and forest growth, are not considered here. Following the conventions of the greenhouse gas inventory, international aviation is not included in the calculation either. There are several uncertainties because the economy may suffer even more than expected in June 2020. The actual production of industries and the behaviour of households throughout the year, especially with regard to their travel activities, may unfold in a different manner than expected.
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Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Franz Sinabell

Forschungsgruppe: Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie

Mag. Dr. Mark Sommer, Bakk.

Forschungsgruppe: Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie

Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Streicher

Forschungsgruppe: Regionalökonomie und räumliche Analyse
© Paweł Czerwiński/Unsplash
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