EU-Mercosur-Abkommen und Klimaschutz

14.12.2020

Kooperation könnte gestärkt werden

Mitte 2019 wurde das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Ländern des gemeinsamen südamerikanischen Marktes – Mercosur – vorgestellt. Das davon erhoffte Wirtschaftswachstum soll dazu beitragen, Ziele von gemeinsamem Interesse zu erreichen, die über die Steigerung des Außenhandels hinausgehen.

So beleuchten Julia Grübler und Oliver Reiter vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und WIFO-Ökonom Franz Sinabell in einem aktuellen Monatsbericht auf Basis einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, die integrierten Ziele der nachhaltigen Entwicklung, des Umwelt- und Arbeitnehmerschutzes und der Menschenrechte.

Die beiden Wirtschaftsräume verfolgen teils unterschiedliche Zielsetzungen. Die Mercosur-Länder (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) wollen vor allem Agrargüter in der EU leichter absetzen. Die EU-Mitgliedsländer zielen dagegen primär darauf ab, Industriegütern den Zugang zum Markt zu erleichtern. Das gemeinsame Interesse beider Wirtschaftsräume liegt in der Erleichterung von Investitionen, dem gegenseitigen Zugang zur öffentlichen Beschaffung und den damit verbundenen Steigerungen der Wertschöpfung. Gemäß dem vorliegenden Text zum Abkommen wollen die EU und Mercosur-Länder die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, der indigenen Bevölkerung stärken und gemeinsam Umweltziele verfolgen.

Die Waren- und Dienstleistungshandelsströme zeigen in den letzten Jahren einen leichten Exportüberhang Österreichs gegenüber den Mercosur-Ländern, während die EU insgesamt mehr Waren importiert als exportiert. Der angestrebte Abbau von Handelsschranken wird das Wirtschaftswachstum in beiden Regionen etwas verstärken, wie Berechnungen des wiiw in einer gemeinsamen Studie mit dem WIFO zeigen. Bemerkenswert ist, dass die Vorteile mit etwa 27 € pro Kopf in den beiden Wirtschaftsräumen annähernd gleich sind. Durch Handelserleichterungen könnte die Wertschöpfung um diesen Betrag jeweils erhöht werden. Für einige EU-Mitgliedsländer erscheint dieser Betrag in Relation zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf sehr gering. Gemessen am Wohlstand in Südamerika ist er jedoch beträchtlich. Die Studie von wiiw und WIFO untersuchte nicht, wie diese Vorteile verteilt werden. Unbestritten ist jedenfalls, dass eine breite Zustimmung zu dem Assoziierungsabkommen nur denkbar ist, wenn für eine breite Bevölkerungsschicht diese Vorteile auch tatsächlich spürbar werden.

Das Abkommen räumt Umweltthemen, Aspekten der nachhaltigen Entwicklung, dem Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und der indigenen Bevölkerung einen breiten Raum ein. Solche Themen spielen beispielsweise im bereits bestehenden Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko gar keine Rolle. Verglichen damit ist das geplante Abkommen mit Mercosur eine signifikante Annäherung an die Standards und Wertvorstellungen in der EU. Die bestehenden EU-Standards – etwa in Bereichen wie Lebensmittelqualität und -sicherheit – bleiben vom EU-Mercosur-Abkommen unangetastet. Erfahrungen aus anderen Abkommen zeigen, dass sich dadurch Standards des Gemeinsamen Europäischen Marktes international durchsetzen.

Die häufigste öffentliche Kritik am Abkommen der EU mit den Mercosur-Ländern bemängelt, dass Verschlechterungen des Umweltzustandes, vor allem die Rodung von Urwäldern im Amazonasbecken nicht verhindert werden. Tatsächlich liegt ein Governance-Problem vor, indem nationale Schutzbestimmungen derzeit nicht ausreichend durchgesetzt werden. Eine Handhabe dagegen mit einem Handelsabkommen umzusetzen, ist schwierig, da bereits internationale Abkommen zum Schutz von Waldressourcen und Biodiversität bestehen. Dennoch bemüht sich die EU-Kommission, Urwälder besser zu schützen, indem die Verbindlichkeit der Bestimmungen in Assoziierungsabkommen – insbesondere jene in den Abschnitten zur Nachhaltigkeit – gestärkt wird. So ist seit 1. August 2020 der stellvertretende Generaldirektor der DG-Trade Denis Rodennet mit der Um- und Durchsetzung von Verpflichtungen zur nachhaltigen Entwicklung, insbesondere im Bereich des Klimaschutzes und der Arbeitnehmerrechte, betraut.

Die Klimakrise ist ohne Zweifel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Das Assoziierungsabkommen zwischen den Mercosur-Ländern und der EU kann als Instrument genutzt werden, um Initiativen wie den "Green Deal" und die Ziele der globalen Nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen. Dadurch wird die internationale Kooperation in diesen kritischen Themenbereichen gestärkt. Ohne die im Abkommen vorgesehenen Ansätze dürfte dies deutlich schwerer zu erreichen sein.

Publikationen

Julia Grübler, Oliver Reiter (wiiw), Franz Sinabell (WIFO)
EU und Mercosur – Auswirkungen eines Abbaus von Handelsschranken und Aspekte der Nachhaltigkeit (EU and Mercosur – Effects of Reducing Trade Barriers and Sustainability Aspects)
WIFO-Monatsberichte, 2020, 93(11), S.845-858
Online seit: 27.11.2020 0:00
 
Das 2019 vorgestellte Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) soll die Handelsbeziehungen verbessern und die Dynamik des induzierten Wirtschaftswachstums nutzen, um Ziele von gemeinsamem Interesse zu erreichen, die über die Intensivierung des Außenhandels hinausgehen. Die Waren- und Dienstleistungshandelsströme zeigen in den letzten Jahren einen leichten Exportüberhang Österreichs gegenüber dem Mercosur, während die EU insgesamt mehr importiert als exportiert. Der angestrebte Abbau von Handelsschranken wird das Wirtschaftswachstum in beiden Regionen etwas verstärken. Das Abkommen gibt Umweltthemen und Aspekten der nachhaltigen Entwicklung breiten Raum. Die öffentliche Kritik daran bemängelt jedoch die erwartete geringe Durchsetzungsmöglichkeit.
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Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. Franz Sinabell

Forschungsgruppe: Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie