Der ökonomische Nutzen von Gender Budgeting in Wien

09.04.2020

Ergebnisse einer WIFO-Machbarkeitsanalyse veröffentlicht

In einer neuen WIFO-Studie im Auftrag der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik (MA 23) der Stadt Wien beschäftigten sich Julia Bachtrögler, Julia Bock-Schappelwein, Peter Huber, Christine Mayrhuber, Mark Sommer und Gerhard Streicher sowie Paul Eckerstorfer (Budgetdienst) mit Herangehensweisen zur quantitativen Schätzung der Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte von Gender-Budgeting-Maßnahmen in Wien.

Während bisherige Studien zu den Auswirkungen von Gender-Budgeting-Maßnahmen auf ökonomische Gleichstellung zumeist auf verteilungsrelevante Indikatoren, wie die Erwerbsbeteiligung von Frauen oder den "Gender Pay Gap" fokussierten, simulierten eine Studie der OECD aus dem Jahr 2015 und das European Institute for Gender Equality (EIGE, 2017) mittels Input-Output-Modellen erstmals die makroökonomischen Effekte von erhöhter Gleichstellung. Die vorliegende WIFO-Studie betritt Neuland, indem sie – auf subnationaler Ebene – eine Brücke zwischen der mikroökonomischen Wirkungsanalyse einzelner Maßnahmen und der Schätzung der makroökonomischen Effekte derselben schlägt.

In einem ersten Schritt wurde mittels Literatur- und vergleichender Datenanalyse das Wachstumspotential durch mehr Gleichstellung in Wien eingeschätzt. Gemäß dem "Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt", der das Gleichstellungspotential in den Kernbereichen der Arbeitsmarktintegration in Österreich auf Bundesländerebene abbildet, ist die Gleichstellung in Wien relativ weit fortgeschritten. Verbesserungspotential gibt es aber nach wie vor, insbesondere betreffend die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Aufteilung von unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen. Laut EIGE (2017) können die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung sowie die Qualifikation von Frauen in den MINT-Fächern wiederum spürbare gesamtwirtschaftliche Effekte auslösen.

Im zweiten Schritt wurden demnach exemplarisch die im Wiener Rechnungsabschluss 2017 angeführten Gender-Budgeting-Maßnahmen hinsichtlich ihrer inhaltlichen Zielausrichtung strukturiert. Dabei zeigte sich, dass (bei möglicher Mehrfachnennung) rund 38% der Maßnahmen dem Bereich "bezahlte und unbezahlte Arbeit" zugeordnet werden können und etwa rund 14% dem Bereich "Aus- und Weiterbildung".

Abschließend wurden für die Verlängerung der U-Bahn-Linie U1 in Richtung Leopoldau eine mikro- sowie für die Einführung des beitragsfreien Kindergartens in Wien mikro- und makroökonomische Wirkungsanalysen durchgeführt. Erstere basierte auf der Schätzung der Effekte der neugebauten U1-Stationen auf die Erwerbsbeteiligung, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit der in direkter Nähe dazu wohnhaften Frauen. Demnach fällt in den von der U1-Verlängerung direkt betroffenen Rasterzellen die Arbeitslosenquote der weiblichen Wohnbevölkerung um rund 0,7 Prozentpunkte niedriger aus (die Arbeitslosigkeit nimmt dort stärker ab) als bei den übrigen in Wien wohnhaften Frauen.

Die Wirkungsanalyse der Einführung des beitragsfreien Kindergartens wird in einem zweigliedrigen Verfahren untersucht. Dabei werden sowohl die Auswirkungen aufgrund eines durch die Entlastung von unbezahlter Arbeit potentiell gestiegenen Arbeitskräfteangebotes als auch die durch die Ausgaben für den beitragsfreien Kindergartenbesuch über den wirtschaftlichen Kreislauf ausgelösten Effekte berücksichtigt. Für in Wien wohnhafte 20- bis 39-jährige Frauen mit Kindern im Alter von bis zu 6 Jahren stieg die Erwerbsquote mit Einführung des beitragsfreien Kindergartens um 1,5 Prozentpunkte an. Die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichte es dadurch rund 1.000 Wiener Frauen ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt anzubieten. Insgesamt sind mit den Ausgaben der Stadt Wien für den beitragsfreien Kindergarten 7.600 Arbeitsplätze verbunden, davon in Wien rund 5.900.

Neben der Komplexität der Erfassung der Wirksamkeit von Gender-Budgeting-Maßnahmen ist die bislang spärlich verfügbare empirische Evidenz – insbesondere für die makroökonomischen Wirkungen einzelner Maßnahmen – wohl darauf zurückzuführen, dass solche Analysen hohe Ansprüche an die Daten stellen und dabei oft an die Grenzen der Datenverfügbarkeit gestoßen wird. Eine Ausweitung der Datensammlung und deren Bereitstellung könnten demnach auch zu einer umfassenderen Maßnahmenevaluierung und evidenzbasierten Politikempfehlungen beitragen.
 

Publikationen

Studien, Dezember 2019, 120 Seiten
Auftraggeber: Magistrat der Stadt Wien, MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 25.02.2020 0:00
 
Gender Mainstreaming und Gender Budgeting zielen auf eine Erhöhung der Gleichstellung und Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ab. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Evaluierungen von Geschlechtergleichstellung, die u. a. rechtliche, gesellschaftspolitische sowie verteilungsrelevante Aspekte analysieren, besteht das Ziel dieses Forschungsvorhabens in der Schätzung des ökonomischen Nutzens einer Erhöhung der Gleichstellung auf Basis ausgewählter Gender-Budgeting-Maßnahmen in Wien. Dafür wird in einem ersten Schritt das Gleichstellungspotential in Wien im gesamtösterreichischen Kontext beurteilt und das Wachstumspotential basierend auf der Studie des European Institute for Gender Equality (2017) eingeschätzt. In einem zweiten Schritt werden die Ziele der Wiener Gender-Budgeting-Maßnahmen analysiert. Vor dem Hintergrund der relevanten Literatur werden potentielle Wirkungen einzelner Maßnahmen auf BIP und Beschäftigung aufgezeigt. Gemäß diesen Wirkungsmechanismen, wie z. B. der Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, können die Gender-Budgeting-Maßnahmen in Maßnahmengruppen zusammengefasst werden. Diese bilden die Grundlage für die Auswahl von Beispielinitiativen, für die im Folgenden im Zuge einer Machbarkeitsanalyse Herangehensweisen für eine Wirkungsanalyse zur Schätzung der potentiellen Auswirkungen auf das Wiener BIP und die Beschäftigung durchgeführt werden. Abschließend werden die makroökonomischen Auswirkungen der Einführung des beitragsfreien Kindergartens in Wien analysiert.
Studien, Dezember 2019, 6 Seiten
Auftraggeber: Magistrat der Stadt Wien, MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 25.02.2020 0:00
 
Gender Mainstreaming und Gender Budgeting zielen auf eine Erhöhung der Gleichstellung und Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern ab. Im Gegensatz zur Mehrzahl der Evaluierungen von Geschlechtergleichstellung, die u. a. rechtliche, gesellschaftspolitische sowie verteilungsrelevante Aspekte analysieren, besteht das Ziel dieses Forschungsvorhabens in der Schätzung des ökonomischen Nutzens einer Erhöhung der Gleichstellung auf Basis ausgewählter Gender-Budgeting-Maßnahmen in Wien. Dafür wird in einem ersten Schritt das Gleichstellungspotential in Wien im gesamtösterreichischen Kontext beurteilt und das Wachstumspotential basierend auf der Studie des European Institute for Gender Equality (2017) eingeschätzt. In einem zweiten Schritt werden die Ziele der Wiener Gender-Budgeting-Maßnahmen analysiert. Vor dem Hintergrund der relevanten Literatur werden potentielle Wirkungen einzelner Maßnahmen auf BIP und Beschäftigung aufgezeigt. Gemäß diesen Wirkungsmechanismen, wie z. B. der Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, können die Gender-Budgeting-Maßnahmen in Maßnahmengruppen zusammengefasst werden. Diese bilden die Grundlage für die Auswahl von Beispielinitiativen, für die im Folgenden im Zuge einer Machbarkeitsanalyse Herangehensweisen für eine Wirkungsanalyse zur Schätzung der potentiellen Auswirkungen auf das Wiener BIP und die Beschäftigung durchgeführt werden. Abschließend werden die makroökonomischen Auswirkungen der Einführung des beitragsfreien Kindergartens in Wien analysiert.
Studien, Dezember 2019, 6 Seiten
Auftraggeber: Magistrat der Stadt Wien, MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 25.02.2020 0:00
 
Gender mainstreaming and gender budgeting aim to increase equality and equal opportunities between women and men. In contrast to the majority of evaluations of gender equality, which analyse legal, socio-political and distribution-relevant aspects, the aim of this research project is to estimate the economic benefits of increasing gender equality on the basis of selected gender budgeting measures in Vienna. The first step is to assess the gender equality potential in Vienna in the Austrian context and to assess the growth potential by increasing gender equality based on the study of the European Institute for Gender Equality (2017). In a second step, the objectives of the Vienna gender budgeting measures are analysed. Against the background of the relevant literature, mechanisms through which individual measures can affect GDP and employment are identified. According to these mechanisms, e.g., the increase of the labour force participation of women, the gender budgeting measures can be grouped into measure groups. These form the basis for the selection of example initiatives, for which, in the course of a feasibility study, approaches to estimate the potential impacts on Vienna's GDP and employment are discussed. Finally, the macroeconomic impact analysis is carried out for the reform of the non-contributory kindergarten in Vienna.
Studien, Juli 2017
Auftraggeber: Arbeitsmarktservice Österreich
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 26.01.2018 0:00
 
Die Stellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt wird von einer Vielzahl an Indikatoren beeinflusst. Vor diesem Hintergrund hat das WIFO in Abstimmung mit dem AMS einen "Gleichstellungsindex Arbeitsmarkt" konzipiert, der 30 Indikatoren aus vier Themenfeldern – Arbeit, Einkommen, Bildung und Familie – zu einem Index bündelt, um in aggregierter Form die Arbeitsmarktlage von Frauen und Männern zu skizzieren. Die für die vier Themenfelder berechneten Indikatoren erfassen die Rolle von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt quantitativ, spiegeln ihre Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven wider, zeigen die Aus- und Weiterbildungsstruktur für beide Geschlechter sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. 2017 erarbeitete das WIFO eine Aktualisierung der 2015 publizierten Ergebnisse.
Rückfragen an

Julia Bachtrögler-Unger, PhD

Forschungsgruppe: Regionalökonomie und räumliche Analyse
© Tim Gouw/Unsplash
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