27. Oktober 2008 • Langzeitpflege in Österreich • Ulrike Mühlberger

Für die Langzeitpflege wenden die öffentlichen Haushalte in Österreich im Jahr rund 3¼ Mrd. Euro auf (2007, Pflegegeld- und Sachleistungen). Da die Sachleistungen der Bundesländer und Gemeinden aber sehr unvollständig erfasst werden, dürfte der tatsächliche öffentliche Aufwand wesentlich höher sein. Seit 1994 wurde er um rund die Hälfte gesteigert. Das Pflegesystem übt im Allgemeinen eine umverteilende Wirkung zugunsten niedriger Einkommen aus: Seine Finanzierung wirkt zwar im Wesentlichen proportional, von der Leistungsseite gehen aber deutlich ausgleichende Verteilungseffekte aus.

Das WIFO hat vor kurzem die mittel- und langfristige Finanzierung der Pflegevorsorge in Österreich sowie alternative Finanzierungsformen der Pflegevorsorge in Österreich analysiert und Optionen für eine Neuorganisation der Langzeitpflege und ihrer langfristigen Finanzierung formuliert.

Die Finanzierung der Pflegevorsorge gerät durch die demographische Entwicklung und den gesellschaftlichen Wandel zunehmend unter Druck. Die WIFO-Studie berücksichtigt in ihrer Prognose der langfristigen Kostenentwicklung demographische (Entwicklung der Bevölkerungsstruktur nach Alter, Geschlecht und Haushaltsstruktur, Entwicklung des Gesundheitszustandes) und nicht-demographische Faktoren (Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen als Approximation für das Ausmaß der informellen Pflege, Kostenentwicklung im Pflegesektor). Demnach wird der öffentliche Finanzierungsbeitrag 2006 bis 2030 real um 66% (niedrige Variante) bis 207% (hohe Variante) zunehmen. Das mittlere Szenario weist einen Anstieg von rund 160% aus. In diesem Fall würden sich die Kosten des Pflegesystems von 1,13% des BIP im Jahr 2006 auf 1,96% im Jahr 2030 erhöhen.

Zur finanziellen Abdeckung dieser Kostensteigerungen werden in der WIFO-Studie die Finanzierungsvarianten über Steuern, Beiträge und in einer Mischform diskutiert. Sowohl die Verteilungswirkungen als auch die Wirkungen auf Wachstum und Beschäftigung würden eine Finanzierung des Pflegesystems aus Steuereinnahmen nahe legen. Sollte sie nicht ergiebig genug sein, wäre ein Mischsystem mit Sozialversicherungsbeiträgen denkbar. Aus organisatorischer Sicht ist eine weitere Angleichung der Pflegesysteme in den einzelnen Bundesländern erforderlich.

Gemessen an den Kriterien Ergiebigkeit, Volatilität, Verteilungseffekte und andere ökonomische Effekte bietet sich als organisatorischer Überbau für Geld- und Sachleistungen eine Fondslösung an, die laufend an Veränderungen der Rahmenbedingungen angepasst werden kann. Dies setzt voraus, dass sich Bund und Länder auf eine Vereinfachung der Organisation der öffentlich finanzierten Pflege einigen und weitere Kanäle der Finanzierung erschlossen werden.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 10/2008 (http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=33983&typeid=8&display_mode=2) sowie den folgenden WIFO-Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz:

Ulrike Mühlberger, Käthe Knittler, Alois Guger, Mittel- und langfristige Finanzierung der Pflegevorsorge, 72 Seiten, http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=33621&typeid=8&display_mode=2

Ulrike Mühlberger, Alois Guger, Käthe Knittler, Margit Schratzenstaller, Alternative Finanzierungsformen der Pflegevorsorge, 84 Seiten, http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=33620&typeid=8&display_mode=2