Lücke zum Wachstumspfad vor der Krise wird bis 2024 geschlossen

01.07.2021

Update der mittelfristigen Prognose 2021 bis 2025

In den Jahren 2021 und 2022 wird durch die gute internationale Konjunktur und einen starken Rebound-Effekt der inländischen Nachfrage zur COVID-19-Rezession eine kräftige Erholung erwartet. Das zieht auch die mittelfristige Dynamik mit nach oben und im Schnitt der Fünfjahresperiode 2021 bis 2025 wird die österreichische Wirtschaft im Jahresdurchschnitt um 2,8% wachsen.

Die sehr kräftige Erholung der Weltwirtschaft und ein starker Rebound-Effekt im inländischen privaten Konsum und in den Dienstleistungsexporten führen in den Jahren 2021 (+4%) und 2022 (+5%) zu einem starken Wachstum. In den Jahren 2023 bis 2025 wird ein weiterhin überdurchschnittliches Wachstum (+1,8% p. a.) im Vergleich zum Zeitraum vor der Krise (Ø 2010/2019 +1,5% p. a.) erwartet (Übersicht 1). Dies obwohl für die Jahre 2023/24 eine schwächere Dynamik bei den Ausrüstungsinvestitionen prognostiziert wird: Aufgrund der angenommenen Vorzieheffekte durch die Investitionsprämie wird für diese Jahre ein leichter Rückgang bzw. eine Stagnation der privaten Ausrüstungsinvestitionstätigkeit als Echoeffekt angenommen.
 

Die treibende Kraft der Erholung im Inland dürfte der private Konsum sein. Die Einkommen der privaten Haushalte wurden in den Jahren 2020 und 2021 durch fiskalpolitische Maßnahmen (insbesondere durch die Kurzarbeit) stabilisiert. Da in dieser Zeit durch COVID-19-Regelungen die Konsummöglichkeiten deutlich eingeschränkt waren, wurden die privaten Ersparnisse (vornehmlich durch "Zwangssparen") deutlich ausgeweitet: die Sparquote stieg von 8,2% (2019) auf 14.5% bzw. 10,8% (2021). Mit dem Ende der umfassenden Beschränkungen wird ab der zweiten Jahreshälfte 2021 mit einer deutlichen Ausweitung der privaten Konsumausgaben gerechtet. Für 2022 wird eine Sparquote bereits unter dem Vorkrisenniveau erwartet (7,8%). Auch für die Folgejahre wird mit einem stärkeren Konsumwachstum als in den Vorkrisenjahren gerechnet (Ø 2023/2025 +2,3% p. a., Ø 2010/2019 +0,9% p. a.). Bis zum Ende des Prognosezeitraumes könnte die Sparquote daher auf rund 6% zurückgehen.

Durch die starke Erholung wird bis 2024 von einer (beinahe) Schließung der rezessionsbedingten BIP-Lücke ausgegangen: gegenüber einem Szenario ohne COVID-19-Rezession (der mittelfristigen WIFO-Prognose vom Jänner 2020, die noch nicht von der COVID-19-Pandemie geprägt war) wird der Abstand im realen BIP-Niveau nunmehr auf knapp 1% geschätzt (Abbildung 1). Das BIP-Vorkrisenniveau (siehe WWWI-Index) dürfte bereits zum Ende des II. Quartals 2021 erreicht werden.
 

Im Vergleich zur Erholung nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, dürfte die rezessionsbedingte BIP-Lücke nach der COVID-19-Krise rascher geschlossen werden.

Von der stärkeren Erholung wird auch der Arbeitsmarkt mitgezogen. Für die Arbeitslosenquote wird (im Jahresdurchschnitt) im Jahr 2023 mit der Erreichung des Vorkrisenniveaus gerechnet und zu Ende des Prognosehorizontes wird die Zahl der arbeitslosen Personen auf 296.000 geschätzt (2021: 352.000).

Der Anstieg der Inflationsrate auf 2,2% im Jahr 2021 ist vor allem auf den Bereich Energie zurückzuführen und damit überwiegend den Basiseffekten durch im Frühjahr 2020 sehr niedrigen Rohölpreise geschuldet. Zusätzlich treiben höhere Transportkosten, steigende Rohstoff- und Vorproduktpreise sowie Lieferengpässe die Preise industrieller Güter (z. B. Möbel, Bekleidung). Bei den Dienstleistungspreisen dürfte es 2021 in den von der Pandemie (bzw. den Maßnahmen zu deren Bekämpfung) am stärksten betroffenen Branchen auch zu höheren Preisen kommen. Alle diese Entwicklungen werden aber als temporäre Preisanstiege gesehen, die zu keinem dauerhaften steigenden Inflationstrend führen. Zum Ende der Prognoseperiode wird mit einer Inflationsrate von 1,7% gerechnet. Das Reallohnwachstum dürfte im Prognosezeitraum hinter dem Wachstum der Arbeitsproduktivität zurückbleiben. Die inländischen Arbeitskosten dürften daher nicht wesentlich zur Inflation beitragen. Über den gesamten Prognosezeitraum 2021/2025 wird mit einem Preisanstieg gemäß VPI von durchschnittlich 1,9% pro Jahr gerechnet.

Die Mehrzahl der im Zuge der COVID-19 Krise beschlossenen Stützungen wurden als befristete Maßnahmen beschlossen und führen daher nur zu einem vorübergehenden Anstieg der Staatsausgaben. Die Einnahmen sollten im Zuge der wirtschaftlichen Erholung wieder deutlich steigen. Mit Abklingen der Krise wird sich daher der Schuldenaufbau der öffentlichen Hand ab dem Jahr 2022 deutlich verlangsamen. Unter der den WIFO-Prognosen zugrundeliegenden "no-policy-change"-Annahme[1]) ergibt sich für 2021 noch ein staatliches Budgetdefizit von 6,6% (fiskalischer Finanzierungssaldo in % des nominellen BIP), das bis 2022 auf 2,3% sinken dürfte. Für 2025 wird unter diesen Annahmen ein Haushaltsdefizit von 1% erwartet. Der öffentliche Schuldenstand (in % des nominellen BIP) dürfte unter diesen Bedingungen von seinem Höchststand von 84,4% im Jahr 2021 bis zum Ende des Prognosezeitraumes auf rund 76% zurückgehen. Dieser Rückgang der Schuldenquote ist vor allem auf den deutlichen Anstieg des nominellen BIP (+5% p. a.) zurückzuführen.



[1])  Die WIFO-Prognosen berücksichtigen im Allgemeinen nur bereits beschlossene Gesetze und Verordnungen. In bestimmten Fällen werden auch noch nicht formal beschlossene Maßnahmen einbezogen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Verhandlungs- oder Gesetzwerdungsprozess bereits weit fortgeschritten ist (Gesetzesentwürfe in Begutachtung; fallweise werden auch Ministerratsbeschlüsse miteinbezogen) und zur betreffenden Regelung zugleich hinreichend detaillierte Informationen vorliegen, die eine quantitative Einschätzung ermöglichen.

 

Publikationen

WIFO-Konjunkturprognose, 2021, 34 Seiten
Online seit: 24.06.2021 10:30
 
Weltweit haben sich die wirtschaftlichen Aussichten seit der letzten Prognose deutlich verbessert. Dies hat auch Folgen für die erwartete Erholung in Österreich. Vorlaufindikatoren deuten auf den Beginn einer Hochkonjunkturphase, die 2021 vorwiegend von der günstigen Industriekonjunktur getragen wird. 2022 wird der Tourismus überproportional zum heimischen Wirtschaftswachstum beitragen. Nach dem Rückgang im Vorjahr (–6,3%) erwartet das WIFO für 2021 und 2022 ein reales BIP-Wachstum von 4% bzw. 5%.
Update der mittelfristigen Prognose der österreichischen Wirtschaft 2020 bis 2024 (Update of the Medium-term Forecast of the Austrian Economy 2020 to 2024)
WIFO-Monatsberichte, 2020, 93(1), S.33-40
Online seit: 27.01.2020 0:00
 
In den nächsten Jahren dürfte sich das Wachstum bei Österreichs wichtigsten Handelspartnern abschwächen (2020/2024 +1½% p. a., 2015/2019 +2¼% p. a.). Das drückt die heimischen Exporte (+2,6% gegenüber +3,9%) und die Investitionstätigkeit (+1,5% gegenüber +3,5%). Die Entlastung der privaten Haushaltseinkommen durch den ab 2020 wirksamen Teil des Familienbonus und Maßnahmen zur Unterstützung von Personen mit niedrigem Einkommen werden vor allem 2020 bis 2022 die Konsumnachfrage stützen, für die ein durchschnittlicher Zuwachs von 1,4% pro Jahr prognostiziert wird (2015/2019 +1,2% p. a.). Getragen vom privaten Konsum wird die österreichische Wirtschaft voraussichtlich um +1¼% pro Jahr expandieren (2015/2019 +1,9% p. a.). In diesem Wachstumsszenario wird die Beschäftigung vermutlich um 1,0% p. a. zunehmen (2015/2019 +1,7% p. a.) und die Arbeitslosenquote von 7,4% im Jahr 2020 auf 7,6% im Jahr 2024 steigen. Für die Preise (gemäß VPI) wird mittelfristig mit einem mäßigen Anstieg gerechnet (+1,6% p. a.). Vor dem Hintergrund des prognostizierten Konjunkturverlaufes und der unterstellten fiskalischen Maßnahmen sollte der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte (0,4% des nominellen BIP) über die Prognoseperiode positiv bleiben und die Staatsschuldenquote (Verschuldung des Gesamtstaates in Prozent des nominellen BIP) unter 60% sinken.
Rückfragen an

Mag. Dr. Josef Baumgartner

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen

Priv.-Doz. Mag. Dr. Serguei Kaniovski

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen
© Dimitry Anikin/Unsplash
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