COVID-19-Pandemie dämpft die Konjunkturaussichten

02.11.2020

Mittelfristige Prognose 2021 bis 2025

In der Hauptvariante der Prognose wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um 6,8% erwartet. Nach einem Rebound-Effekt im Jahr 2021 (+4,4%) schwächt sich die Erholung bis zum Ende der Prognoseperiode auf 1,3% ab. In einem pessimistischeren Risikoszenario würde das BIP 2020 um 9,3% schrumpfen und 2021 auf diesem niedrigen Niveau beinahe stagnieren (+0,4%). Ein Erholungseffekt zeigt sich erst 2022 (+4,8%).

In diesem Risikoszenario wird im IV. Quartal 2020 eine starke zweite Infektionswelle angenommen, der mit restriktiveren gesundheitspolitischen Maßnahmen für einen Zeitraum von zwei Monaten begegnet wird.

Die Ausgangslage wird durch die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg bestimmt, die durch die COVID-19-Pandemie und die gesundheitspolitischen Maßnahmen zu deren Eindämmung, sowie durch Änderungen im Verhalten (geringere Ausgabenneigungen) der privaten Haushalte und Unternehmen ausgelöst wurde. Um die mögliche Bandbreite der künftigen Wirtschaftsentwicklung in dieser mittelfristigen Vorausschau einzugrenzen, wird neben der Hauptvariante der Prognose auch ein pessimistischeres Risikoszenario vorgestellt.

Im Risikoszenario wird eine starke zweite Infektionswelle im IV. Quartal 2020 unterstellt, der mit restriktiveren gesundheitspolitischen Maßnahmen (Lockdown in ausgewählten Wirtschaftsbereichen, Kindergarten- und Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen) für einen Zeitraum von zwei Monaten begegnet wird. Dieses Risikoszenario wurde auf Basis von Annahmen erstellt und am 22. Oktober 2020 fertiggestellt. Es ist keine Abschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen der am 30. Oktober 2020 von der österreichischen Bundesregierung vorgestellten Maßnahmen (u. a. Ausgangsbeschränkungen und Lockdown in bestimmten Wirtschaftsbereichen für vier Wochen).

In der Hauptvariante der Prognose wird unterstellt, dass die COVID-19-Pandemie in der zweiten Jahreshälfte 2020 und 2021 mit freiwilligen Verhaltensmaßnahmen, und ab Mitte 2021 unterstützt durch neue medizinische Behandlungsmöglichkeiten (Impfung, neue Therapiemöglichkeiten gegen den SARS-CoV-2-Erreger), unter Kontrolle gehalten werden kann.

Nach einem Einbruch der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um knapp 7% erwartet das WIFO 2021 einen deutlichen Rebound-Effekt (+4,4%). Die Folgen der Krise werden aber auch noch mittelfristig zu spüren sein und das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung wird frühestens im Jahr 2022 wieder erreicht. Das über die mittlere Frist schwache Trendwachstum (+1% p. a.) ist auf die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die geringere Investitions- und Innovationstätigkeit zurückzuführen.

Die COVID-19-Krise hat 2020 einen massiven Rückgang im privaten Konsum zur Folge (–6,8%). Durch umfangreiche fiskalpolitische Maßnahmen werden die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte stabilisiert, wodurch die Sparquote auf 15% ansteigt (+6,8 Prozentpunkte gegenüber 2019) und sich erst nach 2022 wieder Richtung Vorkrisenniveau bewegt.

Der starke Einbruch der Wirtschaftsleistung verursachte im Frühjahr 2020 einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau von 571.477 Personen (einschließlich Personen in Schulung; Ende April 2020, gegenüber dem Vorjahr +210.275 Personen). Berücksichtigt man zusätzlich auch jene Beschäftigungsverhältnisse, die durch Kurzarbeit (zumindest temporär) gesichert wurden (für 1,15 Mio. Beschäftigte hatte das Arbeitsmarktservice Kurzarbeit Anfang Mai genehmigt), dann waren zum Höhepunkt der Krise über 40% der unselbständigen Beschäftigungsverhältnisse (in unterschiedlichem Ausmaß) direkt von der COVID-19-Krise betroffen.

Für das Gesamtjahr wird ein Anstieg der Arbeitslosenquote 2020 (laut AMS-Definition) auf 9,8% und ein Beschäftigungsrückgang um 1,9% prognostiziert. Nach einem Rebound-Effekt 2021 und einer leichten, aber stetigen weiteren Erholung der Wirtschaftstätigkeit wird 2025 eine Arbeitslosenquote auf dem Vorkrisenniveau erwartet (7,5%).

Die fiskalischen Maßnahmen zur Abfederung der Rezession und die Steuerausfälle werden 2020 eine Zunahme des Budgetdefizits auf 9,4% (2019: 0,7% Überschuss) und der Staatsverschuldung auf rund 84% (+13,6 Prozentpunkte gegenüber 2019) des nominellen BIP zur Folge haben. Da die meisten Maßnahmen nur temporär zur Krisenbewältigung eingeführt wurden, und durch die Konjunkturerholung und die Steuerprogression die Einnahmen wieder zunehmen, gehen bis zum Ende der Prognoseperiode das Budgetdefizit auf 1% und die Verschuldung auf 80% des BIP zurück.

Im Risikoszenario wird in Österreich und den wichtigsten Handelspartnern im IV. Quartal 2020 ein übermäßiger Anstieg der Zahl der SARS-CoV-2-Infektionen angenommen. Um das epidemiologische Geschehen wieder unter Kontrolle zu bringen, wird unterstellt, dass die Bundesregierung drastische gesundheitspolitische Maßnahmen verordnet: (partielle) Betriebsschließungen (im Besonderen in der Gastronomie, Beherbergung, Veranstaltungswesen), Ausgangs- und Reisebeschränkungen, aber auch (partielle) Kindergarten- und Schulschließungen, die das Arbeiten der Eltern im Home-Office erschweren. Für diese Maßnahmen wird angenommen, dass sie von Anfang November bis nach den Weihnachtsschulferien im Jänner, d. h. für 10 Wochen in Kraft sein und danach langsam gelockert werden.

Diese Drosselung der wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten hat einen neuerlichen Einbruch der Wirtschaftsleistung (besonders in den oben angeführten Wirtschaftsbereichen) zur Folge. Auf der Verwendungsseite sind vor allem die private Konsum- und die Exportnachfrage (insbesondere der Reiseverkehr) betroffen.

Unter diesen Annahmen würde das BIP 2020 um 9,3% schrumpfen und 2021 auf diesem niedrigen Niveau beinahe stagnieren (+0,4%). Für 2022 (+4,8%) wäre ein etwas stärkerer Rebound-Effekt als in der Hauptvariante zu erwarten, da der Aufschwung im Risikoszenario nach zwei (sehr) schwachen Jahren erfolgt. Für die Jahre 2023 bis 2025 wird ein ähnliches, aber etwas schwächeres Wirtschaftswachstum als in der Hauptvariante unterstellt. Das Vorkrisenniveau des BIP würde erst 2024 erreicht werden. Das Wachstum des Trendoutputs würde aufgrund der schwächeren Investitionstätigkeit und der höheren strukturellen Arbeitslosigkeit ebenfalls niedriger ausfallen.

Aufgrund der Einschränkungen der Konsummöglichkeit, aber auch durch vermehrtes Vorsichtssparen würde die Sparquote 2020 auf 17% (+2 Prozentpunkte gegenüber der Hauptvariante bzw. fast 9 Prozentpunkte gegenüber dem Vorkrisenniveau) zunehmen.

Der Bestand an Arbeitslosen wäre 2021 um 62.000 Personen höher als in der Hauptvariante und die Arbeitslosenquote würde auf 10,3% ansteigen; über den gesamten Prognosezeitraum wäre die Arbeitslosenquote um 1 Prozentpunkt höher als in der Hauptvariante.

Im Risikoszenario wäre die Rezession deutlich tiefer und länger als in der Hauptvariante. Deshalb werden eine Verlängerung bzw. Ausweitung der bereits beschlossenen fiskalpolitischen COVID-19-Unterstützungsmaßnahmen für 2020 und 2021 unterstellt. Auf der Einnahmenseite ist von einem niedrigen Aufkommen bei den Steuern und Sozialbeiträgen auszugehen.

Diese deutlich ungünstigeren Rahmenbedingungen würden 2020 zu einem Budgetdefizit von 10,8% des nominellen BIP führen. Dadurch würde sich auch die prognostizierte mittelfristige Verbesserung des Budgetpfades 2022/2025 verlangsamen. Zum Ende des Prognosezeitraumes 2025 ergäbe sich noch immer ein gesamtstaatliches Defizit von 2,4% des BIP und der Schuldenstand bliebe bis 2025 bei 93% des nominellen BIP. Er wäre damit zum Ende der Prognoseperiode um 13 Prozentpunkte höher als in der Hauptvariante.

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Mag. Dr. Josef Baumgartner

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen
© Alin Andersen/Unsplash
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