Humanressourcen sind der wichtigste Standortfaktor

30.03.2017

Unternehmen in Österreich sehen die Verfügbarkeit von qualifiziertem F&E-Personal als wichtigsten Standortfaktor, noch vor der steuerlichen Förderung in diesem Bereich.

Hochqualifizierte Arbeitskräfte sowie Personal für Forschung und Entwicklung sind der zentrale Standortfaktor für Industrieunternehmen, und der politische Handlungsbedarf ist zugleich groß. Das ist eines der Ergebnisse einer Umfrage des Österreichischen Instituts für Wirtschafts­forschung (WIFO) unter heimischen Industrieunternehmen.
 
Zwei Drittel gaben in der WIFO-Umfrage an, dass "eine Verbesserung der österreichischen Standortpolitik" hinsichtlich der Verfügbar­keit nicht-akademischer Fachkräfte aus dem In- und Ausland "besonders wichtig" sei. Gleich dahinter folgen die Verfügbarkeit akademischer Fachkräfte (47 Prozent) sowie die Qualität der Lehrlingsausbildung.

"Qualifiziertes Personal ist somit der wichtigste Standortfaktor, und zwar noch vor der steuerli­chen Förderung", sagt WIFO-Ökonom Jürgen Janger. Bestätigt werde das durch die Ergeb­nisse aktueller Studien ‑ wie etwa die Evaluierung der Forschungsprämie durch IHS, KMU For­schung und WPZ Research. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen, bei denen Standortent­scheidungen eine wichtige Rolle spielen, sahen die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal als relevanten Standortfaktor. 83 Prozent bejahen dies bei der steuerlichen und 68 Prozent bei der direkten Förderung. Gleichzeitig ist die Zufriedenheit mit dem Standortfaktor F&E-Personal (sehr zufrieden: 17 Prozent) deutlich geringer ausgeprägt als mit dem Standortfaktor steuerli­che Förderung, die mit 36 Prozent hoher Zufriedenheit am besten unter den abgefragten Fak­toren abschneidet.

"Diese Ergebnisse weisen erneut auf die Bedeutung des Bildungssystems für Innovation und Standortattraktivität hin", sagt Janger. Reformen bei Schulen und Hochschulen seien deshalb prioritär für die Attraktivität Österreichs als Forschungsstandort. "Ein Fokus nur auf Förderung für die Standortattraktivität ist gefährlich. Nicht zuletzt, weil Vorteile durch Förderungen auch schnell verloren gehen können. Wenn Deutschland und die Schweiz ein System der steuerli­chen Forschungsförderung einführen, sind die Standortvorteile dahin", sagt Janger. Reformen im Bildungssystem und bei Hochschulen brauchen in der Regel wesentlich länger, bis sie wir­ken, als es dauert, neue Förderungen einzuführen.

Bereits 2014 gaben Unternehmen in den führenden Innovationsländern in einer europäischen Studie des WIFO den Mangel an qualifiziertem Personal am häufigsten als Hemmnis für Inno­vationsaktivitäten an (35 Prozent), während mangelnde Finanzierung nur von 19 Prozent als Hemmnis genannt wird. Ein wichtiger Grund für die Bedeutung von F&E-Personal und qualifi­zierten Fachkräften in Forschung und Produktion ist, dass die österreichischen Industrieunter­nehmen ihr Produktportfolio aktiv diversifizieren und damit auch ihre technologischen Kompe­tenzen zunehmend über bestehende Kernkompetenzen hinaus erweitern müssen. Von den Unternehmen, die sich in den vergangenen fünf Jahren auf die Vertiefung Ihrer Schlüssel­kompetenzen in den angestammten Technologiefeldern konzentriert haben, wollen in den kommenden fünf Jahren über 39 Prozent ihre Kompetenzen in neuen Technologiefeldern aufbauen.

Ökonom (Senior Economist)

Publikationen

Österreich 2025 – Wettbewerbsfähigkeit, Standortfaktoren, Markt- und Produktstrategien österreichischer Unternehmen und die Positionierung in der internationalen Wertschöpfungskette (Austria 2025 – Competitiveness, Location Factors, Market and Product Strategies Pursued by Austrian Enterprises and Positioning in the International Value-added Chain)
WIFO-Monatsberichte, 2017, 90(3), S.219-228
Online seit: 23.03.2017 0:00
 
Die österreichische Industrie trägt wesentlich zu den hohen Pro-Kopf-Einkommen in Österreich bei. Um die industriepolitisch relevanten Einflüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen herauszuarbeiten, befragte das WIFO mehr als 1.000 der größten österreichischen Industrieunternehmen zu Marktstrategien, Einbettung in internationale Wertschöpfungsketten und Standortpolitik. Demnach fußt die Wettbewerbsfähigkeit dieses stark internationalisierten Sektors zunehmend auf Technologie und Kompetenzen, die ausdifferenzierte Wettbewerbsstrategien sowohl des Produktportfolios als auch der Zielmärkte ermöglichen. Dies macht die Anforderungen an den Industriestandort Österreich und die Herausforderungen für die Wirtschafts- und Technologiepolitik vielfältiger.