Vor dem Jahr 2007 stieg der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern: der mittlere Lohnunterschied bei den Bruttostundenlöhnen
stieg von 17,9 Prozent im Jahr 2005 auf 20,2 Prozent im Jahr 2007. Danach war eine zwar schwankende, aber eine leicht fallende
Tendenz zu beobachten mit einem Tiefstand von 14,5 Prozent im Jahr 2014. Im Jahr 2015 betrug der Lohnunterschied 15,6
Prozent. Ein wesentlicher Grund für das Schließen der Lohnlücke war die Reduktion des um Merkmale wie Schulbildung und Berufserfahrung
bereinigten Lohnunterschieds, der von 13,7 Prozent im Jahr 2005 auf 10,7 Prozent im Jahr 2015 sank. Zu diesen Ergebnissen
kommt eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO).
Zwischen 4,2 und 8,9 Prozentpunkte des Lohnunterschiedes werden durch beobachtete Unterschiede zwischen Frauen und Männern
erklärt. Der somit erklärte Anteil des Lohnunterschiedes variiert zwischen 23,4 Prozent und 58,1 Prozent. Der verbleibende
unerklärte Lohnunterschied hat auch eine leicht sinkende Tendenz. Das bedeutet, dass nicht nur beobachtete, sondern auch nichtbeobachtete
Unterschiede zwischen Frauen und Männern (z. B. Lohnverhandlungen) oder ungleiche Behandlung geringer wurden.
In der Krise fielen Boni und Prämien weg
Ein Teil des Rückgangs des Lohnunterschieds könnte auf makroökonomische Veränderungen mit lohndämpfender Wirkung zurückzuführen
sein. Durch die starke geschlechtsspezifische Trennung nach Beschäftigungssektoren könnten Männer stärker als Frauen von Krisen
betroffen sein. So erreichte die Wirtschaftskrise 2008/09 etwa die von Männern dominierten exportorientierten
Branchen des produzierenden Bereichs früher als etwa den von Frauen dominierten Dienstleistungssektor. Der erhöhte Wettbewerbsdruck
auf dem Produktmarkt, den die schlechte Wirtschaftslage mit sich brachte, könnte Unternehmen dazu gezwungen haben, auf sachlich
nicht gerechtfertigte Lohnunterschiede zu verzichten. Ein möglicher weiterer Grund für die sich schließende Lohnschere: Gewinnabhängige
Lohnkomponenten wie etwa Boni und Prämien, von denen Männer in ökonomisch guten Zeiten tendenziell stärker als Frauen profitieren,
wurden reduziert oder fielen ganz weg.
Zu den Merkmalen, die einen Teil der Lohndifferenz erklären, gehören auch eine Reihe von Faktoren, die sich aus der geschlechtsspezifischen
Segregation in dem Arbeitsmarkt vorgelagerten Bereichen (Bildung, Berufswahl) ergeben oder Geschlechterrollen widerspiegeln.
So sind in Österreich Unterschiede in Berufserfahrung und Arbeitsausmaß stark ausgeprägt, die nicht nur eine geringere Entlohnung
bewirken, sondern auch die beruflichen Aufstiegschancen von Frauen verringern. Geschlechtspräferenzen von Unternehmen, etwa
bei der Einstellung von Personal, können die Segregation auf dem Arbeitsmarkt fördern.
Aus der Entwicklung der Lohnunterschiede in den letzten 10 Jahren können mögliche Maßnahmen zur weiteren Reduktion identifiziert
werden: Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, insbesondere mit ganztägiger Betreuung, und längere Väterkarenz können
die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit, die Unterschiede in der Berufserfahrung und damit Aufstiegschancen angleichen.
Aber auch Unternehmen können durch eine detaillierte Analyse und Anpassung ihrer Lohnkomponenten wie etwa der Boni und Prämien
zur Angleichung der Löhne beitragen, sagt Studienautorin Christine Zulehner. Wichtig sei es zudem, schon im schulischen
Bereich eine geschlechtsspezifische Stereotypisierung von Berufen zu verhindern. Ungleiche Löhne zwischen Frauen und
Männern entstehen durch mehrere Faktoren, daher ist es geboten ihnen auf unterschiedlichen Ebenen zu begegnen. Denn trotz
des beobachtbaren Rückgangs beim Lohnunterschied ist Österreich im EU-Vergleich immer noch eines der Schlusslichter,
so die Expertin abschließend.