Schließt sich die Lohnschere zwischen Frauen und Männern?

02.11.2017

Bis 2007 stieg der geschlechtsspezifische Lohnunterschied in Österreich auf einen Höchststand, seither sinkt er langsam.

Ein Teil des Rückgangs könnte auf makroökonomische Veränderungen mit lohndämpfender Wirkung zurückzuführen sein. Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Job und Familie, zum Aufbrechen von Rollenbildern und mehr Gehaltstransparenz könnten Österreich aus seiner Schlusslichtrolle in der EU führen.
Vor dem Jahr 2007 stieg der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern: der mittlere Lohnunterschied bei den Bruttostundenlöhnen stieg von 17,9 Prozent im Jahr 2005 auf 20,2 Prozent im Jahr 2007. Danach war eine zwar schwankende, aber eine leicht fallende Tendenz zu beobachten – mit einem Tiefstand von 14,5 Prozent im Jahr 2014. Im Jahr 2015 betrug der Lohnunterschied 15,6 Prozent. Ein wesentlicher Grund für das Schließen der Lohnlücke war die Reduktion des um Merkmale wie Schulbildung und Berufserfahrung bereinigten Lohnunterschieds, der von 13,7 Prozent im Jahr 2005 auf 10,7 Prozent im Jahr 2015 sank. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Zwischen 4,2 und 8,9 Prozentpunkte des Lohnunterschiedes werden durch beobachtete Unterschiede zwischen Frauen und Männern erklärt. Der somit erklärte Anteil des Lohnunterschiedes variiert zwischen 23,4 Prozent und 58,1 Prozent. Der verbleibende unerklärte Lohnunterschied hat auch eine leicht sinkende Tendenz. Das bedeutet, dass nicht nur beobachtete, sondern auch nichtbeobachtete Unterschiede zwischen Frauen und Männern (z. B. Lohnverhandlungen) oder ungleiche Behandlung geringer wurden.

In der Krise fielen Boni und Prämien weg

Ein Teil des Rückgangs des Lohnunterschieds könnte auf makroökonomische Veränderungen mit lohndämpfender Wirkung zurückzuführen sein. Durch die starke geschlechtsspezifische Trennung nach Beschäftigungssektoren könnten Männer stärker als Frauen von Krisen betroffen sein. So erreichte die Wirtschaftskrise 2008/09 etwa die – von Männern dominierten – exportorientierten Branchen des produzierenden Bereichs früher als etwa den von Frauen dominierten Dienstleistungssektor. Der erhöhte Wettbewerbsdruck auf dem Produktmarkt, den die schlechte Wirtschaftslage mit sich brachte, könnte Unternehmen dazu gezwungen haben, auf sachlich nicht gerechtfertigte Lohnunterschiede zu verzichten. Ein möglicher weiterer Grund für die sich schließende Lohnschere: Gewinnabhängige Lohnkomponenten wie etwa Boni und Prämien, von denen Männer in ökonomisch guten Zeiten tendenziell stärker als Frauen profitieren, wurden reduziert oder fielen ganz weg.

Zu den Merkmalen, die einen Teil der Lohndifferenz erklären, gehören auch eine Reihe von Faktoren, die sich aus der geschlechtsspezifischen Segregation in dem Arbeitsmarkt vorgelagerten Bereichen (Bildung, Berufswahl) ergeben oder Geschlechterrollen widerspiegeln. So sind in Österreich Unterschiede in Berufserfahrung und Arbeitsausmaß stark ausgeprägt, die nicht nur eine geringere Entlohnung bewirken, sondern auch die beruflichen Aufstiegschancen von Frauen verringern. Geschlechtspräferenzen von Unternehmen, etwa bei der Einstellung von Personal, können die Segregation auf dem Arbeitsmarkt fördern.

Aus der Entwicklung der Lohnunterschiede in den letzten 10 Jahren können mögliche Maßnahmen zur weiteren Reduktion identifiziert werden: „Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, insbesondere mit ganztägiger Betreuung, und längere Väterkarenz können die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit, die Unterschiede in der Berufserfahrung und damit Aufstiegschancen angleichen. Aber auch Unternehmen können durch eine detaillierte Analyse und Anpassung ihrer Lohnkomponenten wie etwa der Boni und Prämien zur Angleichung der Löhne beitragen“, sagt Studienautorin Christine Zulehner. Wichtig sei es zudem, schon im schulischen Bereich eine geschlechtsspezifische Stereotypisierung von Berufen zu verhindern. „Ungleiche Löhne zwischen Frauen und Männern entstehen durch mehrere Faktoren, daher ist es geboten ihnen auf unterschiedlichen Ebenen zu begegnen. Denn trotz des beobachtbaren Rückgangs beim Lohnunterschied ist Österreich im EU-Vergleich immer noch eines der Schlusslichter“, so die Expertin abschließend.

Ökonomin (Senior Economist)

Publikationen

WIFO-Monatsberichte, 2017, 90(9), S.713-725
Online seit: 22.09.2017 0:00
 
Daten der EU-SILC von 2005 bis 2015 zeigen einen insgesamt sinkenden Unterschied zwischen den mittleren Verdiensten von Frauen und Männern in Österreich. Der Teil des Unterschiedes, der nicht durch beobachtete Merkmale erklärt wird, stieg vor Ausbruch der Finanzmarktkrise bis 2008 noch, ist aber seit 2008 rückläufig und verringerte sich seit 2005 um 3,0 Prozentpunkte. Im selben Zeitraum stieg der durch beobachtbare Merkmale erklärte Teil um 0,7 Prozentpunkte. Die beobachteten, aber auch die nicht anhand von Beobachtungen erklärbaren Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden geringer, sodass sich auch der Lohnunterschied verringerte.
Im Jahr 2007 lag der Lohnunterschied bei 20,2 Prozent, im Jahr 2014 nur noch bei 14,5 Prozent.
Im Jahr 2007 lag der Lohnunterschied bei 20,2 Prozent, im Jahr 2014 nur noch bei 14,5 Prozent.